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Erbverzicht: Erhaltene Abfindung bleibt steuerfrei

Mit einem in der vergangenen Woche veröffentlichten Urteil hat der BFH die bereits im Jahr 1919 vom Reichsfinanzhof entwickelte und seither vertretene Rechtsprechung geändert. Aus Gründen der besseren Verständlichkeit wird im Folgenden der diesem Urteil zugrunde liegende Sachverhalt dargestellt und sodann auf die Auswirkungen dieser Entscheidung in der Praxis eingegangen.

Sachverhalt

Die verstorbene Tante hatte ihren Neffen in zwei Testamenten jeweils als Alleinerben eingesetzt. Zusätzlich hatte sie Vermächtnisse zugunsten anderer Personen verfügt. Später verfasste sie ein weiteres, handschriftliches Testament, in dem sie ihr Sparguthaben an ihre Freundin und deren Tochter vermachte. Der Neffe beantragte beim zuständigen Amtsgericht die Erteilung eines Erbscheins, der ihn als Alleinerben ausweisen sollte. Er war der Auffassung, das letzte Testament sei unwirksam, weil die Erblasserin wegen Altersdemenz nicht mehr testierfähig gewesen sei.

Das Gericht wies den Antrag zurück, weil das ursprüngliche Testament durch das spätere handschriftliche wirksam widerrufen worden war. Denn da das vermachte Sparguthaben das wesentliche Vermögen der Erblasserin darstellte, ist nach Ansicht des Amtsgerichts in dem Testament eine Erbeinsetzung zu Gunsten der Freundin und deren Tochter zu sehen.

Der vor dem LG fortgeführte Rechtsstreit endete mit einem Vergleich. Die Freundin verpflichtete sich, an den Neffen 45.000 € zu zahlen, der dann im Gegenzug seine Beschwerde gegen die Gerichtsentscheidung zurücknahm und sich verpflichtete, keinen neuen Antrag auf einen Erbschein zu stellen sowie keine Einwände gegen die Wirksamkeit des Testaments mehr zu erheben.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Diese aufgrund des geschlossenen Vergleichs zur Beendigung des Rechtsstreits gezahlte Abfindung in Höhe von 45.000 € stellt nach Ansicht des BFH keinen steuerpflichtigen Erwerb von Todes wegen dar. Der verzichtende Neffe erhält diese Entschädigung nicht durch einen steuerpflichtigen Erbanfall seitens seiner Tante, weil er weder gesetzlicher noch testamentarisch eingesetzter Erbe geworden ist. Es liegt auch kein Vermächtnis vor, weil die Verstorbene die Zahlung der Abfindung gerade nicht angeordnet hatte. Ein Erbvergleich ist deshalb allein schuldrechtlicher und nicht erbrechtlicher Natur.

Ein Erwerb von Todes wegen ist nur dann steuerpflichtig, wenn er tatsächlich auf einem erbrechtlichen Rechtsgrund basiert. Tut er dies nicht, ist erbschaftsteuerlich in solchen Fällen so zu verfahren, als ob der Erblasser den Verzichtenden nicht durch ein Testament bedacht hätte. Dementsprechend ist auch eine aufgrund eines Prozessvergleichs erhaltene Abfindung nicht der Erbschaftsteuer zu unterwerfen.

Auch die von der Rechtsprechung bislang entwickelten Grundsätze zum Erbvergleich können eine Steuerbarkeit der Abfindung nicht begründen. Die Abfindung ist das Ergebnis eines ernst gemeinten Vergleichs, der die gütliche Regelung streitiger Erbverhältnisse zum Ziel hat. Er dient der einvernehmlichen Beseitigung bestehender Ungewissheiten über einzelne Erbteile oder über die den Erben zufallenden Beträge.

Zwar sind die Bedachten grundsätzlich nicht berechtigt, nach dem Erbfall durch freie Vereinbarung Bestimmungen und Umfänge der steuerpflichtigen Bereicherung zu beeinflussen. Sie können aber einen ernst gemeinten Erbvergleich schließen, wenn Streit oder Ungewissheit darüber besteht, ob und in welchem Umfang ein Erwerb oder ein Erbanfall vorliegt.

Fazit

An der bisherigen Rechtsprechung des BFH, nach der die Abfindung aufgrund des Erbvergleichs als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterliegt, wird also nicht länger festgehalten. Im Gesetz kommt durch die Aufzählung der Möglichkeiten des Erwerbs von Todes wegen klar zum Ausdruck, dass die Regelung abschließend ist und andere als die dort im Einzelnen genannten Varianten nicht erfasst werden sollen. Der Erbvergleich kann daher auch nicht als Erwerb von Todes wegen angesehen werden.

Praxishinweis

Die Besteuerung des Erwerbs erfolgt nur dann, wenn er auf einen erbrechtlichen Rechtsgrund zurückgeführt werden kann, wie bei

  • Erbanfall,
  • Vermächtnis und
  • geltend gemachtem Pflichtteilsanspruch.

Basiert der Erwerb hingegen nicht auf einem dieser drei Rechtsgründe, so unterliegt er dem aktuellen BFH-Urteil gemäß nicht mehr der Erbschaftsteuer.

Haben also Nachkommen aufgrund eines Vergleichs eine Abfindung dafür erhalten, dass sie ihre Erbenstellung nicht mehr weiter verfolgen, müssen sie diese nicht als steuerpflichtigen Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterwerfen. Diesen Entscheidungstenor können Nachkommen in alle noch offenen Bescheide einfließen lassen, indem sie eine entsprechende Änderung anstreben. Das gilt zum einen für den Rechtsstand bis 2008 und zum anderen auch für die durch die Erbschaftsteuerreform ab 2009 geltende Neuregelung.

BFH, Urt. v. 04.05.2011 - II R 34/09
BFH, Urt. v. 22.11.1995 - II R 89/93, BStBl II 1996, 242
BFH, Urt. v. 24.07.1972 - II R 35/70, BStBl II 1972, 886
BFH, Beschl. v. 19.09.2000 - II B 10/00
BFH, Beschl. v. 25.08.1998 - II B 45/98
RFH, Urt. v. 30.01.1919 - II A 14/18

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 21.06.11