Thomas Jansa © Fotolia.de

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Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs bei einer nachträglich berichtigten Rechnung

Der EuGH hatte im Juli 2010 zu einem Fall aus Ungarn entschieden, dass sich eine nachträglich vom Unternehmer berichtigte Rechnung nicht erst im Zeitpunkt der Vorlage, sondern rückwirkend auf den Vorsteuerabzug auswirken kann. Das hat die positive Konsequenz, dass insoweit keine Steuerverzinsung mehr erfolgt.

Die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder kamen jedoch hinsichtlich dieses Urteils zu dem Ergebnis, dass der Europäische Gerichtshof nicht entschieden habe, dass eine Rechnungsberichtigung generell auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungserteilung zurückwirkt. Die Finanzbehörden halten deswegen an der bestehenden Verwaltungsauffassung fest. Hiernach

  • müssen die Lieferung der Gegenstände oder die Dienstleistung bewirkt worden sein und 
  • der Steuerpflichtige muss die Rechnung oder das Dokument besitzen, das nach den von den Mitgliedstaaten festgelegten Kriterien als Rechnung betrachtet werden kann.

Die zweite Voraussetzung - nämlich der Besitz der Rechnung - schließt den Vorsteuerabzug zu einem früheren Zeitpunkt aus, da zu diesem (früheren) Zeitpunkt noch keine ordnungsgemäße Rechnung vorliegt. Insoweit wird der rückwirkende Vorsteuerabzug für das Jahr oder den Voranmeldungszeitraum abgelehnt, in dem die Lieferung oder die Leistung erbracht wurden. Eine Rechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis gehört zu den materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug. Die Vorsteuer kann der Unternehmer erst in dem Besteuerungszeitraum abziehen, in dem er eine ordnungsgemäße Rechnung besitzt.

Auch das FG Hamburg kommt jetzt in einem rechtskräftigen Beschluss zu der Auffassung, dass die Berichtigung einer Rechnung keine Rückwirkung entfaltet und dass der Vorsteuerabzug erst zu dem Zeitpunkt vorgenommen werden kann, in dem eine ordnungsgemäße Rechnung vorliegt. Im Hinblick auf das Urteil des EuGH könne nichts anderes gelten; eine Änderung der bestehenden Beurteilung hält das FG nicht für notwendig. Denn die Richter aus Luxemburg haben sich nach Ansicht des Gerichts hinsichtlich des Urteilsfalls lediglich mit den Fragen befasst,

  • ob der Vorsteuerabzug nach nationalem Recht ausgeschlossen werden darf, wenn die Rechnung ursprünglich eine falsche Angabe enthielt,
  • dass die EU-Mitgliedstaaten die Ausübung des Vorsteuerabzugsrechts nach nationalem Recht nicht nach eigener Willkür von der Erfüllung von Inhaltsvoraussetzungen abhängig machen dürfen, die in der Mehrwertsteuerrichtlinie nicht ausdrücklich vorgesehen sind, und 
  • dass der Vorsteuerabzug nicht (mehr) versagt werden darf, wenn der Unternehmer der zuständigen Behörde eine den Anforderungen der Mehrwertsteuerrichtlinie entsprechende berichtigte Rechnung zuleitet.

Auch wenn die Ausführungen des EuGH zu dem Fall aus Ungarn eine rückwirkende Anerkennung des Vorsteuerabzugs zur Folge hatten, ist dies aber nicht so zu verstehen, dass der Vorsteuerabzug nunmehr grundsätzlich rückwirkend zulässig wäre. Vielmehr darf generell ein Vorsteuerabzug nicht an einem offensichtlichen Fehler, der mit den erforderlichen Rechnungsangaben nur am Rande etwas zu tun hatte, scheitern.

Praxishinweis

Dem BFH liegt zu diesem für Unternehmer sehr praxisrelevanten Streitthema eine Revision vor (Aktenzeichen XI R 41/10), so dass Umsatzsteuerbescheide über einen ruhenden Einspruch offengehalten werden können. Das EuGH-Urteil wird in der Literatur teilweise dahingehend verstanden, dass einer Rechnungsberichtigung entgegen der bisherigen Praxis doch Rückwirkung zukommt.

Bis zu einer endgültigen Entscheidung ist es bei dieser sehr umstrittenen Rechtslage ratsam, dass Unternehmer für ihren Vorsteuerabzug aus empfangenen Leistungen auch weiterhin sorgfältig auf eine fehlerfreie Rechnung achten, die die umsatzsteuerlichen Voraussetzungen in vollem Umfang erfüllt.

FG Hamburg, Beschl. v. 06.12.2011 - 2 V 149/11
EuGH, Urt. v. 15.07.2010 - C-368/09
FG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22.02.2011 - 5 V 5004/11
FG Niedersachsen, Urt. v. 25.10.2010 - 5 K 425/08; Revision unter XI R 41/10
FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 23.09.2010 - 6 K 2089/10
BMF-Schreiben v. 16.03.2011 - IV D 2 - S-7500/0 :003

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 06.03.12