Beraterpraxis, Steuerberatung, Steuerfachangestellte -

EuGH rügt deutsche Steuergesetze

Die Europäische Kommission hat beschlossen, Deutschland wegen mehrerer diskriminierender Steuervorschriften beim Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zu verklagen.

Gewinnermittlung

Nach deutschem EStG können stille Reserven nur dann steuerfrei auf eine Reinvestition übertragen werden, wenn die neu angeschafften Wirtschaftsgüter zum Anlagevermögen einer Betriebsstätte in Deutschland gehören. In der Praxis bedeutet das: Ein Unternehmer, der Anlagegüter veräußern möchte, um sich in einem anderen EU Mitgliedstaat niederzulassen oder dort seine wirtschaftlichen Aktivitäten auszubauen, ist eindeutig benachteiligt. Die Ungleichbehandlung kann ihn von grenzüberschreitenden Investitionen abhalten. Diese diskriminierende Behandlung ist mit den EU-Vorschriften unvereinbar.

Zum Hintergrund: Laut EStG können Steuerpflichtige stille Reserven steuerfrei von veräußerten auf andere neu angeschaffte Wirtschaftsgüter übertragen. Dies kann auf zweierlei Art erfolgen:

  1. Zum einen ist der Veräußerungsgewinn im Wirtschaftsjahr der Veräußerung von den Kosten für das neu angeschaffte Wirtschaftsgut abzuziehen.
  2. Zum anderen kann der Steuerpflichtige eine gewinnmindernde Rücklage bilden und auf Wirtschaftsgüter übertragen, die er in den folgenden vier bzw. sechs Wirtschaftsjahren anschafft.

Dies ist allerdings nur möglich, wenn das neu angeschaffte Wirtschaftsgut zum Anlagevermögen einer deutschen Betriebsstätte gehört. Bei einer Reinvestition der neu angeschafften Wirtschaftsgüter in eine ausländische Betriebsstätte können die stillen Reserven nicht übertragen werden und werden umgehend besteuert.

Auslandserbschaft

Nach dem ErbStG wird für geerbte deutsche Vermögenswerte eine höhere Steuerbefreiung gewährt, wenn der Erblasser oder der Erbe in Deutschland lebt, als wenn beide im Ausland leben. Folglich werden Gebietsfremde für im Inland belegene Vermögenswerte höher besteuert als in Deutschland ansässige Personen. Eine solche Bestimmung könnte im Ausland lebende Personen davon abhalten, in Deutschland in Immobilien zu investieren. Nach Auffassung der Kommission ist diese Bestimmung diskriminierend und stellt eine ungerechtfertigte Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar.

Zum Hintergrund: Laut ErbStG wird im Inland Ansässigen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer je nach Verwandtschaftsgrad ein Freibetrag von bis zu 500.000 € gewährt. Der Freibetrag beträgt hingegen nur 2.000 €, wenn weder der Erblasser noch der Erbe ihren Wohnsitz in Deutschland haben. Der EuGH befasste sich damit schon einmal und kam in diesem Zusammenhang zu dem Schluss, dass diese Bestimmung mit dem freien Kapitalverkehr unvereinbar ist. Danach änderte Deutschland sein ErbStG, so dass Gebietsfremde seit Dezember 2011 die Möglichkeit haben, auf Antrag als Steueransässige behandelt zu werden. Nach Ansicht der Kommission wird die Vertragsverletzung durch diese Option jedoch nicht behoben.

Vorsteuervergütung für Unternehmen aus Drittstaaten

Die EU-Kommission hat Deutschland aufgefordert, die Rechtsvorschriften zu ändern, denen zufolge Anträge von Unternehmen aus Drittstaaten auf Mehrwertsteuer-Rückerstattung von den Antragstellern persönlich zu unterzeichnen sind.

Nach ihrer Ansicht verstößt eine solche Maßnahme gegen die Grundsätze der Wirksamkeit, der Verhältnismäßigkeit und der Gleichwertigkeit des EU-Rechts. Die EU-Bestimmungen schreiben nicht vor, dass Anträge auf Mehrwertsteuer-Rückerstattung persönlich unterzeichnet werden müssen. Durch das Fordern einer persönlichen Unterschrift kann eine Mehrwertsteuer-Rückerstattung für Unternehmen, die keinen Sitz in der EU haben, übermäßig erschwert werden. Die Kommission ist der Auffassung, dass das Ziel Deutschlands (Bekämpfung von Steuerflucht und Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Rückerstattungsverfahrens) mit anderen Mitteln erreicht werden kann, z.B. durch die Ernennung eines Steuervertreters.

Hinweis: Die Aufforderung ergeht in einer mit Gründen versehenen Stellungnahme (zweite Stufe des Vertragsverletzungsverfahrens). Kommt Deutschland der Aufforderung nicht innerhalb von zwei Monaten nach, kann die Kommission den Gerichtshof der Europäischen Union anrufen. Die Klage vor dem EuGH ist die letzte Stufe des Vertragsverletzungsverfahrens.

Praxishinweis

In einem weiteren Verfahren hat das FG Hamburg den EuGH zur Klärung einer Reihe unionsrechtlicher Fragen angerufen, die die Umsatzbesteuerung von Spielgerätebetreibern betreffen.

Die Besteuerung von Spielgeräten ist seit Jahren Gegenstand einer Vielzahl gerichtlicher Verfahren. Wiederholt ging es um die Rechtmäßigkeit von Spielgeräte- und ähnlichen Steuern, die von Städten und Gemeinden als kommunale Steuern in eigener Kompetenz von Spielhallenbetreibern erhoben werden. Bezüglich der bundeseinheitlich seit Mai 2006 für die Umsätze mit Geldspielautomaten erhobenen Umsatzsteuer legt das FG nun dem EuGH einen ganzen Katalog von Fragen zur Auslegung des Unionsrechts vor.

Das FG hält es für fraglich, ob die Erhebung der Umsatzsteuer für Spielgeräte oder jedenfalls die Art ihrer Berechnung mit der vorrangig zu beachtenden Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie der EU in Übereinstimmung steht. Hiernach wird die Steuer genau proportional zum Preis der jeweiligen Gegenstände und Dienstleistungen vom Unternehmer auf den Endverbraucher abgewälzt. Das FG stellt folgende Fragen:

  • Ist es richtig, den monatlichen Kasseninhalt des Spielgeräts als Bemessungsgrundlage zu nehmen, ohne zu berücksichtigen, wie viel der einzelne Spieler gewonnen oder verloren hat?
  • Welche Bedeutung kommt den Regelungen in der deutschen Spielgeräteverordnung für die Frage der Abwälzbarkeit zu, die die Höhe des möglichen Verlustes eines Spielers begrenzen und dem Spielgerätebetreiber damit nicht erlauben, die Umsatzsteuer über einen höheren Preis an den Spieler weiterzureichen?
  • Erlaubt es das Mehrwertsteuersystem überhaupt, auf Glücksspiele Umsatzsteuer und Sonderabgaben, wie etwa eine Spielgerätesteuer, nebeneinander zu erheben?

Problematisch ist auch der Umstand, dass in Deutschland zwar inzwischen aufgrund einer Entscheidung des EuGH die Umsätze der mit den Spielhallen im Wettbewerb stehenden Spielbanken mit Glücksspielautomaten umsatzsteuerpflichtig geworden sind, ihre Umsatzsteuerschuld aber betragsgenau auf die von ihnen zu zahlende Spielbankabgabe angerechnet wird.

Europäische Kommission, Pressemitteilung v. 27.09.2012 - IP/12/1019
Europäische Kommission, Pressemitteilung v. 27.09.2012 - IP/12/1018
EuGH, Urt. v. 22.04.2010 - C-510/08
FG Hamburg, Beschl. v. 21.09.2012 - 3 K 104/11

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 09.10.12