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Verfassungsmäßigkeit der Neuregelungen bei der Gewerbesteuer ab 2008

Durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 kam es bei der Gewerbesteuer zu diversen Neuregelungen im Gewerbe-, Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz. Das FG Hamburg hat diese Änderungen Ende Februar 2012 in zwei Entscheidungen unterschiedlich eingestuft.

Durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 kam es bei der Gewerbesteuer zu diversen Neuregelungen im Gewerbe-, Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz. Das waren im Wesentlichen:

  • Die Gewerbesteuer und die darauf entfallenden Nebenleistungen wie etwa Steuernachzahlungszinsen stellen nichtabziehbare Betriebsausgaben dar, die bei der Gewinnermittlung nicht mehr mindernd zu berücksichtigen sind.
  • Die Gewerbesteuermesszahl sinkt von 5 % auf 3,5 % und reduziert insgesamt die Belastung mit der Kommunalabgabe.
  • Es kommt zu einer Erhöhung des Anrechnungsfaktors der gezahlten Gewerbesteuer für die Einkommensteuerberechnung bei gewerblichen Einkünften.
  • Die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Zinsen, Mieten, Pachten, unbefristeten Lizenzen, Leasingraten und einigen weiteren Aufwendungen erfolgt mit einem bestimmten Prozentsatz. Davon wird ein Freibetrag von 100.000 € abgezogen; erst der sich so ergebende Betrag wird dann zu einem Viertel der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer hinzugerechnet. Zuvor wurde bei der Gewerbesteuer die Hälfte der Dauerschuldzinsen zum Gewinn hinzugerechnet und mitbesteuert. Stattdessen werden ab 2008 alle Finanzierungsanteile zu 25 % dem Gewinn hinzugerechnet.

Der Tenor der beiden Entscheidungen lautet wie folgt:

  1. Die Nichtabziehbarkeit der Gewerbesteuer bei der Gewinnermittlung ist noch verfassungsgemäß.
  2. Die Hinzurechnung von Zinsen, Mieten und Pachten ist wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz jedoch verfassungswidrig. Die Klärung der Frage ist unter dem Aktenzeichen 1 BvL 8/12 beim BVerfG anhängig.

Im ersten Fall pachtete ein Tankstellenbetrieb wesentliche Wirtschaftsgüter. Die Pachtzinsen mindern im Rahmen der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer als Betriebsausgaben den zu versteuernden Gewinn - nicht jedoch bei der Gewerbesteuer. Hier werden vielmehr Beträge dem Gewinn wieder hinzugerechnet, um die Gewerbesteuer zu berechnen. Das FG hält die Vorschriften über diese gewerbesteuerliche Hinzurechnung wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes für verfassungswidrig.

Der Gleichheitssatz fordert eine gleichmäßige Belastung aller Steuerpflichtigen nach ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit und unter Berücksichtigung des Eigentumsgrundrechts. Erwirtschaftet nun ein Gewerbetreibender einen Ertrag und wird dieser besteuert, ohne dass die entsprechenden Aufwendungen wie etwa Pachtzinsen für die Tankstelle berücksichtigt werden, ist das sog. Ist-Leistungsfähigkeitsprinzip verletzt. Dies könnte gerechtfertigt sein, wenn Gründe vorliegen, die dem verfassungsrechtlichen Leistungsfähigkeitsprinzip mindestens gleichrangig sind.

Bislang wurden als solche Rechtfertigungsgründe

  • der besondere Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer,
  • das Äquivalenzprinzip und 
  • die Gleichstellung von Fremd- und Eigenkapitaleinsatz

angeführt. Diese Gründe hält das FG jedoch für unzureichend für die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Pacht, Zinsen oder anderen Aufwendungen.

Im Gegensatz hierzu ist die 2008 gleichzeitig in Kraft getretene Regelung, nach der die Gewerbesteuer selbst keine bei der Gewinnermittlung abziehbare Betriebsausgabe mehr ist, trotz verfassungsrechtlicher Zweifel anwendbar. Durch die Nichtberücksichtigung der Gewerbesteuer ist zwar das objektive Nettoprinzip durchbrochen. Dies führt allerdings lediglich zu Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung, nicht jedoch zu deren Verfassungswidrigkeit. Denn die Durchbrechung ist möglicherweise durch einen besonderen sachlichen Grund gerechtfertigt - nämlich durch die weiteren Änderungen aufgrund der umfangreichen damaligen Gesetzesreform. Die Revision zur Fortbildung des Rechts wurde zugelassen.

Praxishinweis

Mit Neuregelung durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 sollte die wechselseitige Beeinflussung der Bemessungsgrundlagen der Gewerbesteuer einerseits und der Einkommen- oder Körperschaftsteuer andererseits entfallen, um die Gesamtsteuerbelastung grundsätzlich durch eine Addition der Teilkomponenten berechnen zu können. Ausführliche Erläuterungen zu den Hintergründen ergeben sich dabei aus der Lektüre der Bundestags-Drucksache zu den damaligen Änderungen. Der Nichtabzug der Gewerbesteuer sollte der klareren Abgrenzung der Ertragshoheiten dienen.
Dem FG erscheint ferner die erhöhte Belastung der gewerblichen Einkünfte infolge der Nichtabziehbarkeit der Gewerbesteuer unter Berücksichtigung der gleichzeitigen Absenkung der Gewerbesteuermesszahl, der Senkung des Körperschaftsteuersatzes von 25 % auf 15 % und der Erhöhung des Anrechnungsfaktors für die Einkommensteuer auch nicht unangemessen.

FG Hamburg, Beschl. v. 29.02.2012 - 1 K 138/10
FG Hamburg, Urt. v. 29.02.2012 - 1 K 48/12
Entwurf eines Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 v. 27.03.2007, BT-Drs. 16/4841, 47

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 24.04.12