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Besteuerung innergemeinschaftlicher Erwerbe

Innergemeinschaftliche Erwerbe sind grundsätzlich in dem Mitgliedstaat umsatzsteuerbar, in dem die Beförderung bzw. Versendung des Liefergegenstands endet. Sofern Erwerbe hierdurch im Inland der Umsatzsteuer unterliegen, können sie unter bestimmten Voraussetzungen davon befreit sein. Kommt die Befreiung nicht zur Anwendung, so steht dem Unternehmer immerhin ein Vorsteuerabzug zu. Das Bayerische Landesamt für Steuern weist jetzt auf eine Besonderheit der Doppelbesteuerung hin, die Unternehmer beachten sollten - etwa bei der anstehenden Erstellung der Jahreserklärung für 2011, die erstmals verpflichtend elektronisch einzureichen ist.

Wenn der Unternehmer gegenüber seinem Lieferanten nämlich eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) verwendet, die ihm aus einem anderen Staat erteilt wurde als aus dem Staat, in dem die Beförderung/Versendung endet, kommt es durch den sog. fiktiven innergemeinschaftlichen Erwerb zu einer zweifachen Besteuerung. Das liegt daran, dass der Staat, dessen USt-IdNr. verwendet wurde, so lange ein Besteuerungsrecht hat, bis die Besteuerung im Land der Beendigung von Beförderung/Versendung nachgewiesen wurde.

Für bis Ende 2011 ausgeführte Erwerbe war noch ausreichend, dass die Besteuerung lediglich glaubhaft gemacht wurde. Nach einem EuGH-Urteil vom April 2010 folgt, dass dann für die Erwerbsteuer als Vorsteuer kein Abzug möglich ist. Der Unternehmer soll von der Erwerbsteuer nach Ansicht des EuGH so lange tatsächlich wirtschaftlich belastet werden, bis er eine Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs im Mitgliedstaat der Beendigung von Beförderung/Versendung nachgewiesen hat. Eine Entlastung kann demnach weder durch einen korrespondierenden Vorsteuerabzug noch durch eine Steuerbefreiung erfolgen. Denn ansonsten ist die Anwendung der Grundregel (Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs im Mitgliedstaat des Beförderungs- bzw. Versendungsendes) gefährdet. Als Folge daraus ergibt sich die zwingende Steuerpflicht ohne Vorsteuerabzug bis zum Versteuerungsnachweis aus einem anderen Mitgliedstaat.

Das hat für Umsätze bis zum 31.12.2011 folgende Konsequenzen:

  • Die Steuerbefreiung für im Inland steuerbare innergemeinschaftliche Erwerbe ist nicht anwendbar.
  • Solche Erwerbe sind in Deutschland ohne korrespondierenden Vorsteuerabzug so lange steuerbar und steuerpflichtig, bis eine Besteuerung der innergemeinschaftlichen Erwerbe im Mitgliedstaat der Beendigung der Beförderung/Versendung nachgewiesen wird.

Praxishinweis

Die Übergangsregelung für Umsätze, die bis zum 31.12.2011 ausgeführt wurden, erfolgte auf dem Erlassweg durch das BMF. Innerhalb der Übergangsfrist war es grundsätzlich ausreichend, wenn der Unternehmer die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs im Mitgliedstaat der Beendigung der Versendung oder der Beförderung lediglich glaubhaft gemacht hat.

Die Vorschrift wurde geändert durch das Gesetz zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften und war ab dem 01.07.2010 anzuwenden. Hiernach muss der Erwerber nachweisen, dass der Erwerb durch den anderen Mitgliedstaat besteuert worden ist oder als besteuert gilt, sofern der erste Abnehmer seiner Erklärungspflicht nachgekommen ist.
Seitdem ist auch bei Unternehmern, die

  • unter die Kleinunternehmer-Regelung fallen,
  • ausschließlich Durchschnittsätze der Land- und Forstwirtschaft anwenden oder 
  • nur Umsätze ausführen, die zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führen,

auf Antrag eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer vom BZSt zu erteilen, wenn sie diese für die Ausführung bzw. den Erwerb steuerpflichtiger sonstiger Leistungen benötigen, für die der in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Leistungsempfänger die Steuer dort schuldet. Die Gründe für die bisher vorgenommene Einschränkung des Personenkreises waren damit hinfällig geworden; nunmehr ist allen Unternehmern auf Antrag eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer zu erteilen.

BayLfSt, Verf. v. 02.04.2012 - S-7196.1.1 - 3/2 St 33
BMF-Schreiben v. 07.07.2011 - S-7300-b/09/10001, BStBl 2011 I 739
EuGH, Urt. v. 22.04.2010 - C-536/08
EuGH, Urt. v. 22.04.2010 - C-539/08
Gesetz zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften v. 08.04.2010, BGBl 2010 I 386

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 17.04.12