Gina Sanders © fotolia.de

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BFH ändert Rechtsprechung zur Lohnsteuerpflicht von Betriebsveranstaltungen

Der BFH hat seine Rechtsprechung zur lohnsteuerlichen Beurteilung von Betriebsveranstaltungen geändert. Demnach sind für die Frage des Einhaltens der geltenden Freigrenze von 110 € pro Arbeitnehmer nicht mehr die Aufwendungen für Familienangehörige bzw. Begleitpersonen relevant. Auch Ausgaben, die allein den äußeren Rahmen der Veranstaltung betreffen, dürfen nicht mehr in die Berechnung einbezogen werden. Arbeitnehmer müssen daher seltener für die Teilnahme an betrieblichen Anlässen wie Jubiläen oder Weihnachtsfeiern Lohnsteuer entrichten.

Wenn der Chef bei Betriebsveranstaltungen (Firmenjubiläen, Weihnachtsfeiern etc.) größere Aufwendungen macht, führt das für den Arbeitnehmer zu steuerpflichtigem Einkommen. Zumindest dann, wenn mehr als 110 € pro Arbeitnehmer ausgegeben und damit die vorgegebene Freigrenze überschritten wird. Noch mit Urteil vom 12.12.2012 hatte der BFH trotz der regelmäßigen Preissteigerung die Angemessenheit dieses Höchstbetrags für das Jahr 2007 festgestellt.

Jetzt hat der BFH bei diesem Thema zugunsten der Belegschaft entschieden und seine Rechtsprechung zur lohnsteuerlichen Beurteilung von Betriebsveranstaltungen geändert.

Für die Berechnung des Überschreitens der Freigrenze wird demnach nicht mehr generell auf alle eingeladenen Teilnehmer der Veranstaltung abgestellt. So werden die Kosten für Familienangehörige (z.B. Ehepartner) dem Arbeitnehmer nicht weiter zugerechnet. Auch Kosten für den äußeren Rahmen der Veranstaltung (z.B. für die Saalmiete) sollen nicht mehr mitgerechnet werden.

Grundsatz

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind Zuwendungen eines Arbeitgebers anlässlich einer Betriebsveranstaltung erst bei Überschreiten einer Freigrenze von 110 € pro Arbeitnehmer als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu qualifizieren. Der Wert der den Arbeitnehmern zugewendeten Leistungen wird anhand der Kosten geschätzt, die der Arbeitgeber seinerseits dafür aufgewendet hat. Diese Kosten sind zu gleichen Teilen sämtlichen Teilnehmern zuzurechnen. So entschied der BFH bereits vor einem knappen Jahr.

Maßgebender Aufwand für die Veranstaltung

Eine weitere Voraussetzung für die Annahme von steuerpflichtigem Arbeitslohn ist in diesen Fällen, dass die Teilnehmer durch die Leistungen objektiv bereichert sind.
In dieser Hinsicht hat der BFH nun seine bisherige Rechtsprechung abgewandelt: Zu einer objektiven Bereicherung führen nur solche Leistungen, die von den teilnehmenden Arbeitnehmern unmittelbar konsumiert werden können, also insbesondere

  • Speisen,
  • Getränke und
  • Musikdarbietungen.

Aufwendungen des Arbeitgebers für die Ausgestaltung der Betriebsveranstaltung bereichern die Teilnehmer hingegen nicht. Sie bleiben deshalb bei der Ermittlung der maßgeblichen Kosten unberücksichtigt.
Beispiele hierfür sind:

  • die Miete für den Veranstaltungsort,
  • die Kosten für einen beauftragten Eventveranstalter,
  • der sonstige Aufwand für den äußeren Rahmen der Veranstaltung,
  • die Gestaltung des Festsaals,
  • übernommene Reisekosten anlässlich der Feier (z.B. der Bustransfer).

Berücksichtigung der Begleitpersonen

Der BFH hat in einem weiteren Urteil entschieden, dass die Kosten der Veranstaltung nicht nur auf die Arbeitnehmer, sondern auf alle Teilnehmer (z.B. Familienangehörige) zu verteilen sind. Der auf Begleitpersonen entfallende Anteil der Kosten wird demnach den Arbeitnehmern bei der Berechnung der Freigrenze nicht als eigener Vorteil zugerechnet.

Beispiel: Neben Arbeitnehmern dürfen auch Familienangehörige und andere Begleitpersonen der Angestellten an einer Betriebsveranstaltung teilnehmen. Die relevanten Kosten der Veranstaltung belaufen sich auf rund 70 € pro Teilnehmer. Bislang wurden die auf einen Familienangehörigen entfallenden Kosten dem Arbeitnehmer zugerechnet, und es ergab sich in einzelnen Fällen eine Überschreitung der Freigrenze (zwei Personen = 140 €). Nunmehr muss sich der Arbeitnehmer nur noch (die eigenen) 70 € zurechnen lassen.

Hintergrund der gewandelten BFH-Rechtsprechung ist, dass bei Betriebsveranstaltungen, die sich auf eine Beköstigung in angemessenem Umfang, Musikdarbietungen oder ein Animationsprogramm für Kinder beschränken, mit der Einladung von Familienangehörigen nicht die Entlohnung für geleistete Dienste, sondern die Förderung des Betriebsklimas im Vordergrund steht.

Denn die Teilnahme von Familienangehörigen ist in besonderem Maße geeignet, das Betriebsklima und die Motivation der Arbeitnehmer zu fördern. Solche Feiern können überdies das Verständnis der Familienangehörigen für betriebliche Arbeitseinsätze fördern und die Bereitschaft der Arbeitnehmer erhöhen, an der Betriebsveranstaltung überhaupt teilzunehmen.

Dabei tritt der wirtschaftliche Vorteil, der dem Arbeitnehmer und seiner Familie zugewendet wird, deutlich zurück: Die Bewirtung, eine musikalische Umrahmung oder ein Unterhaltungsprogramm für die Kinder sind gesellschaftlich üblich und werden daher weder vom Arbeitgeber noch vom Arbeitnehmer als besondere Entlohnung für geleistete Dienste angesehen.

Anders liegen die Dinge, wenn über die Familienangehörigen dem Arbeitnehmer ein wirtschaftlicher Vorteil zugewendet werden soll: Dies kommt insbesondere bei Veranstaltungen in Betracht, die einen eigenständigen Marktwert haben und die vom Arbeitgeber nicht selbst durchgeführt werden könnten. Beispiele:

  • Die Belegschaft besucht zusammen mit Familienangehörigen gemeinsam ein Musical.
  • Anlässlich von Betriebsfeiern werden Konzerte berühmter Künstler veranstaltet.

Praxishinweis

  1. Der Arbeitgeber kann die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von 25 % erheben, wenn er Arbeitslohn aus Anlass von Betriebsveranstaltungen zahlt.
  2. Zum Arbeitslohn und damit zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören u.a. auch Bezüge und Vorteile, die für Beschäftigte im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden.
  3. Ein dem Arbeitnehmer zugewendeter Vorteil muss Entlohnungscharakter für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft haben, um als Arbeitslohn angesehen zu werden. Es ist allerdings nicht erforderlich, dass der Einnahme eine konkrete Dienstleistung des Arbeitnehmers zugeordnet werden kann.
  4. Kein Arbeitslohn liegt nach ständiger Rechtsprechung des BFH vor, wenn die Arbeitnehmer durch Sachzuwendungen des Arbeitgebers bereichert werden, der Arbeitgeber jedoch mit seinen Leistungen ganz überwiegend ein eigenbetriebliches Interesse verfolgt.
  5. Betriebsveranstaltungen sind Veranstaltungen auf betrieblicher Ebene mit gesellschaftlichem Charakter, bei denen die Teilnahme grundsätzlich allen Betriebsangehörigen offensteht. Das eigenbetriebliche Interesse des Arbeitgebers an der Durchführung solcher Veranstaltungen ist in der Förderung des Kontakts der Arbeitnehmer untereinander und in der Verbesserung des Betriebsklimas zu sehen. Dabei ist die Teilnahme von Familienangehörigen und Gästen unschädlich.
  6. Insbesondere zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsanwendung hat der BFH typisierend festgelegt, ab wann den teilnehmenden Arbeitnehmern geldwerte Vorteile von solchem Gewicht zugewendet werden, dass von einem ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers nicht mehr ausgegangen werden kann. Dann sind bei Überschreiten einer Freigrenze von 110 € die Zuwendungen des Arbeitgebers in vollem Umfang als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu qualifizieren.

BFH, Urt. v. 16.05.2013 - VI R 94/10
BFH, Urt. v. 16.05.2013 - VI R 7/11
BFH, Urt. v. 12.12.2012 - VI R 79/10
FG Düsseldorf, Urt. v. 17.01.2011 - 11 K 908/10 L
FG Düsseldorf, Urt. v. 07.10.2010 - 16 K 1298/09

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 15.10.13