Judywie © Photocase

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Neue Verwaltungsanweisungen zur Umsatzsteuer

Der seit dem 01.11.2010 geltende Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) wird laufend aktualisiert. Das BMF veröffentlicht derzeit mindestens einmal pro Woche eine Änderung. Allein in den vergangenen Tagen ist eine Fülle neuer Schreiben ergangen, deren Inhalte nachfolgend kurz vorgestellt werden.

Ort der sonstigen Leistung

Die EU-Durchführungsverordnung zur Mehrwertsteuer-Richtlinie hat mit Wirkung vom 01.07.2011 die Anwendung der Ortsregelungen für sonstige Leistungen konkretisiert. Sie ist in den EU-Mitgliedstaaten unmittelbar anzuwenden. Die Auswirkungen auf die Verwaltungsauffassung finden in den entsprechenden Regelungen des UStAE ihren Niederschlag. Die Regelungen sind auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 30.06.2011 ausgeführt werden.

Vorsteuervergütungsverfahren

Ein anderes Schreiben löst Anwendungsprobleme beim Zusammentreffen des allgemeinen Besteuerungsverfahrens und des Vorsteuervergütungsverfahrens in sogenannten Mischfällen ab dem 01.01.2010. Im Laufe eines Kalenderjahres kann der Fall eintreten, dass die Vorsteuerbeträge eines im Ausland ansässigen Unternehmers abschnittsweise im Wege des Vorsteuervergütungsverfahrens zu vergüten oder im Wege des allgemeinen Besteuerungsverfahrens von der Steuer abzuziehen sind. Dies führt in der Praxis zu Anwendungsproblemen. Um dies zu vermeiden, endet die Zuständigkeit des Bundeszentralamtes für Steuern vom Beginn des Voranmeldungszeitraums an, in dem erstmalig das allgemeine Besteuerungsverfahren durchzuführen ist.

Der im Ausland ansässige Unternehmer hat seine Vorsteuerbeträge für diesen Voranmeldungszeitraum und für die weiteren verbleibenden Voranmeldungszeiträume des Kalenderjahres im allgemeinen Besteuerungsverfahren geltend zu machen. Erfüllt er im Jahresverlauf erneut die Voraussetzungen des Vorsteuervergütungsverfahrens, bleibt es für dieses Kalenderjahr bei der Zuständigkeit des Finanzamts. Ein unterjähriger Wechsel vom allgemeinen Besteuerungsverfahren zum Vorsteuervergütungsverfahren ist somit nicht möglich.

Ab dem Zeitraum, ab dem erstmalig die Voraussetzungen für das allgemeine Besteuerungsverfahren vorliegen, hat der Unternehmer eine Voranmeldung abzugeben und die abziehbaren Vorsteuerbeträge durch Vorlage der Rechnung und Einfuhrbelege im Original nachzuweisen.
Diese Regelungen sind in allen offenen Fällen anzuwenden.

Übertragung immaterieller Wirtschaftsgüter

Der EuGH hatte 2009 entschieden, dass die Übertragung eines Lebensrückversicherungsvertrags eine sonstige Leistung und keine Lieferung darstellt. Denn diese Verträge haben zum einen keine körperlichen Gegenstände zum Inhalt, zum anderen hat das Urteil auch Auswirkungen auf die Übertragung anderer immaterieller Wirtschaftsgüter wie z.B. eines Firmenwerts oder eines Kundenstamms. Die Übertragung solcher immaterieller Wirtschaftsgüter ist ebenfalls eine sonstige Leistung.

Als sonstige Leistungen kommen nunmehr neben Dienstleistungen, Gebrauchs- und Nutzungsüberlassungen insbesondere auch die Übertragung immaterieller Wirtschaftsgüter wie z.B. Firmenwert, Kundenstamm oder Lebensrückversicherungsverträge in Betracht.

Diese Grundsätze sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Aus Vereinfachungsgründen wird es jedoch nicht beanstandet, wenn der Unternehmer eine vor dem 01.07.2011 vorgenommene Übertragung von immateriellen Wirtschaftsgütern abweichend hiervon als Lieferung behandelt.

Eintrittsberechtigung für Theater, Konzerte und Museen usw.

Die Umsatzsteuer ermäßigt sich auf 7 % für die Eintrittsberechtigung für Theater, Konzerte und Museen sowie die den Theatervorführungen und Konzerten vergleichbaren Darbietungen ausübender Künstler. Nach dem Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder unterliegen auch die Umsätze von Ticket-Eigenhändlern aus dem Verkauf von Eintrittsberechtigungen für Theater, Konzerte und Museen dem ermäßigten Steuersatz.

Werden bei Theatervorführungen und Konzerten mehrere Veranstalter tätig, kann jeder Veranstalter die Steuerermäßigung in Anspruch nehmen. Bei Tournee-Veranstaltungen steht deshalb die Steuerermäßigung sowohl dem Tournee-Veranstalter als auch dem örtlichen Veranstalter und dem Ticket-Eigenhändler zu. Auf Vermittlungsleistungen ist die Steuerermäßigung hingegen nicht anzuwenden.

Diese Regelung ist in allen offenen Fällen anzuwenden.

Erteilung der Abnehmerbestätigung

Zur Erteilung einer Abnehmerbestätigung genügt es, wenn der Ausführer einen in einem Drittland ausgestellten Pass vorweist, in dem ein Aufenthaltstitel für einen drei Monate übersteigenden Aufenthalt in Deutschland oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat eingetragen ist, soweit diese Erlaubnis noch nicht abgelaufen oder nach ihrem Ablauf noch kein Monat vergangen ist.

Die Abnehmerbestätigung wird jedoch nicht versagt, wenn

  • der Ausführer einen in einem Drittland ausgestellten Pass vorweist, in dem ein Aufenthaltstitel im Sinne des Aufenthaltsgesetzes durch eine Auslandsvertretung eines anderen EU-Mitgliedstaates für die Dauer von 180 Tagen eingetragen ist und mit dem kein Titel für einen gewöhnlichen Aufenthalt oder Wohnsitz in diesem anderen EU-Mitgliedstaat erworben wurde,
  • der Ausführer einen Pass vorweist, in dem zwar eine Aufenthaltserlaubnis eingetragen ist, die formell noch nicht abgelaufen ist, er aber gleichzeitig eine Abmeldebestätigung vorlegt, die mindestens sechs Monate vor der erneuten Ausreise ausgestellt worden ist
  • oder der Ausführer nur eine Aufenthaltserlaubnis in der Form des Visums einer Auslandsvertretung Deutschlands oder eines anderen Mitgliedstaates besitzt, die zu mehrmaligen Einreisen in die Gemeinschaft berechtigt.

Die Grundsätze dieser Regelung sind in allen offenen Fällen anzuwenden.

Unternehmereigenschaft des geschäftsführenden Komplementärs

Der BFH hat 2010 entschieden, dass die Tätigkeit eines geschäftsführenden Komplementärs einer KG umsatzsteuerrechtlich nicht selbständig ausgeübt werden kann. Dies wird im Umsatzsteuer-Anwendungserlass berücksichtigt, indem auf dieses BFH-Urteil verwiesen wird.

Für vor dem 01.07.2011 ausgeführte Umsätze wird es nicht beanstandet, wenn die Tätigkeit eines Gesellschafters einer Personengesellschaft trotz eines gesellschaftsvertraglich vereinbarten Weisungsrechts der Gesellschaft als selbständig behandelt wird.

Umsatzbesteuerung von Anzahlungen

Anzahlungen können auch in Lieferungen oder sonstigen Leistungen bestehen, die im Rahmen eines Tauschs oder tauschähnlichen Umsatzes als Entgelt oder Teilentgelt hingegeben werden. Dabei ist eine Lieferung oder sonstige Leistung bereits in dem Zeitpunkt als Entgelt oder Teilentgelt anzusehen, in dem dem Leistungsempfänger ihr wirtschaftlicher Wert zufließt. Eine Vereinnahmung der Anzahlung durch den Leistungsempfänger wird in diesen Fällen nicht dadurch ausgeschlossen, dass diese Leistung selbst noch nicht als ausgeführt gilt und die Steuer hierfür noch nicht entstanden ist.

Diese Grundsätze sind in allen offenen Fällen anzuwenden.

Praxishinweis

Der UStAE hat zum 01.11.2010 die Umsatzsteuer-Richtlinien abgelöst. Er ist zeitlich nicht befristet und wird laufend aktualisiert. Anders als bei den Umsatzsteuer-Richtlinien orientiert sich der Anwendungserlass in der Nummerierung seiner Abschnitte an den Paragraphen des UStG, was die Zuordnung der Verwaltungsanweisungen zu den gesetzlichen Vorschriften erleichtert.

Das BMF stellt das Inhaltsverzeichnis zum UStAE online zur Verfügung. Es handelt sich dabei um eine zum sofortigen Download bereitgestellte aktuelle, konsolidierte Fassung, die mit den jeweiligen Inhalten verlinkt ist; die Nutzung ist damit stark vereinfacht worden. Interessierte Unternehmen finden die Ausführungen auf den Internet-Seiten des BMF unter den Veröffentlichungen zu den Steuerarten, Unterrubrik Umsatzsteuer, Umsatzsteuer-Anwendungserlass. Die dortige Tabelle enthält den Umsatzsteuer-Anwendungserlass vom 01.10.2010 und BMF-Schreiben, durch die der Erlass anschließend verändert wurde. Außerdem enthält die Tabelle die jeweils zum 31. Dezember eines Jahres geltende Fassung des Anwendungserlasses.

BMF-Schreiben v. 10.06.2011 - IV D 3 - S 7359/11/10001
BMF-Schreiben v. 7.06.2011 - IV D 3 - S 7359/11/10001
BMF-Schreiben v. 8.06.2011 - IV D 2 - S 7100/08/10009 :001
BMF-Schreiben v. 10.06.2011 - IV D 2 - S 7238/10/10001
BMF-Schreiben v. 12.05.2011 - IV D 3 - S 7134/10/10001
BMF-Schreiben v. 02.05.2011 - IV D 2 - S 7104/11/10001, BStBl I 2011, 490
BMF-Schreiben v. 15.04.2011 - IV D 2 - S 7270/10/10001
EuGH, Urt. v. 22.10.2009 - C-242/08
BFH, Urt. v. 14.04.2010 - XI R 14/09, BStBl II 2011, 433

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 21.06.11