§ 611a BGB: Die Abgrenzung von Leiharbeitsverträgen zu anderen Vertragsarten

Die in Art. 2 AÜGÄndG enthaltene Einfügung des § 611a BGB ins Bürgerliche Recht ist zu begrüßen:

„§ 611a Arbeitsvertrag

(1) Durch den Arbeitsvertrag wird der Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an.

(2) Der Arbeitgeber ist zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.“ [1]

Eine derartige Definition des Arbeitnehmerbegriffs in § 611a BGB stand seit 1896 aus, obwohl der Reichstag sie bei Verabschiedung des BGB angekündigt hatte.

Der Entwurf geht von der Konkretisierung des Arbeitsvertrags anhand der in der Rechtsprechung typologisch herausgearbeiteten Oberbegriffe der Weisungsgebundenheit und organisatorischen Eingliederung aus.

§ 611a BGB ist nur ein erster Schritt

Die Schaffung des § 611a BGB ist jedoch nur ein erster Schritt. Es fehlt nämlich noch der zweite Schritt in Gestalt der Umkehr der von den Gerichten angenommenen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast; denn gewöhnlich gelingt es keinem Leiharbeitnehmer, die hohen Anforderungen zu erfüllen, die das BAG an dessen Darlegungs- und Beweislast stellt:

„Macht ein Arbeitnehmer Rechte aufgrund der gesetzlichen Fiktion des § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG geltend, hat er die die Arbeitnehmerüberlassung rechtfertigenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen. Im Fall eines behaupteten Scheinwerkvertrags umfasst dies auch die Kenntnis der aufseiten der beteiligten Arbeitgeber handelnden und zum Vertragsabschluss berechtigten Personen von der tatsächlichen Vertragsdurchführung.“[2]

Da es auch auf Umstände ankommt, die die Arbeitnehmer gewöhnlich nicht kennen, ist im Schrifttum zu Recht vorgeschlagen worden, die Darlegungslast entsprechend der typischen Informationsverteilung neu zu verteilen.[3]

Der Auftraggeber sollte, wenn der Arbeitnehmer dargetan hat, dass er in seinem Betrieb beschäftigt wird, nachweisen, dass das im Rahmen eines echten Werk- oder Dienstvertrags geschieht, um den Rechtsfolgen der illegalen Arbeitnehmerüberlassung mit dem fingierten Arbeitsverhältnis zu entgehen.

Alternative: Leichtere Abgrenzung durch widerlegbare Vermutung

Alternativ kommt eine andere Erleichterung der Abgrenzung durch eine widerlegbare Vermutung in Betracht.

Wird ein Vertrag von den Vertragsparteien als Dienst- oder Werkvertrag bezeichnet, entspricht jedoch die tatsächliche Vertragsdurchführung zumindest teilweise derjenigen des Arbeitsvertrags, wird widerlegbar vermutet, dass zwischen den Vertragsparteien ein Arbeitsverhältnis besteht.

So würde das Problem der Leistungskonkretisierung durch personenbezogene und typengemischte Weisungen (objekt- und personenbezogene Weisung) widerlegbar zugunsten des Arbeitsvertrags aufgelöst. Hier gibt es also auch nach Schaffung von § 611a BGB weiterhin Handlungsbedarf.


[1]    Beschlussempfehlung und Bericht zum RegE AÜGÄndG, BT-Drucks. 18/10064, S. 6.

[2]    BAG, Urt. v. 15.04.2014 – 3 AZR 395/11, abrufbar unter www.bundesarbeitsgericht.de.

[3]    Vgl. Brors/Schüren, NZA 2014, 569.

 

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