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Werbungskosten bei Veruntreuung von Instandhaltungsrücklagen

Die Veruntreuung von Instandhaltungsrücklagen durch den Hausverwalter kann beim betrogenen Wohnungseigentümer steuermindernd als Werbungskosten berücksichtigt werden. Das gelingt bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung noch nicht mit der Tat an sich, sondern erst in dem Jahr, in dem der Wohnungseigentümer erstmals von der Entreicherung Kenntnis erlangt und der Betrüger die Mittel nicht postwendend im gleichen Jahr wieder zurückzahlt.

Dieser Tenor ergibt sich aus einem aktuellen Urteil des FG Rheinland-Pfalz, wonach Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung als Werbungskosten abgezogen werden können, bei denen

  • objektiv ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit der Vermietung und Verpachtung besteht, 
  • subjektiv eine Ausgabe zur Förderung der Nutzungsüberlassung gemacht wird.

Zu den Werbungskosten können darüber hinaus aber auch noch Wertabgaben gehören, die einen Steuerpflichtigen unfreiwillig treffen. Das sind solche, die der Steuerpflichtige ohne oder gegen seinen Willen im Rahmen der Einkünfteerzielung tätigen muss. Für den Abzug derartiger Aufwendungen kommt es entscheidend darauf an, ob das auslösende Moment für die Wertabgabe im Bereich der Einkünfteerzielung liegt. Die Anwendung ist nicht auf die Einkunftsart Vermietung beschränkt. Für den Zeitpunkt des Ansatzes von Werbungskosten gilt bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung das sog. Abflussprinzip: Ausgaben sind für das Kalenderjahr anzusetzen, in dem sie geleistet worden sind.

Bei Beiträgen zu Instandhaltungsrücklagen gelten jedoch andere Regeln, und dies sowohl nach der Rechtsprechung des BFH als auch nach der Verwaltungsauffassung. Die Beiträge können nämlich noch nicht im Zeitpunkt ihrer Einzahlung, sondern erst im Zeitpunkt ihrer Verausgabung als Werbungskosten berücksichtigt werden. Abzustellen ist insoweit auf den Zeitpunkt, in dem der Verwalter die Beiträge für die Wohnungseigentümergemeinschaft verausgabt. Sie sind zwar mit ihrer Einzahlung beim Eigentümer abgeflossen, gehören aber aus steuerrechtlicher Sicht nach wie vor zu seinem Vermögensbereich; der Veranlassungszusammenhang mit den Einkünften wird erst mit der Verausgabung durch den Verwalter hergestellt. Erst zu diesem Zeitpunkt ist klar, ob die Ausgaben dazu dienten, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen. Vorher gehen die Beiträge als Vorschüsse der einzelnen Wohnungseigentümer von der Rechtszuständigkeit des einzelnen Wohnungseigentümers in die Rechtszuständigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft über. Der einzelne Wohnungseigentümer ist in Höhe seiner Zahlungen als Eigentümer am Verwaltungsvermögen beteiligt. Wenn der Verwalter

  • die Rücklage tatsächlich für die Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums oder für andere Maßnahmen, die die Erzielung von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung bezwecken oder durch sie veranlasst sind, verausgabt, sind die Beiträge als Werbungskosten abziehbar;
  • die Rücklage für Maßnahmen verwendet, die zu Herstellungskosten führen, sind nur die entsprechenden Absetzungen für Abnutzung als Werbungskosten abziehbar.

Fazit: Veruntreute Instandhaltungsrücklagen stellen Werbungskosten dar. Jedoch ist nicht die Einzahlung in die Instandhaltungsrücklage als Verwendung dieser Mittel anzusehen. Vielmehr wurden die Rücklagen im Zeitpunkt der Veruntreuung durch den Hausverwalter verausgabt. Auslösendes Element für die Wertabgabe ist nämlich das kriminelle Verhalten des Verwalters, der vertragswidrig die Instandhaltungsrücklagen für eigene Zwecke verwendet. Durch die Veruntreuung der für die Instandhaltung gebildeten Rücklagen wurde die Wertabgabe von einem außenstehenden Dritten verursacht. Der Wertverlust tritt ohne oder gegen den Willen der Wohnungseigentümer ein, die die Einnahmen erzielen, und berührt auch nicht ihre private Lebensführung.

Nicht relevant ist in diesem Zusammenhang, ob der Hausverwalter in der Lage sein wird, die veruntreuten Beiträge zu ersetzen. Bei den Überschusseinkünften wirken sich nicht aus

  • das Entstehen einer Forderung zugunsten der Einkünfte, 
  • die Uneinbringlichkeit einer solchen Forderung zu Lasten der Einkünfte.

Von Bedeutung ist allein, ob und wann der Verwalter die Beiträge zurückerstattet; erst dann fließen Einnahmen zu - diesmal in die andere Richtung. Dabei hat der Abzug grundsätzlich in dem Jahr zu erfolgen, in das die Veruntreuungen fallen.

Praxishinweis

Voraussetzung für den Abfluss ist aber auch die Möglichkeit, von der objektiven Entreicherung Kenntnis zu nehmen. Insofern ist abweichend vom tatsächlichen Abfluss bei späterer Aufdeckung der Veruntreuungen die Absetzung erst im Veranlagungszeitraum der Aufdeckung zulässig.

Für diese Sichtweise spricht auch die Rechtsprechung des BFH im Zusammenhang mit Zuflüssen von Zinseinnahmen im Rahmen von Schneeballsystemen. Der BFH geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Gutschriften aus Schneeballsystemen dann zu Einnahmen aus Kapitalvermögen führen, wenn der Betreiber des Schneeballsystems bei entsprechendem Verlangen des Anlegers zur Auszahlung des gutgeschriebenen Betrags leistungsbereit und leistungsfähig gewesen wäre. Entscheidend ist, ob der betrogene Sparer in seinem konkreten Fall eine Auszahlung hätte erreichen können, wenn er gewollt hätte.

Korrespondierend hierzu ist der Ansatz von Werbungskosten bei unfreiwilligen Ausgaben erst dann gerechtfertigt, wenn eine Auszahlung der eingezahlten Rücklagen nicht mehr zu erreichen ist, der Hausverwalter also nicht mehr leistungsfähig und -willig ist.

FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 24.01.2013 - 6 K 1973/10
BFH, Urt. v. 20.12.1994 - IX R 122/92, BStBl 1995 II 534
BFH, Urt. v. 26.01.1988 - IX R 119/83, BStBl 1988 II 577
BFH, Beschl. v. 05.10.2011 - I R 94/10
BFH, Beschl. v. 09.12.2008 - IX B 124/08
BFH, Urt. v. 16.03.2010 - VIII R 4/07

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 02.04.13