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Kann eine Erbengemeinschaft Rechtsträger i.S.d. Grunderwerbsteuerrechts sein?

Nachdem das FG Düsseldorf bereits zugunsten des Fiskus entschieden hatte, beschäftigt sich nun der BFH mit der Frage, ob eine Erbengemeinschaft selbständiges Steuersubjekt i.S. des Grunderwerbssteuergesetzes (GrEStG) sein kann. Bei einer Vereinigung von mindestens 95 % der Anteile einer Kapitalgesellschaft kann die Grunderwerbsteuerpflicht nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG entstehen, soweit sich in dem Vermögen der Kapitalgesellschaft Grundstücke befinden.

Der BFH befasst sich am 12.02.2014 in mündlicher Verhandlung mit der Frage, ob eine Erbengemeinschaft eine Person i.S. des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) und somit Zurechnungssubjekt des gesamthänderisch gebunden Sondervermögens sein kann (Aktenzeichen: II R 46/12). Andernfalls wäre nämlich auf den einzelnen Erben der Erbengemeinschaft abzustellen.

Der beim BFH anhängige Rechtsstreit geht auf eine Entscheidung des FG Düsseldorf vom 29.08.2012 zurück. Dort war eine Erbengemeinschaft gegen einen Grunderwerbsteuerbescheid in Höhe von 341.000 € vorgegangen. Das Finanzamt stellte einen Grundbesitzwert der Kapitalgesellschaft in Höhe von rund 9,7 Mio. € fest und war im Zuge der Vereinigung der Anteile der Erben von einer Anwendung von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ausgegangen.

Gegenüber dem FG Düsseldorf argumentierte die Erbengemeinschaft aber, dass sie kein Rechtsträger im bürgerlich-rechtlichen Sinne sei und somit kein geeignetes Bezugssubjekt für die Festlegung der Grunderwerbsteuer. Außerdem würde eine derartige Steuerpflicht dazu führen, dass der Erblasser posthum Erwerbsvorgänge realisiere.

In seiner Entscheidung stellte sich das FG zum Teil einer alten BFH-Entscheidung entgegen. Nach seiner Ansicht unterliegt ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile der Gesellschaft begründet, gem. § 1 Abs. 3 Nr.1 GrEStG der Grunderwerbsteuer, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers vereinigt werden. Diese Voraussetzungen waren nach Ansicht des FG im entschiedenen Fall erfüllt.

So sei die Miterbengemeinschaft in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit auch Erwerberin i.S. der Vorschrift. Dies entspricht nach Meinung des FG auch der ständigen Rechtsprechung des BFH, wonach eine Erbengemeinschaft selbständiger Rechtsträger im Sinne des Grunderwerbsteuerrechts ist, wenn sie ein Grundstück aus dem Nachlass veräußert oder für den Nachlass erwirbt.

Zwar sei die Erbengemeinschaft nicht rechtsfähig und nicht auf Dauer angelegt, sondern auf Auseinandersetzung gerichtet und verfüge nicht über eigene Organe, durch die sie im Rechtsverkehr handeln könnte. Dadurch ist sie zwar kein eigenständiges, handlungsfähiges Rechtssubjekt, sondern lediglich eine gesamthänderisch verbundene Personenmehrheit, der mit dem Nachlass ein Sondervermögen zugeordnet wurde.

Dem bürgerlich-rechtlichen Charakter einer Erbengemeinschaft als Abwicklungsgemeinschaft steht dies nach FG-Ansicht nicht entgegen:

Denn die Erbengemeinschaft sei nach außen rechtlich derart verselbständigt, dass z.B. selbst bei Gleichheit der Personen und der Beteiligungsverhältnisse zweier Erbengemeinschaften nach verschiedenen Erblassern verschiedene Rechtsträger aufträten. Eine Grundstücksübertragung bedürfe deshalb zwischen Erbengemeinschaften auch bei der Eigentumsübertragung eines sachenrechtlichen Vertrags (sog. Auflassung).

Zwar schreibt das Grunderwerbsteuergesetz nicht ausdrücklich vor, dass die Erbengemeinschaft im Grunderwerbsteuerrecht als selbständiger Rechtsträger zu behandeln ist. Die grunderwerbsteuerrechtliche Selbständigkeit der Erbengemeinschaft folgt nach Ansicht des BFH vielmehr aus deren rechtlicher Selbständigkeit als Zurechnungssubjekt des gesamthänderisch gebundenen Sondervermögens. So sei auch kein Grund erkennbar, warum dies nur für den Erwerb von Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten und nicht auch im Rahmen des § 1 Abs. 3 GrEStG für den Erwerb von Ansprüchen auf Anteile an einer Kapitalgesellschaft gelten sollte.

Das wohl schwächste Argument des FG lautet, dass dieses Ergebnis auch dem Zweck der Vorschrift entspreche. Denn der Gesetzgeber habe mit § 1 Abs. 3 GrEStG Rechtshandlungen, die auf die Vereinigung von Anteilen in einer Hand gerichtet sind und zu einem Wechsel der Rechtsträgerschaft an diesen Anteilen führen, dem grundstücksbezogenen Grundstückserwerb gleichgestellt. Deshalb habe sich die Erbengemeinschaft mit dem Erwerb von mindestens 95 % der Anteile an der Gesellschaft als deren Inhaber so behandeln zu lassen, als habe sie die zum Aktivvermögen der Gesellschaft gehörenden Grundstücke von der Gesellschaft, deren Anteile sich in seiner Hand vereinigen, erworben.

Schließlich führt dann das FG abermals das „Zweckargument" an: Diese Behandlung entspräche nämlich dem Zweck, den Anspruch der Anteile in der Hand der Erbengemeinschaft als Erwerberin eintreten zu lassen. Zu guter Letzt macht das FG einen Zeitsprung und lässt den Erblasser gleichsam wiederauferstehen, indem es erklärt, die nach dem Tod des Erblassers eingetretene Rechtslage sei nicht anders, als wenn die Kapitalerhöhung noch zu Lebzeiten des Gesellschafters stattgefunden hätte und dieser erst danach verstorben wäre.

Praxishinweis

Diese bisher noch nicht vom BFH vertretene Ansicht des FG führt zu einem Widerspruch in der Rechtsprechung: Denn der BFH sieht beim Verkauf eines Erbteils die Erbengemeinschaft bislang eben nicht als selbständigen Rechtsträger an. Hintergrund ist, dass die Erbengemeinschaft gerade auf Auseinandersetzung gerichtet ist. Zudem kann ein Erbteilsinhaber ohne Weiteres über seinen Anteil am Nachlass verfügen - im Gegensatz zu anderen Gesamthandsgemeinschaften.

Es bleibt abzuwarten, ob der BFH seine bisherige Rechtsprechung beibehält und die Argumente des FG ignoriert und deshalb die Erbengemeinschaft auch weiterhin als eine (so gesehen „lästige") Zwangsverbindung ansieht. Schließlich fehlt der Erbengemeinschaft das voluntative, also freie Entstehungselement, das in unserer gesamten Rechtsordnung eines der Hauptmerkmale von eigenständigen Rechtsträgern ist.

FG Düsseldorf, Urt. v. 29.08.2012 - 7 K 3691/11 GE
BFH, Urt. v. 04.02.2004 - II B 147/02, BFH/NV 2004, 813

Quelle: Rechtsanwalt und Dipl.-Finanzwirt Horst Schirrmann - vom 04.02.14