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Arbeitgeber-Sparförderung: Vorsicht bei Kindergeld und Steuervorteilen

Im Rahmen der Prüfung, ob ein volljähriges Kind im Jahr mehr als 8.004 € an Einkünften und Bezügen erhält, sind dessen vermögenswirksame Leistungen und Belegschaftsaktien nach Ansicht des BFH einzubeziehen.

Kommt es dadurch zum Überschreiten der Schwelle - wenn auch nur um einen Euro -, entfallen für die Eltern bis Ende 2011 viele Vergünstigungen, wie z.B.:

  • Kindergeld,
  • Kinder- und Betreuungsfreibetrag,
  • Abzug der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung der Kinder,
  • Riester-Kinder-Zulage auf Sparverträge von Vater oder Mutter,
  • Berechnung der zumutbaren Eigenbelastung für den Abzug von außergewöhnlichen Belastungen,
  • Eigenheimzulage in Altfällen,
  • Höhe von Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer,
  • Abzug von Schulgeld als Sonderausgabe,
  • Ansatz des Pauschbetrags für ein behindertes Kind bei den Eltern.

Der BFH räumt zwar ein, dass das BVerfG entschieden hatte, dass gesetzliche Sozialversicherungsbeiträge sowie Prämien für eine private Kranken- und Pflegeversicherung nicht einzubeziehen sind, weil diese Gelder weder dem Nachwuchs noch dessen Eltern zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung zur Verfügung stehen. Sie können deshalb Vater und Mutter finanziell nicht entlasten. Vermögenswirksame Leistungen hingegen sind Geldleistungen, die der Arbeitgeber für das angestellte Kind, etwa in einer Berufsausbildung, anlegt. Sie sind Bestandteil des Lohns oder Gehalts. Sie gehören selbst dann steuerrechtlich zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, wenn sie vom Arbeitgeber zusätzlich zum ansonsten geschuldeten Lohn gezahlt werden und wenn das Investment einer gesetzlichen Sperrfrist unterliegt.

Denn im Sinne des BVerfG ist es nicht ausgeschlossen, dass diese Arbeitgeberbeiträge für Unterhalt und Ausbildung des Kindes verwendet werden können und deshalb die Eltern finanziell entlasten. Zwar sind die vom Arbeitgeber erbrachten vermögenswirksamen Leistungen insofern eingefroren, als der Arbeitnehmer verpflichtet ist, bis zum Ablauf der Sperrfrist nicht über die Anlage zu verfügen. Diese Verpflichtung entfällt aber unter besonderen Voraussetzungen, etwa bei

  • einer Eheschließung,
  • einer mehr als ein Jahr andauernden Arbeitslosigkeit oder 
  • einer Verwendung des Erlöses für die eigene Weiterbildung.

Zudem schließt auch die Sperrfrist Vertragskündigung und damit die Verfügung über das angesparte Guthaben nicht generell aus; durch eine vorzeitige Kündigung entfällt lediglich der Anspruch auf Gewährung der Arbeitnehmersparzulage. Daher ist es möglich, den Sparvertrag zu kündigen und die vermögenswirksamen Leistungen einschließlich der Arbeitgeberbeiträge für den Unterhalt und die Berufsausbildung des Einkünfte erzielenden Kindes zu verwenden.

Für die Entscheidung, ob Einkünfte dem Kind nicht zur Verfügung stehen (wie es beispielsweise bei den Sozialversicherungsbeiträgen der Fall ist), ist maßgeblich, ob sich das Kind der Zahlung aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung entziehen kann oder nicht. Irrelevant ist hingegen, ob die Beträge vom Arbeitgeber einzubehalten sind. Eine gesetzliche Verpflichtung zur vermögenswirksamen Anlage besteht nicht. Sie sind zwar unvermeidbar, wenn die Zahlungen - wie im Urteilsfall - vom Arbeitgeber als Bestandteil der arbeitsrechtlichen Vergütung geschuldet werden. Würden die Arbeitgeberbeiträge jedoch wegen der Sperrfrist nicht in die Bemessungsgröße für den Jahresgrenzbetrag einbezogen, würde eine mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbarende Ungleichbehandlung mit den Fällen entstehen, in denen Kinder keinen Arbeitgeberbeitrag, dafür aber eine entsprechend höhere Ausbildungsvergütung erhalten und aufgrund eines Anlagevertrags mit einer vereinbarten Sperrfrist monatlich denselben Betrag selber sparen. Denn bei diesen Kindern könnte der Sparbeitrag im Rahmen der Prüfung, ob die Einkünfte und Bezüge den Jahresgrenzbetrag überschreiten, ebenfalls nicht abgezogen werden.

Der geldwerte Vorteil beim Erwerb der Belegschaftsaktien ist bei der Ermittlung der Einkünfte ebenfalls als Einnahme zu erfassen. Er ist ungeachtet der Sperrfrist auch mit Erlangung der Aktien zugeflossen. Eine Kürzung der Einkünfte aufgrund der BVerfG-Entscheidung ist trotz der befristeten Veräußerungssperre auch insoweit ausgeschlossen, da der Sprössling nicht gesetzlich zum Erwerb der rabattierten Belegschaftsaktien verpflichtet ist. Vielmehr hat er sich freiwillig dazu entschieden, um sein Vermögen zu erhöhen. Hierin liegt ein Vorteil, der ebenso berücksichtigt werden muss wie z.B. ein vom Arbeitgeber eingeräumter Personalrabatt auf ein neues Automobil.

Praxishinweis

Die bisherige Einkommensgrenze von 8.004 € für volljährige Kinder ist beim Familienleistungsausgleich ab dem Kalenderjahr 2012 durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 entfallen. Nach der neuen gesetzlichen Regelung wird ein Kind zwischen 18 und 25 Jahren nunmehr unabhängig von der Höhe seiner eigenen Einkünfte und Bezüge berücksichtigt.

Diese Erleichterung gilt nach dem Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums allerdings nur dann weiter, wenn Tochter oder Sohn anschließend keiner steuerschädlichen Erwerbstätigkeit nachgehen. Dabei sind unschädlich:

  • die Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit,
  • ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis (400-Euro-Minijob),
  • ein Ausbildungsdienstverhältnis (z.B. Praktikum oder Volontariat),
  • ein kurzfristiges Beschäftigungsverhältnis (längstens zwei Monate bei Beschäftigung an mindestens 5 Tagen/Woche oder 50 Arbeitstage bei unter 5 Tagen/Woche) oder 
  • eine eigene Vermögensverwaltung.

Hinweis: Die schädliche Erwerbstätigkeit kann erst nach Abschluss der erstmaligen Berufsausbildung/des Erststudiums vorliegen. Bis dahin kann das Kind also auch 40 Stunden die Woche arbeiten, ohne dass die steuerliche Anerkennung als Kind gefährdet ist.

BFH, Urt. v. 22.09.2011 - III R 73/08
BVerfG, Beschl. v. 11.01.2005 - 2 BvR 167/02
BFH, Urt. v. 26.09.2007 - III R 4/07, BStBl 2008 II 738
BFH, Urt. v. 17.06.2010 - III R 59/09, BStBl 2011 II 121
BFH, Urt. v. 30.09.2008 - VI R 67/05, BStBl 2009 II 282
Steuervereinfachungsgesetz 2011 v. 01.11.2011, BGBl 2011 I 2131

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 17.01.12