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Familienpflegezeit: Steuerliche Auswirkungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer

Das Gesetz zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf führte zum 01.01.2012 die Familienpflegezeit ein. Sie ermöglicht Beschäftigten, ihre Arbeitszeit für einen Zeitraum von zwei Jahren zu reduzieren, um nahe Angehörige im Haushalt zu pflegen. Ein aktuelles BMF-Schreiben nimmt nun Stellung zu den steuerlichen Auswirkungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

Beschäftigte, die ihre Arbeitszeit über einen Zeitraum von maximal zwei Jahren auf bis zu 15 Stunden reduzieren, erhalten während dieser Zeit zur Pflege von nahen Angehörigen im Haushalt eine Entgeltaufstockung. Die Aufstockung berechnet sich wie folgt:

Bisheriges Arbeitsentgelt vor Pflegezeit
– Gehalt, das sich infolge der Reduzierung der Arbeitszeit ergibt
= Differenzbetrag, Lücke im Einkommen
+ 50 % der Differenz
= Betrag der Entgeltaufstockung

Beispiel: Ein Vollzeitbeschäftigter reduziert seine Arbeitszeit auf 50 %. Das bisherige Arbeitsentgelt betrug 6.000 €.

Bisheriges Arbeitsentgelt vor Pflegezeit 6.000 €
Gehalt infolge der Reduzierung der Arbeitszeit - 3.000 €
Lücke im Einkommen 3.000 €
50 % davon + 1.500 €
Betrag der Entgeltaufstockung 4.500 €
Prozentuale Entgeltaufstockung 75 %

Die als Entgeltaufstockung ausgezahlten Beträge können entnommen werden, so dass während der Pflegephase über zwei Jahre ein negatives Wertguthaben aufgebaut wird. Während der Nachpflegephase nach Ablauf der Familienpflegezeit hat der Arbeitnehmer den Aufstockungsbetrag in monatlichen Raten über entsprechende Wertguthaben zurückzuerstatten. Bei voller Arbeitszeit erhält er zum Ausgleich weiterhin nur das reduzierte Gehalt.

Beispiel: Nach Ablauf der Familienpflegezeit erfolgt wieder eine Vollzeitbeschäftigung. Das Arbeitsentgelt beträgt 6.000 €.

Arbeitsentgelt 6.000 €
Ausgezahltes Gehalt 4.500 €
Auffüllung negatives Wertguthaben 1.500 €
Arbeitszeit 100 %
Entgelt 75 %

Um für Unternehmen die Risiken einer Berufs- und Erwerbsunfähigkeit oder des Todes zu minimieren und um den Rückzahlungsanspruch zu sichern, muss jeder Beschäftigte bei Inanspruchnahme der Familienpflegezeit eine Familienpflegezeitversicherung abschließen.

Arbeitgebern wird auf Antrag ein zinsloses staatliches Darlehen vom Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben für die Aufstockung des Gehalts zur Verfügung gestellt. Dieses Darlehen zahlen die Arbeitgeber dann zurück, wenn die Beschäftigten wieder voll arbeiten, aber weiter nur ein reduziertes Gehalt erhalten.

Das Familienpflegezeitgesetz selbst enthält keine steuerlichen Regelungen. Gleichwohl stellen sich lohnsteuerliche Fragen zu dort gemachten arbeits- und sozialrechtlichen Regelungen.

Zu diesen Fragen nimmt das BMF in einem aktuellen Schreiben wie folgt Stellung:

  • Während der Familienpflegezeit liegt Zufluss von Arbeitslohn in Höhe der Summe aus dem verringerten (regulären) Arbeitsentgelt und der Entgeltaufstockung des Arbeitgebers vor. Dies gilt auch, soweit die als Entgeltaufstockung ausgezahlten Beträge aus einem Wertguthaben entnommen werden und dadurch ein „negatives” Wertguthaben aufgebaut wird.
  • Wird in der Nachpflegephase bei voller Arbeitszeit nur das reduzierte Arbeitsentgelt ausgezahlt, um gleichzeitig mit dem anderen Teil des Arbeitsentgelts das negative Wertguthaben auszugleichen, liegt Zufluss von Arbeitslohn nur in Höhe des reduzierten Arbeitsentgelts vor. Der Ausgleich des Wertguthabens löst keinen Zufluss von Arbeitslohn und damit auch keine Besteuerung aus.
  • Das zinslose Darlehen an den Arbeitgeber und die Rückzahlung durch den Arbeitgeber führen beim Arbeitnehmer zu keinen lohnsteuerpflichtigen Tatbeständen.
  • Entfällt der (vollständige) Ausgleich eines negativen Wertkontos, weil dem Beschäftigten gekündigt wurde und der Ausgleichsanspruch mangels Aufrechnungsmöglichkeit erlischt, liegt kein geldwerter Vorteil in Höhe der erloschenen Ausgleichsforderung vor.

Praxishinweis

In Bezug auf die Familienpflegezeitversicherung sind folgende Steuerfolgen zu beachten:

  • Hat der Arbeitnehmer eine Familienpflegezeitversicherung abgeschlossen und zahlt er die Versicherungsprämie direkt an das Versicherungsunternehmen, liegen bei ihm Werbungskosten vor.
  • Treten der Arbeitgeber oder das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) mit den Prämienzahlungen zunächst in Vorlage und erstattet der Arbeitnehmer die Versicherungsprämie, erfolgt der Werbungskostenabzug im Kalenderjahr der Erstattung durch den Arbeitnehmer.
  • Verrechnet der Arbeitgeber seine Vorleistung mit dem auszuzahlenden Arbeitsentgelt, mindert sich dadurch der steuerpflichtige Arbeitslohn nicht.
  • Hat der Arbeitgeber die Familienpflegezeitversicherung abgeschlossen oder lässt er sich die ihm vom Bundesamt belasteten Beträge nicht vom Arbeitnehmer erstatten, ergeben sich aus der Prämientragung durch den Arbeitgeber für den Arbeitnehmer keine steuerlichen Folgen - kein Arbeitslohn, keine Werbungskosten. Es handelt sich vielmehr um eine Leistung des Arbeitgebers im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse.
  • Eine Familienpflegezeitversicherung kann auch als Gruppenversicherungsvertrag ausgestaltet sein. Die bei Gruppenversicherungen gegenüber Einzelversicherungen entstehenden Prämienvorteile gehören nicht zum Arbeitslohn.

Die Versicherung hat der Beschäftigte abzuschließen. Die Versicherungsprämie wird unabhängig von Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Arbeitnehmers berechnet, es findet keine Risikoprüfung statt. Ob der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer die Prämie für die Familienpflegeversicherung trägt, hängt letztlich von deren individueller Vereinbarung ab. Ist der Beschäftigte Versicherungsnehmer, hat er dem Arbeitgeber ein unwiderrufliches Bezugsrecht einzuräumen.

BMF-Schreiben v. 23.05.2012 - IV C 5 - S-1901/11/10005
Gesetz zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf v. 06.12.2011, BGBl 2011 I 2564

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 26.06.12