Zeitarbeit: 18 Monate und dann Übernahme? Konkretisierung des Verbots der nicht vorübergehenden Überlassung

Das seit 2011 die Überlassungsdauer in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG begrenzende Merkmal „vorübergehend“ war bislang wenig bedeutsam für die Zeitarbeit; denn für die Ausfüllung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs ist bislang eine Konkretisierung durch die Rechtsprechung des BAG ausgeblieben.

Das holt jetzt die AÜG Novellierung 2017nach. Der Begriff „vorübergehend“ wird in § 1 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 1b AÜG näher konkretisiert.

Der betrieblichen Praxis und den Aufsichtsbehörden wird durch die Vorgabe einer Regelfrist von 18 Monaten bis zur Übernahme die notwendige Orientierungshilfe gegeben.

Um Missbrauch auszuschließen, wird nach § 1 Abs. 1b Satz 2 AÜG der Zeitraum vorheriger Überlassungen durch denselben oder einen anderen Verleiher an denselben Entleiher vollständig angerechnet. Das gilt jedoch nur, wenn zwischen den Einsätzen jeweils nicht mehr als drei Monate liegen.

Bedenken gegen die 18-Monate-Regelung

Gegen diese 18 Monate Regelung bei der Zeitarbeit werden sowohl rechtspolitische als auch unionsrechtliche Bedenken erhoben, weil die Art der Begrenzung ausschließlich arbeitnehmerbezogen ist.

Die neue Regelung verhindert nur, dass derselbe Leiharbeitnehmer vom Verleiher an denselben Entleiher ununterbrochen für 18 Monate überlassen wird.

Werden die 18 Monate Zeitarbeit durch die als Abstand vorgesehene Zeit von drei Monaten unterbrochen, beginnt die Frist neu und es kommt nicht zur Übernahme.

Damit werden in der Praxis bekannte Methoden des Untererlaufens einer Fristenregelung legalisiert. Das gilt sowohl für die Methode, Leiharbeitnehmer auf denselben Dauerarbeitsplatz nach Art des Ping-Pong-Spiels jeweils 18 Monate mit einer dreimonatigen „Ruhepause“ zu überlassen als auch für die Methode nach Art eines Karussells zunächst für 18 Monate den Leiharbeitnehmer X und dann für 18 Monate den Leiharbeitnehmer Y und dann wieder X etc. zu überlassen.

Mit der nach dem Koalitionsvertrag angestrebten „Rückführung auf die Kernfunktion der Leiharbeit“ dürfte nach der aufgezeigten Entwurfsbegründung sowie auch nach dem Selbstverständnis der Bundesregierung[1] an sich die Konkretisierung des Merkmals „vorübergehend“ nicht isoliert auf die Person des Leiharbeitnehmers bezogen („arbeitnehmerbezogen“) sein, sondern zumindest auch den Arbeitskräftebedarf („arbeitsplatzbezogen“) im Blick haben.

Nur dann wäre das Ziel erreichbar, die Verdrängung der Stammarbeitnehmer durch Leiharbeit zu verhindern.

Die ausschließlich arbeitnehmerbezogene Begrenzung der Überlassungsdauer auf 18 Monate, die nicht auf den Arbeitsplatz abstellt, ist rechtspolitisch gewollt.

Sie ist als Entgegenkommen gegenüber den Arbeitsgeberverbänden zu verstehen, die darauf bestanden haben. Unerheblich ist, dass diese politische Entscheidung im Widerspruch zu Teilen der Entwurfsbegründung steht.

Danach soll nämlich mit der Begrenzung der Überlassungsdauer „die Funktion der Arbeitnehmerüberlassung als Instrument zur zeitlich begrenzten Deckung eines Arbeitskräftebedarfs“ geschärft werden.[2]

Zudem besteht ein Widerspruch zu dem vom Gesetzgeber verfolgten Ziel: „Einer dauerhaften Substitution von Stammbeschäftigten wird entgegengewirkt.“[3] Derartige Widersprüche sind bei einer auf Kompromissen angelegten Gesetzgebung wohl nicht zu vermeiden.

Unionsrechtliches Risiko beim Kompromiss rund um die Übernahme nach 18 Monaten

Für die gefundene Kompromisslösung besteht ein unionsrechtliches Risiko. Die gegen die Lösung vorgebrachten unionsrechtlichen Bedenken betreffen die Vereinbarkeit mit den Anforderungen der EU-Leiharbeitsrichtlinie 2008/104/EG.[4]

Die Arbeitnehmerüberlassung soll nach dem Erwägungsgrund 11 der EU-Leiharbeitsrichtlinie einem Flexibilisierungsbedarf des Entleihers Rechnung tragen.

Nach Art. 5 Abs. 5 der EU-Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten zudem Maßnahmen gegen einen Missbrauch durch aufeinanderfolgende Überlassungen ergreifen.[5]

Wird „vorübergehend“ nur im Sinne eines zeitlich begrenzten Einsatzes eines bestimmten Zeitarbeitnehmers definiert, werden aufeinanderfolgende Überlassungen zur Bewältigung von Daueraufgaben zugelassen.

Das hatten bereits einige Obergerichte erkannt.[6] Da der Gesetzgeber über die unionsrechtlichen Bedenken hinweggegangen ist, kann mit einem Ersuchen des EuGH um Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV gerechnet werden. Vorlageberechtigt ist jedes Arbeits- und Landesarbeitsgericht. Vorlagepflichtig ist nur das BAG.

 


[1]    Antwort der Bundesregierung auf Anfrage, BT-Drucks. 18/421, S. 2.

[2]    RegE AÜGÄndG, BT-Drucks. 18/9232, S. 14.

[3]    RegE AÜGÄndG, Begründung zu § 1 Abs. 1a und 1b AÜG-E, BT-Drucks. 18/9232, S. 20.

[4]    Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 19.11.2008 über Leiharbeit, ABlEG Nr. L 327/9 (EU-Leiharbeitsrichtlinie).

[5]    Vgl. Düwell, ZESAR 2011, 449, 450; Forst, ZESAR 2011, 316, 317; Ulber, AuR 2010, 10, 11; Brors, ArbuR 2013, 108.

[6]    LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 21.08.2014 – 10 TaBV 671/14, JurionRS 2014, 30595; LAG Schleswig-Holstein, Beschl. 08.01.2014 – 3 TaBV 43/13, DB 2014, 489.

 

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