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Steuerschulden des Erblassers sind auch für das Todesjahr Nachlassverbindlichkeiten

Erben können die vom Verstorbenen herrührenden Steuerschulden des Verstorbenen sowie Verbindlichkeiten aus Vermächtnissen, Auflagen und geltend gemachten Pflichtteilen und Erbersatzansprüchen sowie Kosten für die Bestattung und für ein angemessenes Grabdenkmal als Nachlassverbindlichkeiten grundsätzlich vom steuerpflichtigen Vermögen abziehen. Unter diese Abzugsposten fallen auch die vom Erblasser nicht mehr bezahlten privaten Steuerschulden. Eine Ausnahme gilt jedoch in Hinsicht auf die Einkommensteuer für das Todesjahr selbst: Denn diese Nachforderung ist zum maßgeblichen Todestag noch gar nicht entstanden, weil die Einkommensteuer erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraums entsteht - so zumindest die bisherige allgemein gültige Rechtsauffassung. Damit ist ein Abzug als Nachlassverbindlichkeit selbst dann nicht möglich, wenn der Erblasser am 31.12. verstorben sein sollte.

Doch nun hat der BFH entschieden, dass die vom Erben als Gesamtrechtsnachfolger zahlbare und noch vom Erblasser stammende Einkommensteuer-Abschlusszahlung - plus die zusätzlich hierauf zu leistende Kirchensteuer und den Solidaritätszuschlag - für das Todesjahr entsprechend der Erbquote ebenfalls als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig ist. Der Urteilstenor hat große praktische Bedeutung, denn durch den Abzug der Einkommensteuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten hat die Einkommensteuer für das Todesjahr unmittelbare Auswirkung auf die Höhe der festzusetzenden Erbschaftsteuer.

Der BFH begründet seine Entscheidung damit, dass zu den abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten nicht nur diejenigen Steuerschulden gehören, die zum Zeitpunkt des Erbfalls in der Person des Erblassers bereits rechtlich entstanden waren. Mindernd wirken sich auch solche Steuerverbindlichkeiten aus, die der Erblasser als Steuerpflichtiger der Einkommensteuer - durch die Verwirklichung von Steuertatbeständen - noch begründet hat und die erst mit dem Ablauf des Todesjahres später entstehen. Dabei verweisen die Richter auf die insoweit übereinstimmende zivilrechtliche Rechtsprechung, wonach sich aus dem Begriff „herrühren" ergibt, dass die Verbindlichkeiten zum Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht voll wirksam entstanden sein müssen. So lautet nämlich die fortwährende Rechtsprechung des BGH.

Hinweis: Entscheidend für den Abzug der Steuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten ist, dass der Erblasser in eigener Person noch steuerrelevante Tatbestände verwirklicht hat und nicht etwa der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger. Beim Erben muss deshalb die Steuer für den Erblasser als Steuerpflichtigen entstehen. Dann bleibt die Einkommensteuerschuld für das Todesjahr des Erblassers - trotz des Übergangs auf den Erben - eine vom Erblasser herrührende Steuerschuld. Keine Rolle spielt dabei, dass der Einkommensteuerbescheid für den Erblasser später gegenüber dem (oder den) Erben als Gesamtrechtsnachfolger(n) ergeht.

Im Falle der Zusammenveranlagung von Eheleuten, von denen ein Ehepartner im Laufe des Jahres verstirbt, ist laut BFH entsprechend zu ermitteln, inwieweit die Einkommensteuernachzahlung auf den vorverstorbenen Ehegatten entfällt. Einkommensteuererstattungsansprüche, die das Todesjahr des Erblassers betreffen, fallen jedenfalls bei einer Zusammenveranlagung mit dem überlebenden Ehegatten nicht in den steuerpflichtigen Erwerb, weil sie erst mit Ablauf des Todesjahres entstehen.

Praxishinweis

Hinsichtlich der Steuer sind - zumindest derzeit - insgesamt folgende vier Konstellationen denkbar:

  1. Steuererstattungsansprüche für Jahre vor dem Todeszeitpunkt: Sie wirken belastend (da größerer Nachlass), auch wenn noch keine Festsetzung in einem Steuerbescheid zum Todeszeitpunkt erfolgt ist. Die Steuer muss für den Erblasser (der vor seinem Tod zu viel Steuern gezahlt hatte) an die Nachkommen erstattet werden.
  2. Steuererstattungsansprüche für das Todesjahr: Sie entstehen erst mit Ablauf des Kalenderjahrs und gelten daher nicht als steuerpflichtiger Erwerb.
  3. Steuerschulden für Jahre vor dem Tod: Diese sind mit Ablauf des jeweiligen Kalenderjahrs unabhängig davon entstanden, ob sie zum Todeszeitpunkt des Erblassers bereits festgesetzt waren oder nicht. Daher sind sie als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig. 
  4. Steuerschulden für das Todesjahr: Sie entstehen erst mit Jahresablauf und sind nach Auffassung der Verwaltung bislang nicht als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig. Es ist keine vom Erblasser herrührende Schuld, die am Sterbetag bereits besteht. Ganz anders sieht es der BFH im o.g. Urteil: Die spätere Nachforderung wirkt mindernd.

BFH, Urt. v. 04.07.2012 - II R 15/11
BFH, Urt. v. 16.01.2008 - II R 30/06, BStBl 2008 II 626
BGH, Urt. v. 07.06.1991 - V ZR 214/89

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 04.09.12