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Sind Zivilprozesskosten außergewöhnliche Belastungen?

Niemand übernimmt ein Prozesskostenrisiko freiwillig, doch manche Ansprüche lassen sich regelmäßig nur gerichtlich durchsetzen oder abwehren. Daher entstehen Staatsbürgern zur gewaltfreien Lösung von Rechtsstreitigkeiten und Interessenkonflikten zwangsläufig Kosten.

Der BFH hat seine bisherige langjährige Rechtsprechung zu Zivilprozesskosten aufgegeben und die bisher enge Gesetzesauslegung zugunsten der Steuerzahler deutlich gelockert. Sowohl Kläger als auch Beklagter können unabhängig vom Gegenstand des Verfahrens Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigen, wenn

  • die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (d.h. ein Erfolg ist mindestens ebenso wahrscheinlich wie ein Misserfolg) und 
  • das Verfahren nicht mutwillig oder leichtfertig erscheint.

Die Auswirkungen dieser für Steuerzahler günstigen Entscheidung lassen sich auch auf Kosten z.B. für Verwaltungs-, Sozial-, Straf- oder Finanzgerichtsverfahren übertragen. Diese können vor dem gleichen Hintergrund wie Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht werden, soweit hinreichende Erfolgsaussichten bestehen.

Trotz dieser Ausführungen hält die Finanzverwaltung bedauerlicherweise an den bisherigen strengeren Maßstäben und der ungünstigen Rechtsauffassung weiterhin fest. Das BMF teilt hierzu mit, dass dieses BFH-Urteil über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht angewendet wird, weil der Finanzverwaltung für eine eindeutige, zuverlässige und rechtssichere Einschätzung der geänderten Rechtsprechung keine Instrumente zur Verfügung stehen und sie dies ansonsten in einer erheblichen Anzahl von Fällen entscheiden müsste. Daher können Zivilprozesskosten im Hinblick auf eine denkbare gesetzliche Neuregelung mit möglicher Rückwirkung auf die bisher geltende Rechtslage grundsätzlich weiterhin nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden.

Als weitere Begründung führt das BMF an, dass nach der langjährigen BFH-Rechtsprechung bislang galt, dass Kosten von Zivilprozessen regelmäßig nicht zwangsläufig erwachsen und daher keine außergewöhnlichen Belastungen darstellen. Nach der neuen Rechtsauffassung des BFH ist der Abzug von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen dann zulässig, wenn die Prozessführung eine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Da dies von der Finanzverwaltung nicht umgesetzt wird, bleibt die positive Auswirkung der Rechtsprechung auf den entschiedenen Urteilsfall begrenzt. Die bisherigen Abzugsvoraussetzungen gelten weiterhin.

Praxishinweis

Absetzbar bleibt der Aufwand für einen Prozess als außergewöhnliche Belastung in den Fällen, in denen das Verfahren ausnahmsweise existenziell wichtige Bereiche berührt. Das bedeutet, dass der Betroffene ohne den Rechtsstreit Gefahr laufen würde, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.
Hinzu kommt der Aufwand für einen Arbeitsgerichtsprozess, den der Arbeitnehmer als Werbungskosten geltend machen kann. Von der Rechtsschutzversicherung erhaltene Leistungen sind in beiden Fällen abzuziehen.

BMF, Schreiben v. 20.12.2011 - IV C 4 - S-2284/07/0031 :002
BFH, Urt. v. 12.05.2011 - VI R 42/10, BStBl 2011 II 1015

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 24.01.12