Franz Pfluegl © fotolia.de

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Sachwertverfahren bei besonders ausgestatteten Immobilien

Für die Berechnung des Wertes vererbter und verschenkter Ein-und Zweifamilienhäuser kommen im Regelfall Gebäudeertragswerte [(Jahresmiete -Bewirtschaftungskosten - Bodenverzinsung) x Vervielfältiger] zum Ansatz. Zwarsoll der Preis vorrangig aus Verkäufen vergleichbarer Immobilien ermitteltwerden. Während bei Eigentumswohnungen eher Referenzwerte aus der Nachbarschaftvorhanden sind, ist das beim Ein- und Zweifamilienhaus in der Praxis seltener gegeben,da diese nicht in genügender Anzahl vorliegen. Sind weder der Vergleichswertnoch eine übliche Miete ermittelbar, ist das Sachwertverfahren maßgebend.

Vergleichs- und Ertragsverfahren kommen nach einem aktuellenUrteil des BFH nicht zum Einsatz, wenn Grundstücke sich durch ihre besondereGestaltung oder Ausstattung wesentlich von herkömmlichen Wohnungen abheben.Denn der Preis von Mietwohngrundstücken wird nur dann im pauschalen Ertragswertverfahrenermittelt, wenn innerhalb derselben Region nach Art, Lage und Ausstattungvergleichbare vermietete Objekte vorhanden sind. Außergewöhnlich gestalteteHäuser sind jedoch nur in Ausnahmefällen vermietet, sondern werden in der Regelvom Eigentümer und seiner Familie selbst bewohnt, weil nur der Eigentümer bereitist, den besonderen Aufwand für die Annehmlichkeit des Wohnens nach seinerVorstellung zu tragen.

Entschieden wurde über ein großes Grundstück an einem See.Das Wohngebäude hat einen kreuzförmigen Grundriss und verfügt über Erd-, Ober-und ausgebautes Dachgeschoss sowie über zwei Untergeschosse. Alle Etagen sindüber einen Personenaufzug erreichbar. Im Erdgeschoss befinden sich ein Teil derHauptwohnung, das Herren-Bibliothekszimmer, Esszimmer, Küche, Anrichte,Eingangshalle und Windfang sowie eine Einliegerwohnung. Dem Wohnzimmer zurSeeseite vorgelagert ist eine große Terrasse, der Eingangsbereich ist mit einervon Säulen getragenen Überdachung versehen. Unter dem Wohnhaus befinden sichSchwimmbad, Whirlpool, Fitness- und Ruheraum, Trockensauna, Dampfbad,Tauchbecken, Solarium, Personalküche mit Garderobe und Bad, Wirtschaftsraum mitWaschküche sowie mehrere Vorrats- und Lagerräume

Solche besonders ausgestatteten Immobilien heben sich von herkömmlichenWohnungen ab. Deswegen ist das individuelle Sachwertverfahren anzuwenden. DerBFH betont, dass bei solchen und vergleichbaren Konstellationen nicht mehr die üblicheMiete mit einem Zuschlag auf die höchsten im Mietspiegel ausgewiesenen Preise geschätztwerden kann, weil das Ertragswertverfahren dann eine mit dem Gleichheitssatznicht vereinbare Bevorzugung gegenüber herkömmlichen Ein- und Zweifamilienhäusernwäre. Eine Schätzung aufgrund von Mietspiegeln setzt voraus, dass diese aus dentatsächlich gezahlten Mieten für Wohnungen gleicher oder ähnlicher Art, Lageund Ausstattung abgeleitet wurden. Für Objekte, die sich durch besondereGestaltung oder Ausstattung wesentlich von normalen Wohnungen abheben, ist diesrealitätsfern.

Auf die besondere Ausstattung einer Immobilie können etwahinweisen:

  • Verwendung von wertvollem Material,
  • Wohnfläche ab 220 Quadratmeter,
  • größeres Schwimmbecken,
  • individuelle Gestaltung, die keine Trennung der einzelnen Bereiche des Hauses in mehrere Hauptwohnungen ermöglicht, oder
  • Grundstück mit ganz besonderem, einmaligem Charakter, das tatsächlich nicht vermietet wird.

Praxishinweis

Die mit dem Erbschaftsteuerreformgesetz 2009 neu geregelte Sonderbehandlungnach dem Sachwertverfahren bringt in der Praxis meist höhere Preise als derAnsatz von ortsüblichen Mieten oder von Vergleichspreisen, weil sich in derenHöhe die besondere Gestaltung oder Ausstattung nur unwesentlich widerspiegelt.Die Berechnung sieht wie folgt aus:

Regelherstellungskosten
x Bruttogrundfläche
= Gebäuderegelherstellungswert
- Alterswertminderung
= Gebäudesachwert
+ Bodenwert (Fläche x Bodenrichtwert je qm)
= Vorläufiger Sachwert
x Wertzahl
= Grundbesitzwert
+ Aktueller Bodenrichtwert für die gesamte Grundstücksfläche
- Abschlag 10 % bei zu Wohnzwecken vermieteten Immobilien
= Bemessungsgrundlage

Hinweis: Für Bewertungsstichtageab dem 01.01.2012 kommt es zu Anpassungen bei den Regelherstellungskosten und Gebäudeklassen.Dies wird anhand der Daten des Statistischen Bundesamts aktualisiert.

Das mit dem Erbschaftsteuerreformgesetz 2009 neu geregelte Sachwertverfahrenwird durch eine Anpassung des II. Teils der Anlage 24 des BewG (Regelherstellungskosten2010, einschließlich Baunebenkosten, Preisstand IV. Quartal 2010) überarbeitet.Dies wurde zur Gewährleistung der Ermittlung des gemeinen Werts imSachwertverfahren nach §§ 189 bis 191 BewG erforderlich. Mit der Präzisierungder Gebäudeklassen werden erste praktische Erfahrungen bei der Anwendung desErbschaftsteuerreformgesetzes umgesetzt. Die Regelherstellungskosten werden anhandder vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Baupreisindizes an dieEntwicklung der Baupreise angepasst.

Beschlussempfehlung desFinanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung derBeitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften(Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz – BeitrRUmsG) BT-Drs. 17/7469 v.26.10.2011
BFH, Urt. v. 06.07.2011 - II R 35/10

BFH, Urt. v. 12.02.1986 - II R192/78, BStBl 1986 II 320

BFH, Beschl. v. 30.01.2004 - II B105/02, BFH/NV 2004 763

BFH, Urt. v. 05.03.1986 - II R146/77, BStBl 1986 II 386

BFH, Urt. v. 11.11.1998 - II R 17/97,BFH/NV 1999 593

BFH, Urt. v. 20.09.2000 - II R7/99, BFH/NV 2001 428

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 08.11.11