Franz Pfluegl © fotolia.de

Franz Pfluegl © fotolia.de

Beraterpraxis, Steuerberatung, Steuerfachangestellte -

Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung: Nachträgliche Schuldzinsen sind abzugsfähig

Schuldzinsen für ein Darlehen, das ursprünglich zur Kauffinanzierung einer Mietimmobilie aufgenommen wurde, können grundsätzlich auch dann noch als nachträgliche Werbungskosten bei den Mieteinkünften abgezogen werden, wenn das Gebäude veräußert wird, der erzielte Erlös aber nicht zur vollständigen Tilgung des Kredits ausreicht. Das hat der BFH in einem in der vorigen Woche veröffentlichten Urteil entschieden und damit vielen Wohnungsvermietern und Hausbesitzern ein verbessertes Steuersparpotential ermöglicht.

Generell bietet der Immobilienbereich als eine der letzten konservativen Geldanlagen eine Investition in Sachwerte, mit denen man heutzutage noch legal Steuern sparen kann. Das resultiert insbesondere aus dem sehr umfassenden Werbungskostenabzugspotential, das der BFH nun noch ausgeweitet hat.
Die Finanzverwaltung und auch das FG Baden-Württemberg als Vorinstanz hatten es bislang strikt abgelehnt, dass die neue - günstige - Rechtsprechung des BFH zu verbleibenden Krediten beim Verkauf von GmbH-Anteilen auch für den Bereich der privaten Mieteinkünfte angewendet werden kann. Sie differierten hier zwischen der betrieblichen Sphäre und den Überschusseinkünften. Dieser Sichtweise ist der BFH jetzt entgegengetreten. Das Gericht begründet seinen Meinungsumschwung insbesondere mit der in 1999 von zwei auf zehn Jahre verlängerten Spekulationsfrist für Grundbesitz (Wertsteigerungen bei der Veräußerung von privat vermieteten Wohngrundstücken als steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft). Damit sind diese insoweit strukturell den Gewinnen aus dem Verkauf betrieblicher Wirtschaftsgüter - ohne Haltefristen - gleichgestellt. Daraus folgert der BFH, dass die nachträglichen Schuldzinsen auch auf Mieteinkünfte auszuweiten sind, um die notwendige steuerliche Gleichbehandlung beider Personengruppen herzustellen.

Grundsatz: Sofern bis zum Verkaufstermin ein Veranlassungszusammenhang zwischen einem Darlehen und früheren Mieteinkünften besteht, gilt diese Verbindung grundsätzlich weiter, wenn das verbleibende (Rest-)Darlehen noch einen Schuldsaldo ausweist, weil der Verkaufserlös nicht zur Tilgung auf Null ausreicht. Dann überlagert die Veräußerung des Wohngrundstücks den Zusammenhang mit den Spekulationseinkünften. Das betrifft dann ebenfalls den Abzug. Denn Aufwendungen im Zusammenhang mit der Veräußerung können auch Werbungskosten bei den Spekulationseinkünften sein. Eine Berücksichtigung kommt aber nur dann in Betracht, soweit der veräußerte Gegenstand nicht im Rahmen einer anderen und damit vorrangigen Einkunftsart genutzt wurde.

Praxishinweis

Das neue BFH-Urteil hat Konsequenzen und wirft neue Fragen auf.

  • Es gilt nun der Grundsatz, dass in den Fällen, in denen der private Vermieter das bisher der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dienende Wohngrundstück steuerbar veräußert und der Erlös aus der Veräußerung nicht ausreicht, um das ursprünglich zur Anschaffung aufgenommene Darlehen abzulösen, von einem Fortbestand des Veranlassungszusammenhangs auszugehen ist.
  • Bedingung 1: Die Absicht zur Einkünfteerzielung war nicht zuvor bereits aufgegeben worden.
  • Bedingung 2: Der Vermieter hatte das verbliebene Restdarlehen zur Finanzierung von Anschaffungskosten eines der Erzielung von Mieteinkünften dienenden Wohngebäudes aufgenommen.
  • Bedingung 3: Der Vermieter ist nicht in der Lage, die bestehenden Kreditverbindlichkeiten bei der Veräußerung des Immobilienobjekts vollständig zu tilgen, und hat den Grundsatz des Vorrangs der Schuldentilgung insoweit beachtet.
  • Ausnahmen: Der erweiterte Abzug bei nachträglichen Schuldzinsen galt bisher bereits
    • in Hinsicht auf rückständige Zinsen, die auf den Vermietungszeitraum entfallen, jedoch erst nach Beendigung der Vermietung geleistet werden,
    • für die nach Aufgabe der Vermietung gezahlten Schuldzinsen, wenn mit dem Kredit Aufwendungen finanziert worden sind, die während der Vermietungstätigkeit als sofort abziehbare Werbungskosten zu beurteilen waren.
  • Kein nachträglicher Abzug kommt hingegen in Betracht,
    • wenn die Schuldzinsen auf Verbindlichkeiten entfallen, die durch den Veräußerungspreis der Immobilie hätten getilgt werden können. In diesem Fall beruht die Entscheidung, noch valutierende Darlehensschulden nicht oder nicht im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten zurückzuführen, auf einer privaten Motivation des Ex-Hausbesitzers;
    • wenn der Immobilieneigentümer zwar ursprünglich eine dauerhaft angelegte Vermietung mit Einkünfteerzielungsabsicht im Blick hatte, diese aber bereits vor der Veräußerung aus anderen Gründen aufgegeben hat.

Der BFH brauchte nicht zu entscheiden, in welchen darüber hinaus denkbaren Fallkonstellationen eine den ursprünglichen Veranlassungszusammenhang überlagernde private Motivation den Schluss rechtfertigen könnte, dass nachträgliche Schuldzinsen nicht mehr durch die ursprünglich zu Vermietungszwecken aufgenommenen Schulden ausgelöst sind. Damit sorgt er selbst für Diskussionsstoff:

  • Ist der nachträgliche Schuldzinsenabzug auch dann möglich, wenn die Mietimmobilie erst mehr als zehn Jahre nach der Anschaffung wieder verkauft wird?
  • Wie verhält es sich bei einem Verkauf von sonstigen Wirtschaftsgütern mit Kredit wie etwa Goldbarren oder Kunstsammlungen vor und nach der einjährigen Spekulationsfrist?
  • Wie sieht es im Bereich der Börsengeschäfte und der Werbungskosten unter der Abgeltungsteuer beim Verkauf von GmbH-Anteilen aus?

BFH, Urt. v. 20.06.2012 - IX R 67/10
BFH, Urt. v. 16.03.2010 - VIII R 20/08, BStBl 2010 II 787
FG Baden-Württemberg, Urt. v. 01.07.2010 - 13 K 136/07
OFD Frankfurt, Vfg. v. 24.01.2012 - S-2211 A - 17 - St 214

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 11.09.12