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Umstrukturierungen bei Gesellschaften: Zuständigkeit des Finanzamts kann sich ändern

Kommt es bei Kapital- oder Personengesellschaften zu Umstrukturierungen, ändert sich oft die örtliche Zuständigkeit der Finanzämter, weil Sitz oder Geschäftsleitung des neuen Betriebs in einem anderen Bezirk liegen und die abgebende in der aufnehmenden Gesellschaft aufgeht. Das hat verfahrensrechtliche Konsequenzen, die nachfolgend als Checkliste dargestellt werden.

Man unterscheidet zwischen vier Konstellationen und Ausnahmefällen:

1. Verschmelzungsfälle

  • Kapital- auf Kapitalgesellschaft: Da ein Fall der Gesamtrechtsnachfolge vorliegt, tritt hinsichtlich der Körperschaftsteuer ein Zuständigkeitswechsel ein, wenn sich die Geschäftsleitung der untergegangenen und die der aufnehmenden Gesellschaft in den Bezirken verschiedener Finanzämter befinden. Gleiches gilt für die Umsatzsteuer und für die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags, wenn beide Unternehmen ganz oder vorwiegend von den Bezirken verschiedener Finanzämter aus betrieben werden.
  • Personen- auf Personengesellschaft: Zuständig ist das Finanzamt, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung dieser Personengesellschaft befindet. 
  • Personen- auf Kapitalgesellschaft: Eine Gesamtrechtsnachfolge tritt nur ein, wenn die Personengesellschaft Steuersubjekt war, somit nicht hinsichtlich der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Besteuerungsgrundlagen. Für die erloschene Personengesellschaft tritt also kein Zuständigkeitswechsel ein; für die Zuständigkeit hinsichtlich der Umsatzsteuer und für die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags gilt dies analog.

2. Formwechselnde Umwandlung

  • Umwandlung ohne Wechsel des Steuersubjekts: Dieser Fall führt nicht zu einer Gesamtrechtsnachfolge, da lediglich ein Wechsel der Rechtsform unter Wahrung seiner rechtlichen Identität vorliegt. Ein Zuständigkeitswechsel tritt somit nach den allgemeinen Grundsätzen dann ein, wenn mit der Umwandlung auch ein Wechsel des Ortes der Geschäftsleitung bzw. des Bezirks, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen ganz oder vorwiegend betreibt, verbunden ist. 
  • Umwandlung mit Wechsel des Steuersubjekts: Hier wird analog zu den unter 1. beschriebenen Verschmelzungsfällen verfahren.

3. Anwachsung

Hinsichtlich der gesonderten und einheitlichen Feststellungen der Besteuerungsgrundlagen tritt für die beendete Personengesellschaft durch die Anwachsung kein Zuständigkeitswechsel ein, da insoweit keine Gesamtrechtsnachfolge vorliegt und der Ort der Geschäftsleitung der beendeten Personengesellschaft nicht in den Bezirk eines anderes Finanzamtes verlegt wird. Für die Umsatzsteuer und die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags hat das zur Folge, dass ein Zuständigkeitswechsel dann eintritt, wenn das Unternehmen der beendeten Personengesellschaft und das fortgeführte Einzelunternehmen ganz oder vorwiegend von den Bezirken verschiedener Finanzämter aus betrieben werden.

4. Aufspaltung

Für die aus der Aufspaltung hervorgegangenen Gesellschaften liegt eine mehrfache örtliche Zuständigkeit vor, wenn sich die Orte der Geschäftsleitung, also die Bezirke, von denen aus die Unternehmer ihre Unternehmen vorwiegend betreiben, in den Bezirken verschiedener Finanzämter befinden. Ist für eine aus der Aufspaltung hervorgegangene Gesellschaft das Finanzamt sachlich und örtlich zuständig, das bisher für die Besteuerung der durch Aufspaltung erloschenen Gesellschaft zuständig war, soll dieses Finanzamt auch für die Besteuerung der untergegangenen Gesellschaft örtlich zuständig bleiben.

Ausnahmen

Folgende Sonderfälle sind zu beachten:

  • Für alle Umwandlungsfälle, in denen die sachliche Zuständigkeit durch Rechtsverordnung aufgrund einer bestehenden Konzentration besteht, ist dies vorrangig zu beachten.
  • Abweichende Zuständigkeitsvereinbarungen schließen die unter 1. bis 4. genannten Regelungen aus, falls dies zweckmäßig erscheint.
  • Auch wegen der Fortführung bereits begonnener Verfahren gelten erst einmal die unter 1. bis 4. genannten Regelungen nicht generell.
  • Für die Durchführung von Außenprüfungen kann es zweckmäßig sein, das bisher für die Besteuerung der untergehenden Gesellschaft zuständige Finanzamt mit den Prüfungen zu beauftragen. 
  • Fallen aufgrund von Sonderregelungen die Zuständigkeit für die gesonderte und einheitliche Feststellung, die Umsatzsteuer und die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags auseinander, wird grundsätzlich eine Bündelung durch Zuständigkeitsvereinbarung bei einem Finanzamt angestrebt, um ein Auseinanderfallen der örtlichen Zuständigkeit für das Besteuerungsverfahren der Personengesellschaft zu vermeiden.

Praxishinweis

Eine Anwachsung (Nr. 3) liegt vor, wenn aus einer Personengesellschaft ein Gesamthänder ohne Weiteres ausscheidet. In diesem Fall wächst die Beteiligung des Ausscheidenden den übrigen Gesamthändern kraft Gesetzes ohne besonderen Übertragungsakt an. Eine Anwachsung liegt auch dann vor, wenn alle Gesellschafter bis auf einen ausscheiden und keine Gesamthandsgemeinschaft mehr gegeben ist. Handelsrechtlich wächst dem verbleibenden letzten Gesellschafter der vormals zwei- bzw. mehrgliedrigen Personengesellschaft das Vermögen der - ohne Liquidation aufgelösten - Personengesellschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge zu.

Ausgehend von dieser rechtlichen Beurteilung ergibt sich daher zur Frage der örtlichen Zuständigkeit im Falle der Anwachsung unter Vollbeendigung einer Personengesellschaft das unter Nr. 3 Genannte.

FinMin Nordrhein-Westfalen, Erlass v. 20.04.2012 - S-0127-802
BFH, Urt. v. 18.09.1980 - V R 175/74, BStBl 1981 II 293
BFH, Urt. v. 13.12.2007 - IV R 91/05

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 31.07.12