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FG München: Auch geprellte Anleger müssen Steuern zahlen

Wer bei Finanzanlagen betrogen wurde, muss unter Umständen entsprechende Scheinrenditen versteuern. Eine aktuelle Entscheidung des FG München legt die Grundsätze dar, unter denen Abgeltungsteuer bei sogenannten Schneeballsystemen fällig wird. Erst wenn der Betrogene den Betrug erkennt oder erkennen konnte, scheidet eine weitere Besteuerung aus.

Selbst wenn eine betrügerische Finanzfirma Erträge aus Schneeballsystemen nur fiktiv und zum Schein auf ein internes (Verrechnungs-)Konto gutschreibt, müssen Anleger Kapitaleinnahmen versteuern. Das FG München hat aktuell die strenge Vorgehensweise des Fiskus gebilligt. Steuern entfallen erst dann, wenn Anleger im Einzelfall das Betrugssystem erkennen oder zumindest ahnen konnten, dass sie ihr Geld nicht wiedersehen werden.

Gutschriften aus Schneeballsystemen müssen nämlich bereits dann versteuert werden, wenn die Betrugsfirma theoretisch zur Auszahlung bereit und in der Lage gewesen wäre, der Anleger die versprochenen Erträge aber direkt wieder reinvestiert hat.

Einnahmen aus Kapitalvermögen liegen selbst dann vor, wenn ein Sparer aus dem Kapital anderer getäuschter Anleger eine Rendite erhält. Dies ist auch der Fall, wenn es die Rendite aus einer zuvor selbst einbezahlten Einlage in Wirklichkeit überhaupt nicht gibt. Denn entscheidend für den Zufluss von steuerpflichtigen Erträgen ist, ob im konkreten Einzelfall eine Auszahlung hätte erreicht werden können. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Anlagefirma hypothetische Zahlungen an alle Anleger gleichzeitig hätte leisten können.

Allerdings schränkt das FG München diesen Grundsatz der sofortigen Besteuerung ein. So kann z.B. aus der Ablehnung eines sofortigen Auszahlungswunsches und aus Verhandlungen über andere Zahlungsmodalitäten auf fehlende Liquidität geschlossen werden. Wenn dies der Fall ist, muss der Anleger seine Scheinrenditen aus dem betrügerischen Schneeballsystem nicht mehr unbedingt versteuern. Allerdings muss er dem Finanzamt dann konkret nachweisen, dass er einen Betrugsverdacht hatte.

Das Urteil enthält als Faustregel vier Grundsätze:

  1. Scheinrenditen liegen vor, wenn der Anleger die Auszahlung hätte verlangen können, er aber in seinem Interesse die Anlage verlängert bzw. zu veränderten Konditionen bei demselben Kapitalanlagevermittler weiterhin anlegt.

  2. Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit des Zinsschuldners (= betrügerische Finanzfirma) liegen vor,

    • wenn das Unternehmen im Fälligkeitszeitraum von Kapital, Zinsen oder anderen Kapitalerträgen einige (nicht notwendig alle) Anleger ausbezahlt hat,
    • wenn das Unternehmen in diesem Zeitraum kein Auszahlungsbegehren des betroffenen Sparers abgelehnt hat.
  3. Erfolgt die Verlängerung (= Prolongation) der Kapitalanlage unter Vereinbarung eines zusätzlichen Bonus, so stellt die Wiederanlage eine Schuldumwandlung (= Novation) dar. Diese ist eindeutig auch im Interesse des Anlegers begründet.
  4. Eine steuerpflichtige Prolongation liegt auch dann vor, wenn die bisher gutgeschriebenen Zinsen nicht ausbezahlt werden, sondern diese im Betrag der Neuanlage mit enthalten sind und künftig weder Zins noch Bonus ausbezahlt werden, der Anleger aber zahlungsfähig und -willig gewesen wäre.

Dabei bezieht sich das FG München auf die durchaus umstrittene langjährige BFH-Rechtsprechung, wonach auch Scheinrenditen aus Schnellballsystemen zu versteuern sind, wenn der Anleger sich die ihm gutgeschriebenen Renditen seiner Kapitalanlage (fiktive Zinsen oder Gewinne) hätte auszahlen lassen können. Oft wählt der Betrogene aber in Erwartung lockender Renditen statt des Geldes die Wiederanlage. Dabei liegen Kapitaleinnahmen (und früher Spekulationsgewinne) vor, solange der Schuldner noch zahlungsfähig ist.

Praxishinweis

  1. Diese für geprellte Anleger und viele Laien sicherlich unverständliche Steuerregelung hatte das Bundesverfassungsgericht im Juli 2009 indirekt gebilligt. Die Richter aus Karlsruhe hatten die eingelegte Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
  2. Wichtig: Damit sich betrogene Anleger nicht dem Vorwurf der Steuerhinterziehung aussetzen, müssen sie die als zugeflossen geltenden Scheinerträge zunächst einmal in ihrer Steuererklärung angeben. Erst gegen die anschließende Besteuerung ihrer Kapitaleinnahmen im Bescheid des Finanzamts können sie dann vorgehen. Es besteht Veranlagungspflicht, sollte die Betrugsfirma auf die fiktiven Kaitalerträge keine Abgeltungsteuer einbehalten haben.
  3. Das FG Saarbrücken hatte im vergangenen Jahr entschieden, dass ein Anlagebetrüger grundsätzlich kein leistungswilliger und -fähiger Schuldner mehr ist. Daher erfolgt keine Besteuerung von Scheingewinnen. Da hiergegen Revision (Az: VIII R 25/12) eingelegt wurde, können betrogene Anleger ihren Fall über einen ruhenden Einspruch offen halten.

FG München, Urt. v. 25.04.2013 - 5 K 1782/10
BFH, Urt. v. 28.10.2008 - VIII R 36/04
BFH , Urt. v. 16.03.2010 - VIII R 4/07
FG Saarbrücken, Urt. v. 10.5.2012 - 1 K 2327/03
FG Köln, Beschl. v. 10.4.2013 - 10 V 216/13
BVerfG , Beschl. v. 9.7.2009 - 2 BvR 2525/08

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 16.07.13