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Schulden Leistungsempfänger die Steuer bald auch für Handys?

Seit Neujahr 2011 gilt auch bei der Lieferung von Industrieschrott, Altmetallen, sonstigen Abfallstoffen und Gold sowie bei der Reinigung von Gebäuden die Umkehr der Steuerschuldnerschaft. Nun soll das sogenannte Reverse-Charge-Verfahren um die Lieferung von Mobilfunkgeräten und integrierten Schaltkreisen erweitert werden.

Nach dem Sechsten Gesetz zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen, das der Bundestag am 14.04.2011 verabschiedet hat, soll der Handylieferant ab dem 01.07.2011 seinen Geschäftskunden Nettorechnungen ohne Umsatzsteuer ausstellen und der Empfänger entsprechend keine Vorsteuer abziehen können. Die Steuerschuld soll auf den Lieferungsempfänger übergehen und das gesamte Geschäft im Ergebnis ohne Umsatzsteuer abgerechnet werden. Da der Bundesrat dem Gesetz voraussichtlich in seiner Sitzung am 27.05.2011 zustimmen wird, steht seiner Verkündung noch vor dem zweiten Halbjahr nichts im Wege.

Die Regelung soll Umsatzsteuerausfälle in besonders betrugsanfälligen Bereichen bekämpfen und hat sich in den vergangenen Jahren auf immer mehr Bereiche ausgedehnt. Wie die Praxis zeigt, wird auch bei Lieferungen von Mobilfunkgeräten und integrierten Schaltkreisen vielfach die Steuer dem Abnehmer zwar in Rechnung gestellt und von diesem als Vorsteuer abgezogen, vom liefernden Unternehmer aber nicht an den Fiskus abgeführt. Und wegen der Zahlungsunfähigkeit des leistenden Unternehmers können die Finanzämter den Umsatzsteueranspruch häufig nicht mehr durchsetzen. Dies soll durch die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers vermieden werden, indem Steuerschuld und Vorsteuerabzug beim Leistungsempfänger zusammenfallen.

Das Reverse-Charge-Verfahren erweitert sich ab dem 01.07.2011 konkret um die Lieferungen von

  • Mobilfunkgeräten, die zum Gebrauch mittels eines zugelassenen Netzes und auf bestimmten Frequenzen hergestellt oder hergerichtet wurden - unabhängig von weiteren Nutzungsmöglichkeiten -, und
  • integrierten Schaltkreisen wie Mikroprozessoren und Zentraleinheiten für die Datenverarbeitung vor dem Einbau in ein Endprodukt,

wenn die Summe der für die Lieferung berechneten Entgelte mindestens 5.000 € ausmacht. Dabei stellt man auf alle in einem zusammenhängenden wirtschaftlichen Vorgang gelieferten Gegenstände ab, um Manipulationen - etwa durch Aufspalten der Rechnungsbeträge - zu unterbinden. Werden Anzahlungen geleistet, kommt es für die Anwendung der Betragsgrenze also auf das Gesamtentgelt und nicht auf die in den Anzahlungs- und Endrechnungen angegebenen Teilentgelte an. Nachträgliche Entgeltsminderungen - etwa bei Rabatten - bleiben jedoch unberücksichtigt.

Bei der Lieferung von Mobilfunkgeräten und integrierten Schaltkreisen ist der Leistungsempfänger allerdings nur dann auch Steuerschuldner, wenn er Unternehmer ist. Bei Lieferungen an Nichtunternehmer - insbesondere Einzelhandel - bleibt es bei der Steuerschuld des leistenden Unternehmers - unabhängig vom Rechnungsbetrag.

Praxishinweis

Die Maßnahmen zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen in den betrugsanfälligen Bereichen müssen generell die steuerehrlichen Unternehmen „ausbaden“: Sie müssen komplizierte Abgrenzungen vornehmen und immer neue Pflichten beachten. Da die Neuerung bereits zum 01.07.2011 ohne Übergangsregelung in Kraft treten soll, bleibt den Unternehmen nur noch ein kleines Zeitfenster, um ihre innerbetrieblichen Abläufe und Kassensysteme umzustellen.

Immerhin will das BMF bis Mitte Juni 2011 ein Anwendungsschreiben veröffentlichen und klarstellen, welche Mobilfunkgeräte betroffen sind und wann integrierte Schaltkreise nicht in ein Endprodukt eingebaut wurden und somit nicht unter die Vorschrift fallen. Bei der Auslegung will sich das BMF an den Vorschlägen der Wirtschaft orientieren.

Beim Reverse-Charge-Verfahren - bei Mobilfunkgeräten und allen anderen Ausnahmeregelungen - gehen die beiden Parteien in ihrer eigenen Umsatzsteuer-Voranmeldung wie folgt vor:

  • Der Lieferant trägt seinen ohne Umsatzsteuer berechneten Ausgangsumsatz in der Zeile 40 netto ein - ohne Auswirkung auf seine Zahllast.
  • Der Empfänger, auf den die Steuerschuld übergegangen ist, meldet seinen Eingangsumsatz und die darauf entfallende (aber nicht gezahlte) Umsatzsteuer in Zeile 51. Gleichzeitig trägt er diesen Betrag in Zeile 58 als Vorsteuer ein, so dass im Ergebnis kein Geld an das und von dem Finanzamt fließt.

Sechstes Gesetz zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen, BT-Drs. 17/5127, 17/5201
§ 13b Abs. 2 Nr. 10, Abs. 5 Satz 1 zweiter Halbsatz UStG
Abschnitt 13b.1 UStAE
BMF-Schreiben v. 04.02.2011 - IV D 3 - S 7279/10/10006, BStBl I 2011, 156

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 24.05.11