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Auskunftsgebühr ist verfassungsgemäß

Die gesetzliche Gebührenpflicht für die Bearbeitung von Anträgen auf verbindliche Auskünfte durch die Finanzämter verstößt nicht gegen das Grundgesetz. Richtet sich die Höhe der Gebühr nach der vom Finanzamt für die Bearbeitung des Antrags aufgewendeten Zeit, kann sie im Einzelfall auch besonders hoch ausfallen, ohne verfassungswidrig zu sein. Dies hat der BFH in zwei aktuellen Entscheidungen klargestellt und damit das Gegenargument, die Finanzbeamten müssten aufgrund des komplizierten Steuerrechts die Vorabinformationen kostenlos geben, verworfen.

Das Verfahren zur Erteilung verbindlicher Auskünfte über die steuerliche Beurteilung noch nicht verwirklichter Sachverhalte wurde im Dezember 2006 durch das Jahressteuergesetz 2007 in der Abgabenordnung erstmals gesetzlich geregelt. Für die Bearbeitung entsprechender Auskunftsanträge werden seitdem Gebühren erhoben, die sich nach dem Wert berechnen, den die verbindliche Auskunft für den Antragsteller hat:

  • Die Gebührenhöhe richtet sich in erster Linie nach dem Gegenstandswert. Dieser stellt auf die steuerliche Auswirkung des zu klärenden Sachverhalts ab und berechnet sich aus der Differenz der Rechtsauffassung des Antragstellers und der gegenteiligen Auffassung des Finanzamts. Der Gegenstandswert beträgt mindestens 5.000 € und maximal 30 Mio. € Hieraus resultieren dann die Gebühren zwischen 121 € und 91.456 €.
  • Alternativ erfolgt die Berechnung der Gebühr nach dem zeitlichen Aufwand, den die Finanzbeamten für die Ermittlung des Sachverhalts, die Klärung von Rechtsfragen sowie die Prüfung des Antrags benötigen. Hierfür werden pro angefangene halbe Stunde 50 € und insgesamt mindestens 100 € erhoben.

Die neu geschaffene Auskunftsgebühr war von vornherein beträchtlichen rechtspolitischen, aber auch verfassungsrechtlichen Zweifeln ausgesetzt: Das Steuerrecht sei derart kompliziert, dass die Finanzverwaltung gehalten sei, gebührenfrei über einschlägige Anfragen der Steuerpflichtigen Auskunft zu erteilen. Der BFH hält diese verfassungsrechtlichen Bedenken im Ergebnis nicht für durchschlagend, da mit den Auskünften bereits im Vorfeld von Steuergestaltungen besondere Vorteile für die Steuerpflichtigen verbunden sind. Die Finanzverwaltung ist nicht verpflichtet, solche Vorteile ohne Gegenleistung zur Verfügung zu stellen. Die vom BFH entschiedenen Fälle betrafen Auskünfte über die steuerlichen Auswirkungen geplanter Umstrukturierungen: ein in der Praxis häufig vorkommender Sachverhalt, zu dem sich Unternehmen oftmals vorab grünes Licht vom Fiskus holen wollen.

Der BFH hat außerdem klargestellt, dass

  • die Kompliziertheit des Steuerrechts ihre Ursache nicht ausschließlich in der unbestritten oft unsystematischen und nicht hinreichend durchdachten Vorgehensweise bei der Gesetzgebung hat.
  • die Umständlichkeit und mangelnde Durchschaubarkeit des Steuerrechts auch zu einem erheblichen Teil auf der Komplexität und Vielgestaltigkeit des modernen Rechts- und Wirtschaftslebens beruht, das einer Erfassung in schlichten, für jedermann durchschaubaren Steuertatbeständen nicht zugänglich ist.
  • angesichts der Komplexität der Lebenswirklichkeit auch ein idealer Gesetzgeber nicht in der Lage wäre, z.B. im Bereich der Umstrukturierung von Unternehmen, ein Steuergesetz so zu formulieren, dass die Steuerschuld zweifelsfrei daraus abzulesen wäre. Insoweit liegt auch kein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip des beruhenden Bestimmtheitsgebots vor, wonach der Gesetzgeber Vorschriften so genau zu fassen hat, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist.
  • die Unübersichtlichkeit der steuerlichen Normen ihre Ursache zum Teil auch in der Kreativität der Steuerpflichtigen und deren Berater hat, die stets bestrebt sind, etwa vorhandene Gesetzeslücken aufzuspüren und auszunutzen und dadurch den Gesetzgeber zu weiteren gesetzlichen Ergänzungen veranlassen.
  • schließlich auch die Rechtsprechung dazu beiträgt, das Steuerrecht für den Anwender unübersichtlicher zu machen.

Dem BFH erscheint es deshalb nicht angebracht, die Verantwortung für den Steuerdschungel ausschließlich dem Gesetzgeber zuzuweisen.

Praxishinweis

Mit dem Steuervereinfachungsgesetz 2011 soll eine Neuregelung die Gebührenpflicht für die verbindliche Auskunft auf wesentliche und aufwändige Fälle beschränken:

  • Die neue Vorschrift enthält eine Bagatellgrenze in Höhe von 10.000 €. Ist der Gegenstandswert geringer, fallen keine Gebühren für die Bearbeitung des Auskunftsantrags an.
  • Wird die Gebühr nach dem Zeitwert bemessen, entfällt sie künftig, wenn die Bearbeitungszeit weniger als zwei Stunden beträgt.

Die Änderung der Gebührenregelung erfolgt mit Wirkung für die Zukunft. Wer vor der Gesetzesverkündung eine verbindliche Auskunft beantragt hat, hat dies in Kenntnis der zu diesem Zeitpunkt geltenden Gebührenpflicht getan.

BFH, Urt. v. 30.03.2011 - I R 61/10
BFH, Beschl. v. 30.03.2011 - I B 136/10
BFH, Urt. v. 18.03.2009 - I R 37/08
BVerfG, Urt. v. 19.03.2003 - 2 BvL 9/98
BVerfG, Urt. v. 19.03.2003 - 2 BvL 10/98
BVerfG, Urt. v. 19.03.2003 - 2 BvL 11/98
BVerfG, Urt. v. 19.03.2003 - 2 BvL 12/98

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 10.05.11