Maksym Yemelyanov © fotolia.de

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Beraterpraxis, Steuerberatung, Steuerfachangestellte -

Steuerberaterhaftung bei fehlerhafter Prüfung der Insolvenzreife

Wird ein Steuerberater vom Gesellschafter einer GmbH oder von deren Geschäftsführer mit der Prüfung der Insolvenzreife beauftragt und unterlaufen ihm dabei Fehler, kann dies in den Schutzbereich des zwischen den Parteien geschlossenen Prüfvertrags als Werkvertrag fallen. Dies hat zur Folge, dass der Steuerberater in solchen Fällen Schadensersatz zu leisten hat.

Das geht aus einem aktuellen BGH-Urteil hervor: Der Steuerberater hatte den Gesellschafter-Geschäftsführer und den Gesellschafter nicht auf die bestehende Überschuldung der GmbH aufmerksam gemacht. Im anschließend eröffneten Insolvenzverfahren forderte der Geschäftsführer erfolgreich vom Steuerberater als Schadensersatz die Erstattung der nach Insolvenzeintritt für die GmbH geleisteten Zahlungen und der Prozesskosten in Höhe von rund einer halben Million Euro.
Grundlage für die Haftung ist, dass es sich um einen Werkvertrag handelt, wenn sich der Steuerberater zur Prüfung der Insolvenzreife eines Unternehmens verpflichtet. Ein solcher Werkvertrag hat keine steuerliche Beratung zum Gegenstand, jedoch geht der Tätigkeitsbereich des Steuerberaters über die eigentliche steuerliche Rechtsberatung weit hinaus:

  1. Die Hilfeleistung in Steuersachen umfasst auch die Hilfe bei der Führung von Büchern und Aufzeichnungen sowie bei der Aufstellung von Abschlüssen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind. 
  2. Auch die wirtschaftsberatende, gutachterliche oder treuhänderische Tätigkeit sowie die Erteilung von Bescheinigungen über die Beachtung steuerrechtlicher Vorschriften in Vermögensübersichten und Erfolgsrechnungen sind dem Steuerberater ausdrücklich erlaubt.

Von der zweiten Alternative wird verbreitet Gebrauch gemacht, und zwar vor allem bei der Erstellung oder Prüfung von Vermögensübersichten und Erfolgsrechnungen; das Berufsbild des Steuerberaters kennt danach zumindest zwei selbständige Formen der Berufsausübung innerhalb des Sammelbegriffs der „Hilfeleistung in Steuersachen":

  1. die eigentliche Steuerberatung in der Form echter Rechtsberatung auf dem Gebiet des Steuerrechts und 
  2. die Buchführungshilfe.

Hinweis: Von der eigentlichen Steuerberatung auf dem Gebiet des Steuerrechts ist also die Hilfeleistung bei der Erfüllung der Buchführungspflichten zu trennen, die der Rechnungslegung zuzuordnen ist.

In Hinblick auf die Steuerberaterhaftung hat die Rechtsprechung den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter herausgebildet. Hierbei steht der Anspruch auf die geschuldete Hauptleistung allein dem Gläubiger zu, Dritte sind jedoch in die vertraglichen Sorgfalts-, Obhuts- und auch Hauptleistungspflichten einbezogen, so dass sie bei deren Verletzung vertragliche Schadensersatzansprüche geltend machen können. Dies beruht auf einer maßgeblich durch das Prinzip von Treu und Glauben geprägten ergänzenden Auslegung, dass der Vertragsschuldner die Leistung so erbringen muss, dass bestimmbare Dritte nicht geschädigt werden. Das hat zur Folge, dass einem einbezogenen Dritten im Falle der Schädigung ein eigener Ersatzanspruch - als sekundärer vertraglicher Leistungsanspruch - gegen den Schuldner zusteht.

Hinweis: Abzugrenzen ist dies vom Vertrag zugunsten Dritter: Hier erwirbt ein Dritter unmittelbar das Recht, die Leistung zu fordern.

Die Rechtsprechung zur Schutzwirkung zugunsten Dritter ist nicht abschließend, sondern es wird lediglich die Frage entschieden, unter welchen Voraussetzungen allein aufgrund der objektiven Interessenlage die stillschweigende Vereinbarung einer Schutzpflicht für Dritte anzunehmen ist. Die Vertragsparteien können daher auch wirksam vereinbaren, dass Dritte nicht in den Schutzbereich des Vertrags eingebunden werden sollen. Ebenso können sie umgekehrt den Dritten ausdrücklich oder stillschweigend in den Schutzbereich ihres Vertrags einbeziehen - so etwa bei einer Bilanz oder einem Sachverständigengutachten, die nicht nur für das Innenverhältnis zwischen Auftraggeber und Sachverständigem oder Steuerberater und Wirtschaftsprüfer bestimmt sind.

Abschlussprüfer sind zur gewissenhaften und unparteiischen Prüfung und zur Verschwiegenheit verpflichtet. Verletzt der Prüfer vorsätzlich oder fahrlässig seine Pflichten, ist er der Kapitalgesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Das regelt zwar nur die Haftung gegenüber der Kapitalgesellschaft, bedeutet aber nicht, dass damit eine vertragliche Haftung gegenüber Dritten von vornherein ausgeschlossen ist. Diese Schutzwirkung zugunsten Dritter wird allgemein bei Verträgen angenommen, mit denen der Auftraggeber von einer sachkundigen Person - z.B. einem Sachverständigen, Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater - ein Gutachten bestellt, um davon gegenüber einem Dritten Gebrauch zu machen. Diese Grundsätze gelten auch in Fällen, in denen ein Abschlussprüfer mit der Prüfung einer GmbH betraut ist. Es muss für den Prüfer deutlich sein, dass von ihm eine besondere Leistung begehrt wird, von der gegenüber einem Dritten, der auf seine Sachkunde vertraut, Gebrauch gemacht werden soll.

Folge: Von Abschlussprüfern wird - im Drittinteresse - eine besondere Leistung erwartet, die über die Erbringung der gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtprüfung hinausgeht. Dem liegt der allgemeine Rechtsgedanke zugrunde, dass für die Vollständigkeit und Richtigkeit seiner Angaben jeder einstehen muss, der durch das von ihm in Anspruch genommene und ihm auch entgegengebrachte Vertrauen auf den Willensentschluss Dritter Einfluss genommen hat. Dem Abschlussprüfer muss also klar sein, dass die von ihm erbrachte Leistung (also auch die freiwillige Prüfung der Insolvenzreife) der Sicherung wirtschaftlicher Drittinteressen dient.

Sowohl das Bestehen als auch die Reichweite eines Drittschutzes sind durch Auslegung des jeweiligen Prüfvertrags zu ermitteln, betont der BGH. Dabei kann nicht angenommen werden, dass der Abschlussprüfer ein so weites Haftungsrisiko zu übernehmen bereit ist, wie es sich aus der Einbeziehung einer unbekannten Vielzahl von Gläubigern, Gesellschaftern oder Anteilserwerbern in den Schutzbereich ergibt. Geht der Vertrag aber davon aus, dass die Prüfung auch im Interesse eines bestimmten Dritten durchgeführt wird und das Ergebnis diesem als Entscheidungsgrundlage dienen soll, liegt in solchen Fällen mit Übernahme des Auftrags die schlüssige Erklärung des Prüfers zugrunde, auch im Interesse des Dritten gewissenhaft und unparteiisch prüfen zu wollen. Dementsprechend kommt in einem solchen Fall ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in Betracht.

Praxishinweis

Steuerberater, die im Bereich der Insolvenzberatung tätig sind, sollten das Urteil im Volltext genau studieren - sowohl die Ausführungen des BGH als auch die dort zitierten Vorschriften des BGB und des GmbHG. Besonders relevant ist dabei, dass der BGH die Steuerberatung von Prüfverträgen abgrenzt und die Reichweite darstellt. In der Praxis kommt die Haftung für einen Schaden insbesondere bei einem Mandat über die Umsatzsteuer in Betracht. Da der GmbH-Geschäftsführer als Dritter in den Schutzbereich eines Umsatzsteuermandats einbezogen sein kann, welches die GmbH erteilt hat, können die steuerlichen Berater der GmbH deshalb verpflichtet sein, den Geschäftsführern ihren Schaden aus einer steuerlichen Inhaftungnahme zu ersetzen.

In Bezug auf den Prüfvertrag als Werkvertrag können Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater beispielsweise auch dann zu Schadensersatz verpflichtet sein, wenn sie für einen Kapitalanleger einen Wertpapierprospekt prüfen. Dann ergibt sich die Haftung sowohl aus der Prospekthaftung als auch aus dem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter.

BGH, Urt. v. 14.06.2012 - IX ZR 145/11
BGH, Urt. v. 13.10.2011 - IX ZR 193/10
BGH, Urt. v. 01.02.2000 - X ZR 198/97
BGH, Urt. v. 08.07.2004 - X ZR 283/02
BGH, Urt. v. 07.02.2002 - III ZR 1/01

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 31.07.12