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Verlustverrechnungsbeschränkung beim Mantelkauf verfassungswidrig?

Das FG Hamburg hat dem BVerfG eine im Jahr 2008 eingeführte Neuregelung zur Verlustübernahme beim sogenannten Mantelkauf zur Entscheidung vorgelegt. Dabei soll geklärt werden, inwieweit die Verlustverrechnungsbeschränkung gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit undden im Grundgesetz verankerten Gleichheitssatz verstößt und damit solche Kapitalgesellschaften in unzulässiger Weise benachteiligt, bei denen ein Gesellschafterwechsel stattgefunden hat, durch den Verluste steuerlich nicht mehr nutzbar sind. Das FG hält die Vorschrift für verfassungswidrig; feststellen kann dies aber nur das BVerfG.

Die beanstandete Regelung

Durch das Unternehmensteuergesetz 2008 wurde § 8c Satz 1 KStG eingeführt. Diese Vorschrift beschränkt den Verlustabzug nach § 10d EStG bei Körperschaften, wenn innerhalb von fünf Jahren mittelbar oder unmittelbar mehr als 25 % des gezeichneten Kapitals, der Mitgliedschafts-, Beteiligungs- oder Stimmrechte an einen Erwerber oder eine ihm nahestehende Person übertragen werden (schädlicher Beteiligungserwerb).

In diesem Fall sind die bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht ausgeglichenen oder abgezogenen negativen Einkünfte nicht mehr abziehbar. Sie gehen verloren, weil sie für eine spätere Verrechnung mit Gewinnen nicht mehr zur Verfügung stehen.

Der zugrundeliegende Fall

Der festgestellte verbleibende Verlustvortrag einer Kapitalgesellschaft zur Körperschaftsteuer und der vortragsfähige Gewerbeverlust zum 31.12.2007 betrugen jeweils weit über 1/2 Mio. €. Der Gesellschafter wurde auf Schadenersatz in Millionenhöhe verklagt. Weil er vermögenslos geworden war, Vollstreckungsmaßnahmen abwehren und der möglichen Einziehung seines Gesellschaftsanteils vorgreifen wollte, übertrug er diesen im Nennwert von 12.000 € auf einen Dritten.

In den Bescheiden über die Körperschaftsteuer 2008, die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2008, den Gewerbesteuermessbetrag 2008 und die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts auf den 31.12.2008 berücksichtigte das Finanzamt den verbleibenden Verlustabzug nicht in voller Höhe, sondern kürzte ihn gem. § 8c KStG um den prozentual auf den ausgeschiedenen Gesellschafter entfallenden Anteil von 48 % (12.000 € Anteil am Stammkapital von 25.000 €) bei der Körperschaftsteuer um 285.489 € und bei der Gewerbesteuer um 283.359 €. Danach betrug die Körperschaftsteuer 43.085 € und die Gewerbesteuer 47.620 €.

Die Ausführungen des FG

Nach Ansicht des Gerichts ist die Vorschrift des § 8c Satz 1 KStG verfassungswidrig. Das Verfahren war deshalb auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG einzuholen. Hierzu werden folgende Gründe angeführt:

  • Die Körperschaftsteuer bemisst sich nach dem Einkommen und damit nach der Ertragskraft der Körperschaft. Im Bereich der Unternehmensbesteuerung unterliegt grundsätzlich nur das Nettoeinkommen (Saldo aus Einnahmen und Betriebsausgaben) der Besteuerung. Die Anwendung von § 8c Satz 1 KStG verletzt jedoch den Grundsatz des abschnittsübergreifenden Nettoprinzips, das die periodenübergreifende Verlustverrechnung erlaubt.
  • Da § 8c KStG für den Erhalt der Verlustvorträge maßgeblich auf Vorgänge abstellt, die sich auf der Ebene der Anteilseigner abspielen, wird außerdem das Trennungsprinzip durchbrochen. Für die Beurteilung der steuerlichen Leistungsfähigkeit einer Kapitalgesellschaft wird auf die Ebene des Gesellschafters durchgegriffen. Dies hat aber nichts mit der Leistungsfähigkeit der Gesellschaft zu tun, weil der Beteiligte mit seinem Verkauf die Geschicke des Unternehmens grundsätzlich nicht beeinflusst.
  • Die Missbrauchsbekämpfung kommt als sachliche Rechtfertigung nicht in Betracht, weil die Definition des schädlichen Beteiligungserwerbs nichts mit einer missbräuchlichen Gestaltung zu tun hat.
  • Es handelt sich um eine verfassungsrechtlich nicht hinreichend sachlich begründete, allein fiskalisch motivierte Maßnahme, die einseitig Gesellschaften benachteiligt, bei denen ein Wechsel der Anteilseigner stattfindet.
  • Zwar wurde im Zuge der Unternehmensteuerreform 2008 neben der Belastung durch die Verlustabzugsbeschränkung auch der Körperschaftsteuersatz um zehn Prozentpunkte gesenkt. Auch dies ist aber keine Rechtfertigung, da die Steuersenkung allen Kapitalgesellschaften gleichermaßen zugute kommt, während die Verlustabzugsbeschränkung nur einen bestimmten Kreis trifft.


Praxishinweis

Seit ihrer Einführung durch das Unternehmensteuergesetz mit Wirkung ab dem 01.01.2008 hat die Regelung eine bewegte Vergangenheit hinter sich. So ist sie bereits fünfmal angepasst worden und in zwei Fällen derzeit nicht anwendbar.

  1. Durch das Gesetz zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen (MoRaKG) v. 12.08.2008 (BGBl I 2008, 1672) wurde § 8c Abs. 2 KStG hinzugefügt. Er sah Ausnahmen von Absatz 1 für den Fall vor, dass der schädliche Beteiligungserwerb durch bzw. über eine Wagniskapitalgesellschaft erfolgt: Der körperschaftsteuerliche Verlust sollte in dem Umfang erhalten bleiben, in dem das Betriebsvermögen stille Reserven enthält. Diese Regelung stand unter einem Beihilfevorbehalt und ist mangels Zustimmung der EU-Kommission nicht in Kraft getreten.
  2. Im Zuge des Bürgerentlastungsgesetzes v. 16.07.2008 (BGBl I 2009, 1959) wurde § 8c KStG um Absatz 1a erweitert. Damit wurde eine allgemeine Sanierungsklausel eingeführt, die von zahlreichen Zusatzvoraussetzungen abhängt. Die  ursprüngliche Befristung auf zwei Jahre wurde später über das Wachstumsbeschleunigungsgesetz v. 22.12.2009 (BGBl I 2009, 3950) gestrichen. Die Sanierungsklausel ist jedoch bis auf weiteres nicht anwendbar, weil die EU-Kommission eine unzulässige Beihilfe in ihr sieht.
  3. Mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz sind noch weitere gravierende Änderungen vorgenommen worden, insbesondere ist eine Konzernklausel und eine Verschonungsvorschrift bei stillen Reserven eingeführt worden.
  4. Im Zuge des Jahressteuergesetzes 2010 ist die Klausel über die stillen Reserven im Hinblick auf ausländisches Betriebsvermögen wieder neu gefasst worden; ferner ist für den Fall von negativem Eigenkapital eine Umgehungsverhinderungsregelung eingeführt worden.
  5. Über den Entwurf zum EU-Beitreibungsgesetz soll die sogenannte Sanierungsklausel zur Umsetzung der Entscheidung der Europäischen Kommission aufgehoben werden.

Durch die Entscheidung des BVerfG könnte ein weiteres Hemmnis hinzukommen.

FG Hamburg, Beschl. v. 04.04.2011 - 2 K 33/10
BMF-Schreiben v. 04.07.2008 - IV C 7 - S 2745-a/08/10001, BStBl I 2008, 736
BVerfG, Beschl. v. 12.10.2010 - 1 BvL 12/07

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 31.05.11