Patrizier-Design © fotolia.de

Patrizier-Design © fotolia.de

Beraterpraxis, Steuerberatung, Steuerfachangestellte -

Viele Steuervereinfachungen ab 2012

Nachdem der Vermittlungsausschuss am 21.09.2011 grünes Licht gegeben und auf die Abgabe einer Steuererklärung im Zweijahrestakt verzichtet hat und der Bundesrat sowie der Bundestag daraufhin am 23.09.2011 das Steuervereinfachungsgesetz 2011 beschlossen haben, können nunmehr wichtige Neuregelungen in Kraft treten, die im Wesentlichen ab dem Jahr 2012 gelten.

Insgesamt beinhaltet das Gesetzespaket 35 Steueränderungen, von denen nachfolgend zehn praxisrelevante aus dem Bereich der Einkommensteuer kurz vorgestellt werden sollen. Vor allem Familien mit vielköpfigem Nachwuchs können sich ab dem Jahreswechsel über Vereinfachungen freuen, sowohl bei den Kinderbetreuungskosten als auch bei dem Familienlastenausgleich über Kindergeld und steuerliche Vergünstigungen.

  1. Familienlastenausgleich: Für volljährige Kinder - in Ausbildung, Studium, Wartezeit auf einen Ausbildungsplatz, sozialem Jahr, Freiwilligendienst - entfällt für die eigenen Einkünfte und Bezüge die Grenze von jährlich 8.000 €. Damit erhalten Eltern für ihre Sprösslinge nicht nur häufiger Vergünstigungen, sondern müssen außerdem nicht mehr mühsam die Einnahmen und Ausgaben des Nachwuchses auflisten, um das Ergebnis der schädlichen Einkommensschwelle gegenüberzustellen. Im Gegenzug entfällt dafür die Förderung für weitergehende Ausbildungen, sofern das Kind einer zusätzlichen Erwerbstätigkeit von mehr als 20 Wochenstunden nachgeht.
  2. Anspruch auf Kinderförderung: Ab 2012 kommt es zu einigen Änderungen bei der Übertragung der steuerlichen Kinderfreibeträge. So kann der halbe Kinderfreibetrag des einen Elternteils auch dann auf den anderen übertragen werden, wenn dieser von seinen Unterhaltsverpflichtungen mangels finanzieller Leistungsfähigkeit freigestellt ist. Auswirkungen ergeben sich auch beim Übertrag auf Großeltern sowie bei dem Behinderten-Pauschbetrag für das Kind.
  3. Kindergarten: Für Kinder bis zum 14. Lebensjahr wird der Abzug von Kinderbetreuungskosten vereinfacht. Voraussetzung für einen Abzug dieses Aufwands zu zwei Dritteln und bis zu 4.000 € je Kind ist dann nicht mehr, dass Vater und Mutter berufstätig, in Ausbildung oder krank sind. Auch wenn ein Elternteil nicht erwerbstätig ist, lassen sich die Kosten als Sonderausgaben absetzen.
  4. Arbeitnehmer-Pauschbetrag: Der Arbeitnehmer-Pauschbetrag erhöht sich rückwirkend ab 2011 von 920 € auf 1.000 €. Den Aufschlag von 80 € berücksichtigt der Arbeitgeber bei der Lohnsteuerabrechnung zum Dezembergehalt, was eine Entlastung von maximal 40 € bringt. Arbeitnehmer, die höhere Werbungskosten ausweisen, profitieren per Saldo aber nicht, weil sich auch die angehobene Pauschale im späteren Steuerbescheid nicht auswirkt. Insoweit nutzt die Anhebung nur den Beschäftigten, die Werbungskosten unterhalb des Arbeitnehmer-Pauschbetrags aufweisen. Ab 2012 wird der Pauschbetrag dann auf die einzelnen Monate aufgeteilt.
  5. Pendlerpauschale: Nutzen Arbeitnehmer sowohl öffentliche Verkehrsmittel als auch den Pkw für die Pendelfahrt zur Arbeit können sie ab 2012 die Entfernungspauschale nicht mehr wie derzeit tageweise mit den tatsächlichen Kosten für die Fahrscheine vergleichen und das höhere Ergebnis geltend machen. Maßgebend wird dann die höhere Jahressumme sein.
  6. Vorsorgepauschale: Arbeitnehmer mit einem geringen Arbeitslohn - 10.200 € jährlich, 19.400 € bei verheirateten Arbeitnehmern - werden rückwirkend ab 2010 von der verpflichtenden Abgabe der Einkommensteuererklärung befreit, wenn der Arbeitgeber die Mindestvorsorgepauschale zu hoch angesetzt hat. Der Arbeitgeber muss alte Fälle aber nicht neu aufrollen, denn die rückwirkende Änderung bezieht sich nur auf das Verhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und seinem Finanzamt.
  7. Verbilligte Miete: Bei Wohnungsüberlassung unter Marktpreisen an Verwandte vereinfacht sich die Regelung bei den Mieteinkünften. Ab 2012 verlangt das Finanzamt zur Anerkennung von Verlusten - unabhängig von der Miethöhe - keine Überschussprognose über 30 Jahre mehr. Bis 66 % der ortsüblichen Miete zählen als Werbungskosten und damit als Verluste in voller Höhe und erst bei geringeren Zahlungen der Angehörigen kommt es zur prozentualen Aufteilung der Werbungskosten.
  8. Private Kapitalerträge: Mit der Abgeltungsteuer endgültig abgegoltene Kapitaleinkünfte werden ab 2012 nicht mehr bei der Ermittlung der zumutbaren Eigenbelastung für außergewöhnliche Belastungen, den Ansatz des Ausbildungsfreibetrags und den Höchstbetrag für Spenden benötigt. Insoweit müssen die Erträge nicht extra nur aus diesem Grund in der Steuererklärung deklariert werden.
  9. Krankheitskosten: Der Nachweis einer Krankheit und der medizinischen Indikation der Behandlung muss nicht mehr zwingend durch ein vor Beginn der Behandlung eingeholtes amts- oder vertrauensärztliches Gutachten oder Attest geführt werden. Für den Nachweis der Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall gibt es drei verschiedene Vorgaben:
    • Erforderlich ist in der Regel die Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers.
    • Für Kuren, Betreuung durch eine Begleitperson, medizinische Hilfsmittel als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens sowie wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden ist ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines medizinischen Dienstes der Krankenversicherung nötig.
    • Für Besuchsfahrten zu einem für längere Zeit im Krankenhaus liegenden Ehegatten oder Kind ist eine Bescheinigung des behandelnden Krankenhausarztes vorzulegen.
  10. Ehegattenbesteuerung: Ab 2013 wird es ein Wahlrecht zwischen Einzel- und Zusammenveranlagung geben. Ehegatten werden einzeln veranlagt, wenn einer der Partner die Einzelveranlagung wählt. Sie werden dagegen zusammen veranlagt, wenn beide Eheleute die Zusammenveranlagung wählen. Die Wahl wird für das betreffende Jahr durch die Angabe in der Steuererklärung getroffen und kann nach Bestandskraft nur noch unter besonderen Bedingungen geändert werden. Im Gegenzug ist künftig keine getrennte Veranlagung von Ehegatten mehr möglich. Sie können sich nur noch alternativ für die Einzelbesteuerung entscheiden. Dann erfolgt die Individualbesteuerung für Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen und haushaltsnahe Dienstleistungen. Diese Posten werden dem Ehegatten zugerechnet, der die Aufwendungen wirtschaftlich getragen hat. Das Paar kann aber auch gemeinsam jeweils eine hälftige Zuordnung beantragen.

Praxishinweis

Zu den Kinderbetreuungskosten gehören u.a. Kosten für die Betreuung des Kindes im Kindergarten, für eine Tagesmutter bzw. für einen Babysitter, die während der Berufstätigkeit der Eltern das Kind beaufsichtigen. Keine Kinderbetreuungskosten sind Zahlungen für den Sportverein, die Musikschule oder den Nachhilfeunterricht.

Da es ab dem Jahreswechsel auf die persönlichen Anspruchsvoraussetzungen bei Vätern und Müttern nicht mehr ankommt, profitieren insbesondere Eltern, bei denen nur einer berufstätig ist. Im Rahmen dieser Umstellung werden die Kinderbetreuungskosten ab 2012 einheitlich als Sonderausgaben abgezogen. Derzeit erfolgt dies im Rahmen der Ermittlung der Einkünfte durch den Abzug wie Werbungskosten oder Betriebsausgaben. Das hat zur Folge, dass der Gesamtbetrag der Einkünfte bei den Eltern ab 2012 höher als derzeit ausfallen wird, auch wenn sie nicht weniger Kosten absetzen. Denn Sonderausgaben werden erst nachfolgend vom Einkommen abgezogen. Auf die Steuerbelastung hat dies zwar keine Auswirkungen. Der Gesamtbetrag der Einkünfte dient jedoch in einigen Bereichen als Bemessungsgrundlage für die Höhe von Leistungen oder Gebühren, etwa die Kostenstaffel für den Kindergarten.

Zudem bleiben Sonderausgaben unberücksichtigt, wenn in einem Jahr keine Steuer anfällt. Verluste durch Werbungskosten oder Betriebsausgaben lassen sich hingegen in anderen Veranlagungszeiträumen verwenden.

Entwurf eines Steuervereinfachungsgesetzes 2011 v. 08.06.2011, BT-Drucks. 17/6105
Entwurf eines Steuervereinfachungsgesetzes 2011 v. 21.09.2011, BT-Drucks. 17/7025

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 05.10.11