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Zuflusszeitpunkt eines Zeitwertguthabens beim Geschäftsführer

Bei Lebensarbeitszeit- bzw. Arbeitszeitkonten vereinbaren Arbeitgeber und Mitarbeiter, dass dem Arbeitnehmer künftig fälliger Arbeitslohn zunächst nicht sofort ausbezahlt wird. Vielmehr erfasst der Arbeitgeber das Gehalt nur betragsmäßig, um den Arbeitnehmer im Zusammenhang mit einer vollen oder teilweisen Freistellung von der Arbeitsleistung (etwa bei vorgezogenem Ruhestand oder einer planmäßigen Auszeit vom Job) während des noch bestehenden Dienstverhältnisses auszuzahlen. In der Zeit der Arbeitsfreistellung wird dann das angesammelte Guthaben um den Vergütungsanspruch vermindert, der dem Arbeitnehmer in der Freistellungsphase gewährt wird.

In diesem Zusammenhang gilt nach Auffassung der Finanzverwaltung bei allen Organen von Körperschaften wie GmbH oder AG der allgemeine Grundsatz, dass die Lohnsteuer in dem Zeitpunkt entsteht, in dem einem Arbeitnehmer der Arbeitslohn zufließt. Insoweit kann durch eine Gutschrift von künftig fällig werdendem Arbeitslohn auf einem Zeitwertkonto keine Verschiebung des Besteuerungszeitpunkts in die Zukunft erreicht werden. Das gilt nicht nur bei einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer oder Vorstand, sondern bei allen Arbeitnehmern, die Organ einer Körperschaft sind.

Dieser Auffassung hat das FG Düsseldorf aktuell widersprochen. Nach Ansicht des Gerichts sind Einzahlungen auf dem Zeitwertkonto eines Gesellschafter-Geschäftsführers noch nicht als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu erfassen: Die Zeitgutschriften haben noch keinen Zufluss i.S.d. EStG bewirkt, weil der Geschäftsführer nicht über die entsprechenden Beträge verfügen kann, wenn die Vereinbarung ausdrücklich vorsieht, dass die Beträge nicht ausgezahlt, sondern in ein Zeitwertkonto eingestellt werden sollen und die Barauszahlung auf Ausnahmefälle wie das Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Unternehmen beschränkt ist.

Soweit die Finanzverwaltung der Meinung ist, Vereinbarungen über die Einrichtung von Zeitwertkonten seien mit dem Aufgabenbild des Geschäftsführers einer GmbH nicht zu vereinbaren, hat diese Wertung keinen steuerrechtlichen Bezug, betonte das FG.

Praxishinweis

Das FG Hessen teilte diese Auffassung. Auch hiernach sind Einzahlungen auf dem Zeitwertkonto eines Gesellschafter-Geschäftsführers nicht als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu erfassen. Für den Geschäftsführer als Arbeitnehmer mit nichtselbständigen Einkünften ist entscheidend, wann ihm das Gehalt tatsächlich zugeflossen ist. Dies ist nicht bereits bei der Zeitgutschrift der Fall, wenn die einzelnen Beträge weder bar ausgezahlt noch einem Bankkonto oder einem von der GmbH geführten Konto gutgeschrieben werden. Auch die Bilanzierung der Verbindlichkeiten durch die GmbH führt nicht zu einem Zufluss, wenn der Geschäftsführer weder auf das Zeitwertkonto frei zugreifen kann noch das wirtschaftliche Risiko eines Verlusts auf dem Zeitwertkonto trägt.

Gegen das Urteil des FG Hessen wurde von Seiten der Verwaltung unter dem Aktenzeichen VI R 25/12 Revision beim BFH eingelegt und in vergleichbaren Fällen können entsprechende Einspruchsverfahren ruhen. Der BFH wird vermutlich im Sinne der FG entscheiden, denn für das Steuerrecht kommt es bei den Überschusseinkünften auf den Zufluss an, der für den Bereich der Lohnsteuer gesondert als Merkmal im EStG aufgeführt ist. Maßgebend ist die Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über die Lohnbeträge und dies erfolgt in der Regel nicht durch die Gutschrift auf Zeitwertkonten - weder durch den Abschluss der Vereinbarung über das Konto selbst noch durch die Verbuchung von Beträgen.

Nach ständiger BFH-Rechtsprechung gelten nur in einigen Sonderfällen bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern Ausnahmen durch eine Zuflussfiktion, wenn eindeutig erkennbar ist, dass der beherrschende Gesellschafter es selbst in der Hand hat, sich geschuldete Beträge dann auszahlen zu lassen, wenn er den Anspruch haben möchte. Fingiert wird dieser vorweggenommene Zufluss für die steuerliche Erfassung aber nur dann, wenn eine derartige Situation gegeben ist. Die pauschale Annahme, dass Organe von Körperschaften prinzipiell jederzeit die Möglichkeit der Auszahlung eines Zeitwertkontos haben und dass daher die Lohnsteuer sofort bei Zeitgutschrift fällig wird, ist nicht ausreichend.

FG Düsseldorf, Urt. v. 21.03.2012 - 4 K 2834/11 AO
FG Hessen, Urt. v. 19.01.2012 - 1 K 250/11, Revision beim BFH unter VI R 25/12
BMF-Schreiben v. 17.06.2009 - IV C 5 - S-2332/07/0004, BStBl 2009 I 1286
BFH, Urt. v. 03.02.2011 - VI R 4/10
BFH, Urt. v. 30.04.2009 - VI R 54/07, BStBl 2010 II 996
BFH, Urt. v. 12.04.2007 - VI R 89/04, BStBl 2007 II 719

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 22.05.12