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OFD Münster zum Splittingtarif für eingetragene Lebenspartnerschaften

Die Ungleichbehandlung von Eheleuten und eingetragenen homosexuellen Lebenspartnern war bekanntlich verfassungswidrig. Nach einem vom BVerfG veröffentlichten Beschluss müssen eingetragene Lebenspartner auch vom Ehegattensplittung profitieren können.

Das BVerfG hat den Gesetzgeber verpflichtet, den festgestellten Verfassungsverstoß unverzüglich rückwirkend zum Zeitpunkt der Einführung des Instituts der Lebenspartnerschaft zu beseitigen, und als Übergangsregelung angeordnet, dass die Regelungen zu Eheleuten bis zum Inkrafttreten der geforderten gesetzlichen Neuregelung mit der Maßgabe anwendbar bleiben, dass auch eingetragene Lebenspartner, deren Veranlagungen noch nicht bestandskräftig durchgeführt sind, mit Wirkung ab dem 01.08.2001 unter den für Ehegatten geltenden Voraussetzungen eine Zusammenveranlagung und die Anwendung des Splittingverfahrens beanspruchen können.

Nun erläutert die Verwaltung in einem Zehn-Punkte-Plan die vorläufige Vorgehensweise:

  1. Die Umsetzung der Entscheidung bedarf noch einer näheren Prüfung, daher wird zunächst mit einer Übergangslösung verfahren.
  2. Anträge auf Zusammenveranlagung eingetragener Lebenspartner werden ab sofort nicht mehr abgelehnt.
  3. Die Bekanntgabe von Steuerbescheiden auf der Grundlage einer Einzelveranlagung ist nach der Entscheidung des BVerfG nicht mehr zulässig.
  4. Wenn betroffene Steuerpflichtige die Anwendung der Entscheidung in noch offenen Einkommensteuerveranlagungen beantragen, werden diese informiert, dass die Umsetzung der Entscheidung erst nach Klärung der noch offenen Fragen erfolgen kann.
  5. Betroffene werden per Mustertext darauf hingewiesen, dass die Finanzverwaltung derzeit die Möglichkeiten der Umsetzung der Entscheidung des BVerfG prüft. Bis dahin bittet sie um Geduld.
  6. Die Urteilsgrundsätze sind über den entschiedenen Einzelfall hinaus erst nach Veröffentlichung der Entscheidung im Bundesgesetzblatt anwendbar.
  7. In allen anhängigen Einspruchsverfahren wird Aussetzung der Vollziehung gewährt, weil die Unrechtmäßigkeit der Bescheide augenfällig ist.
  8. Einkommensteuer-Vorauszahlungen werden nicht mehr auf der Basis der Ergebnisse einer Einzelveranlagung festgesetzt, sondern vielmehr an die Einkommensteuer angepasst, die sich für den Veranlagungszeitraum voraussichtlich ergeben wird. Im maschinellen Verfahren ist eine Umsetzung derzeit nicht möglich.
  9. Aufgrund diverser anhängiger Verfahren bestanden bisher jedoch keine Bedenken, Einsprüche mit Zustimmung des Einspruchsführers ruhen zu lassen und auf Antrag Aussetzung der Vollziehung zu gewähren.
  10. Gehen im Lohnsteuerabzugsverfahren beim Finanzamt neue Anträge auf Vergabe der Steuerklassen III bis V ein, wird zunächst weiterhin nach dem Schema vor dem Beschluss aus Karlsruhe vorgegangen. Dies bedeutet, dass die nach dem bisherigen Gesetzestext nur für Ehegatten vorgesehenen Steuerklassen im Wege der Aussetzung der Vollziehung auch für Lebenspartner angewendet werden.

Blick in die Vergangenheit

Seit August 2001 können zwei Personen gleichen Geschlechts eine Lebenspartnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) begründen. Das Rechtsinstitut der Lebenspartnerschaft ist zwar dem Rechtsinstitut der Ehe nachempfunden, entspricht dieser aber nicht. Im LPartG wurde eine Vielzahl von Rechtsvorschriften im Hinblick auf die Einführung der Lebenspartnerschaft angepasst, steuerrechtliche Regelungen waren jedoch nicht Gegenstand des Gesetzes.

Das EStG ließ deshalb nach bisheriger Auffassung lediglich die Zusammenveranlagung von Ehegatten zu, setzte also das Bestehen einer Ehe zwischen Personen unterschiedlichen Geschlechts voraus. Lebenspartnern i.S.d. LPartG stand die Zusammenveranlagung hiernach wegen des eindeutigen Wortlauts - ebenso wie die getrennte Veranlagung von Ehegatten und die besondere Veranlagung im Jahr der Eheschließung - nicht offen. Entsprechende Anträge waren deshalb abzulehnen und für die Lebenspartner Einzelveranlagungen durchzuführen.

Praxishinweis

Lebenspartnern stehen nicht nur die Zusammenveranlagung, sondern ebenso die getrennte Veranlagung von Ehegatten und die besondere Veranlagung im Jahr der Eheschließung und das Verwitweten-Splitting offen.

Durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 wurden die Veranlagungsarten für Eheleute von bisher sieben möglichen auf nur noch vier mögliche Veranlagungs- und Tarifvarianten für Ehegatten reduziert. Ab dem Veranlagungszeitraum 2013 fallen die getrennte Veranlagung mit Grundtarif und die besondere Veranlagung mit Grundtarif oder Witwensplitting weg. Nun verbleiben noch:

  1. Einzelveranlagung mit Grundtarif,
  2. sog. Sondersplitting im Trennungsjahr (Einzelveranlagung mit Sonder-Splitting im Trennungsjahr),
  3. sog. Verwitwetensplitting (Einzelveranlagung mit Verwitweten-Splitting),
  4. Zusammenveranlagung mit Ehegatten-Splitting.

Ehegatten haben ab 2013 ein Veranlagungswahlrecht zwischen der Einzel- und der Zusammenveranlagung.

OFD Münster, akt. Kurzinfo ESt 48/2003 v. 10.06.2013
BVerfG, Beschl. v. 07.05.2013 - 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07
Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften v. 16.02.2001, BGBl 2001 I 266

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 25.06.13