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Verzicht auf Steuerbefreiung für laufende Mietzahlungen schließt Vorauszahlungen nicht ein

Die langfristige Vermietung und Verpachtung von Grundbesitz ist grundsätzlich steuerfrei. Darauf kann der Unternehmer allerdings verzichten und seine erzielten Vermietungsumsätze als steuerpflichtig behandeln, wenn sie an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt werden und der Verzicht auf die Steuerbefreiung zulässig ist. Ein solcher Verzicht gilt nach dem Urteil des FG München für laufende Mietzahlungen und schließt Vorauszahlungen nicht mehr mit ein. Das gilt zumindest dann, wenn diese der Schaffung einer neuen, zukünftigen Rechtsposition dienen, indem ein Nutzungsrecht in der Anschlussmietzeit geschaffen werden soll.

Im zugrunde liegenden Fall vermietete ein Unternehmer das erworbene Grundstück für gewerbliche Zwecke. Nach dem Mietvertrag optierte der Vermieter für die Umsatzsteuerpflicht seiner Vermietungsumsätze, wobei eine Grundmietzeit zugrunde gelegt wurde. Darüber hinaus wurde vereinbart, dass der Unternehmer im Anschluss daran das Mietverhältnis mehrmals verlängern kann. Während der ersten Anschlussmietzeit war vertraglich vorgesehen, dass der gewerbliche Nutzer neben dem laufenden Entgelt jährliche Mietvorauszahlungen bezahlen sollte, die in voller Höhe zur Tilgung des für das Mietobjekt vom Vermieter aufgenommenen Darlehens verwendet und bei Kündigung des Mietvertrags an den Mieter zurückgezahlt werden sollten. Sofern der Mieter das vereinbarte Ankaufsrecht ausüben sollte, war die Verrechnung der Mietvorauszahlungen mit dem Kaufpreis vorgesehen. Der Unternehmer hatte die laufenden Mietzahlungen als steuerpflichtige Umsatzerlöse erklärt, die Mietvorauszahlungen hingegen beließ er umsatzsteuerfrei, weil er insoweit von einer steuerfreien Kreditgewährung ausging. Abweichend von dieser Beurteilung behandelte das Finanzamt auch die Mietvorauszahlungen als umsatzsteuerpflichtig.

Nach Ansicht des FG hat das Finanzamt die vereinnahmten Zahlungen zu Unrecht der Umsatzsteuer unterworfen. Ein steuerfreies Darlehen liegt zwar nicht vor, da der Vertrag

  • keine Verzinsung vorsieht und 
  • die Rückzahlungsverpflichtung unter bestimmten Voraussetzungen, wie etwa bei einer vorzeitigen außerordentlichen Kündigung, entfallen kann.

Dennoch sind die Mietvorauszahlungen steuerfrei, weil der Unternehmer diesbezüglich nicht ebenfalls zur Steuerpflicht optiert hat. Weder hat er diese mit einem gesonderten Ausweis der Umsatzsteuer abgerechnet noch hat er die Umsätze gegenüber dem Finanzamt in den abgegebenen Umsatzsteuererklärungen als steuerpflichtig behandelt. Ein hinsichtlich der laufenden Mietzahlungen abgegebener Verzicht auf die Steuerbefreiung der Mietumsätze hat nämlich keine Auswirkung auf die vereinnahmten Vorauszahlungen, wenn durch diese eine neue Rechtsposition in der Zukunft geschaffen werden soll.

Allein der Umstand, dass der Mietvertrag vorsieht, dass der Unternehmer für die Umsatzsteuerpflicht seiner Vermietungsumsätze optieren und auf Mieten und etwaige Mietnebenkosten Umsatzsteuer berechnen wird, bedeutet nicht automatisch, dass er auch hinsichtlich der Vorauszahlungen eine Verzichtserklärung abgegeben hat.

Insbesondere handelt es sich bei den Mietvorauszahlungen auch nicht um eine unselbständige Nebenleistung, die bekanntlich das umsatzsteuerliche Schicksal der Hauptleistung teilt. Denn zur Annahme einer Nebenleistung ist erforderlich, dass sie

  • im Vergleich zur Hauptleistung nebensächlich ist,
  • mit ihr zusammenhängt und 
  • üblicherweise in ihrem Gefolge vorkommt.

Im Urteilsfall stellen die Mietvorauszahlungen jedoch unabhängig von der vereinbarten Hauptleistung - der Überlassung der Immobilie während der laufenden Mietzeit - Entgelte dar, die vom Leistungsempfänger entrichtet werden, um das Mietobjekt zukünftig in der zweiten Anschlussmietzeit nutzen zu können. Insgesamt handelt es sich um zwei voneinander getrennte Umsätze; als Konsequenz entfaltet die hinsichtlich der für die laufende Nutzungszeit erhaltenen Mieteinnahmen abgegebene Option keine Wirkung für die Mietvorauszahlungen.

Hinweis: Das FG München hat die Revision beim BFH zugelassen, da die Beteiligten übereinstimmend erklärt hatten, dass es in der Praxis eine Vielzahl von vergleichbaren Fällen gibt, wodurch der Sache eine grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Praxishinweis

Die Beurteilung von Umsätzen, die für künftige Leistungen vorweg bezahlt worden sind, hängt davon ab, ob es sich insoweit um Vorauszahlungen handelt oder ob im Umfang der Vorauszahlung ein verzinsliches Darlehen vereinbart worden ist.

Vertragstypische Pflichten beim Darlehensvertrag sind

  • die Verpflichtung, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in einer vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen,
  • für den der Darlehensnehmer einen geschuldeten Zins zahlt, und 
  • die Rückzahlung bei Fälligkeit.

An der Verpflichtung zur Rückgewährung fehlt es, da der Unternehmer die empfangenen Mietvorauszahlungen grundsätzlich nur bei einer Kündigung des Mietvertrags zurückzahlen muss; bei einer außerordentlichen Kündigung oder bei Kündigung des Mietvertrags durch einen hierzu befugten Dritten entfällt sogar jede Rückzahlungspflicht. Die wesenstypischen Merkmale eines Darlehensvertrags fehlen daher.

Bei Vorauszahlungen entsteht die Umsatzsteuer grundsätzlich mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt oder das Teilentgelt vereinnahmt worden ist. Die vorgezogene Entstehung der Steuer verlangt im Zeitpunkt der Vereinnahmung also grundsätzlich die Bestimmung oder jedenfalls Bestimmbarkeit der Leistung nach Art, Umfang und Zeitpunkt.

Entscheidend ist, ob zwischen Leistung und Gegenleistung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, der sich regelmäßig aus dem Rechtsverhältnis - den vertraglichen Beziehungen zwischen Leistendem und Leistungsempfänger - ergibt. Dabei sind Vereinbarungen nach ihrem objektiven Erklärungsgehalt zu beurteilen.

FG München, Urt. v. 24.11.2011 - 14 K 431/09
BFH, Urt. v. 21.06.2001 - V R 80/99, BStBl 2003 II 810
BFH, Urt. v. 19.10.2001 - V R 48/00, BStBl 2003 II 210
BFH, Urt. v. 24.08.2006 - V R 16/05
EuGH, Urt. v. 21.02.2006 - C-419/02

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 07.02.12