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FG Hamburg zweifelt an der Verfassungsmäßigkeit der Kernbrennstoffsteuer

Das FG Hamburg hält die im Jahr 2011 - also noch vor dem Atomausstieg - eingeführte Brennelementesteuer für verfassungswidrig und hat den Fall zur Überprüfung nach Karlsruhe verwiesen. Mangels Gesetzgebungskompetenz des Bundes verstoße das Gesetz gegen die Verfassung, wie das Gericht am 29.01.2013 erklärte. Da es sich hierbei um eine Verbrauchsteuer handele, sei der Bund nicht zuständig. Endgültig entscheidet nur das BVerfG über die Vereinbarkeit von Gesetzen mit dem Grundgesetz.

Unter anderem ging der Energiekonzern E.ON beim Hamburger FG gegen das Gesetz vor, als er die Steuer erstmals zahlen sollte. Die Richter in der Hansestadt hatten bereits vor der abschließenden Entscheidung vom 29.01.2013 in einem vorgeschalteten Eilverfahren Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit geäußert. Der 4. Senat des Hamburger FG ist länderübergreifend (d.h. für Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen) für den Rechtsstreit zuständig. In Hamburg selbst gibt es keine betriebenen Atomkraftwerke.

Allein beim FG Hamburg sind mehre Klagen gegen die Atomsteuer mit einem Gesamtstreitwert von rund 1,5 Mrd. € anhängig. Gegen die Steuer hatten die Energiekonzerne E.ON und RWE geklagt. Sie hatten bereits zuvor bei den Gerichten in Hamburg und München positive Ergebnisse erzielt. Der Versorger EnBW hatte hingegen mit einer ähnlichen Klage vor dem FG Baden-Württemberg eine Abfuhr erhalten. Das dortige FG hielt die Steuer auf Brennelemente in AKWs für verfassungskonform.

Die Kernbrennstoffsteuer beträgt 145 € pro Gramm Kernbrennstoff auf Uran sowie Plutonium, das zur gewerblichen Erzeugung von elektrischem Strom verwendet wird. Die Steuer wird durch die Hauptzollämter von den Kernkraftwerksbetreibern erhoben. Ursprünglich waren jährliche Einnahmen von 2,3 Mrd. € erwartet worden, die von der schwarz-gelben Bundesregierung zur Sanierung des Bundeshaushalts eingesetzt werden sollten. Allerdings sind wegen der Energiewende derzeit nur noch neun statt anfänglich 17 Atomkraftwerke in Betrieb. Weil die Steuer als Betriebsausgabe absetzbar ist, verringert sich zudem die effektive Belastung der Stromkonzerne.

Das Kernbrennstoffsteuergesetz war von Beginn an rechtlich umstritten. Aufgrund erheblicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit gewährte das FG Hamburg bereits vorläufigen Rechtsschutz, der allerdings vom BFH aus formellen Gründen wieder aufgehoben wurde. In weiteren Eilverfahren hat bisher auch das FG München ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Kernbrennstoffsteuer geäußert. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung des Hauptsacheverfahrens hat das FG Hamburg verkündet, den Streitfall dem BVerfG zur Überprüfung vorzulegen.

Das FG Hamburg ist davon überzeugt, dass das Kernbrennstoffsteuergesetz formell verfassungswidrig ist. Die Kernbrennstoffsteuer sei keine in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes fallende Verbrauchsteuer. Im Übrigen stehe dem Bund auch keine (alleinige) Gesetzgebungskompetenz zur Verfügung. Zudem ist die die Kernbrennstoffsteuer nach Ansicht des Gerichts keine gängige Verbrauchsteuer, um den privaten Konsumenten zu belasten. Zwar werden auch andere Verbrauchsteuern indirekt beim Handel oder bei der Industrie erhoben, doch müssen diese darauf angelegt sein, auf den Verbraucher abgewälzt zu werden. Dies sei bei der Kernbrennstoffsteuer nicht der Fall. Die Kernbrennstoffsteuer verfolgt vielmehr das Ziel, Gewinne der Kernkraftwerksbetreiber abzuschöpfen.

Zur Verfassungsmäßigkeit der Kernbrennstoffsteuer rügt der klagende Stromkonzern im Übrigen insbesondere auch den Verstoß gegen den Gleichheitssatz und die Verletzung der Eigentumsgarantie im Grundgesetz. Zu dieser Thematik hat sich das FG Hamburg nicht geäußert. Die Frage wird aber vom BVerfG im Rahmen des vom FG Hamburg vorgelegten Normenkontrollverfahrens von Amts wegen geprüft. Einen Check, ob und inwieweit das Kernbrennstoffsteuergesetz möglicherweise gegen das höherrangige Europarecht - etwa gegen Beihilfevorschriften oder den Euratom-Vertrag - verstößt, haben die Hamburger Richter zunächst zurückgestellt.

Praxishinweis

Nach Ansicht des FG Baden-Württemberg stehen die Vorschriften des Kernbrennstoffsteuergesetzes sowohl mit dem Grundgesetz als auch mit den Vorgaben des Unionsrechts in Einklang, denn die gesetzlich definierten Kernbrennstoffe sind zwar untypische, aber durchaus taugliche Gegenstände einer Verbrauchsteuer. Die Steuer knüpft an den Verbrauch der Kernbrennstoffe an.

Zudem können auch die Belange des Umweltschutzes Anknüpfungspunkte für eine unterschiedliche Behandlung von Sachverhalten sein. Unter diesem Aspekt erscheint die Auswahl von Kernbrennstoffen als Steuergegenstand einer Verbrauchsteuer umso mehr nicht willkürlich, als auch der Verbrauch von fossilen Brennstoffen durch Abgaben belastet ist.

Nach den bisherigen Entscheidungen des BVerfG ist es keineswegs sicher, ob die Brennelementesteuer verfassungswidrig ist. Hiernach sind Verbrauchsteuern "Warensteuern, die den Verbrauch vertretbarer, regelmäßig zum baldigen Verzehr oder kurzfristigen Verbrauch bestimmter Güter des ständigen Bedarfs belasten" (zur kommunalen Verpackungsteuer). Darüber hinaus ist auch eine an die Produktionsmittel anknüpfende Steuer zulässig. Es gibt keinen Rechtssatz, der das Anknüpfen einer Verbrauchsteuer an ein Produktionsmittel verbietet (zu Öko-, Strom- und Mineralölsteuer).

Kernbrennstoffsteuergesetz (KernbrStG) v. 08.12.2010, BGBl 2010 I 1804
FG Hamburg, Beschl. v. 29.01.2013 - 4 K 270/11
FG Hamburg, Beschl. v. 16.09.2011 - 4 V 133/11
FG Baden-Württemberg, Beschl. v. 11.01.2012 - 11 V 4024/11
BFH, Beschl. v. 09.03.2012 - VII B 171/11, BStBl 2012 II 418
BVerfG, Beschl. v. 07.05.1998 - 2 BvR 1991/95, 2 BvR 2004/95
BVerfG, Beschl. v. 20.04.2004 - 1 BvR 1748/99, 1 BvR 905/00

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 05.02.13