AÜG und Betriebsrat: Der Entleiherbetriebsrat wird gestärkt

Die Rechte der Betriebsräte im Entleiherbetrieb werden durch das neue AÜG ausgebaut. Dazu werden die Informations- und Unterrichtungsrechte des Betriebsrats beim Einsatz von Fremdpersonal konkretisiert.

Die bereits von der Rechtsprechung im Wege der Auslegung entwickelten Informationsrechte von Betriebsräten sind durch die Änderungen des BetrVG in Art. 3 des AÜGÄndG definiert und ausgebaut.

Die Reichweite des in § 80 Abs. 2 BetrVG enthaltenen Rechts der Betriebsräte auf Auskünfte und Vorlage von Unterlagen wird insoweit durch die Übernahme der Rechtsprechung gesetzlich klargestellt.

Danach haben Betriebsräte das Recht, sich über die Anzahl und die vertragliche Ausgestaltung der im Betrieb eingesetzten Erfüllungsgehilfen der Werk- und Dienstvertragsauftragnehmer zu informieren. Nur so können Betriebsräte beurteilen, ob diese Verträge Scheinverträge sind, mit der illegale Arbeitnehmerüberlassung verdeckt wird.

Es wurde auch das Recht des Betriebsrats auf Unterrichtung über Maßnahmen der Personalplanung im neu gefassten § 92 Abs. 1 Satz 1 BetrVG erweitert; denn angesichts des zunehmenden betrieblichen Einsatzes von Personen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber stehen, besteht ein berechtigtes Bedürfnis, diese Entwicklung bei den Erörterungen zur Personalplanung nach § 90 Abs. 2 BetrVG berücksichtigen zu können.

Konsequent wird die schuldhafte Nichterfüllung dieser Pflicht nach § 121 Abs. 1 BetrVG als neue Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis 10.000 € geahndet.

Weitergehende Forderungen der Sachverständigen wurden nicht übernommen

Nicht übernommen wurde eine im Zuge der Sachverständigenanhörung erhobene weitere Forderung zur Erhöhung der Transparenz gegenüber den Gesellschaftern und Aktionären von Kapitalgesellschaften.

Das in vielen Unternehmen übliche Headcounting sollte transparent gemacht werden. Das betrifft die Praxis, Vorständen und Geschäftsführungen Höchstzahlen für die Anzahl der zu beschäftigenden Stammarbeitnehmer im Rahmen von Zielvereinbarungen vorzugeben.

Diese Praxis verleitet dazu, Stammarbeitnehmer ohne betriebswirtschaftlichen Sinn abzubauen und durch Personen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber stehen, zu ersetzen.

Da die Kosten dieser Fremdbeschäftigten nicht als Personalkosten geführt, sondern unter Einkauf verbucht werden, wäre es im Interesse der Transparenz geboten, wie bei der Personalplanung auch im Rahmen des Jahresabschlusses die Entwicklung der Zahl und der Kosten dieser Fremdbeschäftigung zu veröffentlichen.

Der zur Zeit im Justizministerium erstellte Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen könnte dieses Problem einbeziehen.

Zwei-Komponenten-Theorie wird abgelöst

Zusätzlich stellt der Gesetzgeber klar, dass die sogenannte Zwei-Komponenten-Theorie, die früher vom Siebten Senat des BAG vertreten worden ist und zu dem Grundsatz führte „Wählen aber nicht Zählen“, abgelöst wird.

Der Gesetzgeber hat klargestellt, dass unabhängig von der Arbeitgeberstellung bei betriebsverfassungs- und unternehmensrechtlichen Schwellenwerten Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen sind. Er hat damit den Grundsatz vom Kopf auf die Füße gestellt: Wer wählt, der zählt. Dazu ist § 14 Abs. 2 AÜG neu gefasst worden.

Soweit Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes mit Ausnahme des § 112a BetrVG, des Europäischen Betriebsräte-Gesetzes[1] oder der aufgrund der jeweiligen Gesetze erlassenen Wahlordnungen eine bestimmte Anzahl oder einen bestimmten Anteil von Arbeitnehmern voraussetzen, sind Leiharbeitnehmer auch im Entleiherbetrieb zu berücksichtigen.

Soweit Bestimmungen des Mitbestimmungsgesetzes, des Montan-Mitbestimmungsgesetzes, des Mitbestimmungsergänzungsgesetzes, des Drittelbeteiligungsgesetzes, des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung, des SE- und des SCE-Beteiligungsgesetzes oder der aufgrund der jeweiligen Gesetze erlassenen Wahlordnungen eine bestimmte Anzahl oder einen bestimmten Anteil von Arbeitnehmern voraussetzen, sind Leiharbeitnehmer auch im Entleiherunternehmen zu berücksichtigen.

Das „Zählen“ wird jedoch durch eine Mindestdauer der Eingliederung eingeschränkt. Soweit die Anwendung eine bestimmte Anzahl oder einen bestimmten Anteil von Arbeitnehmern erfordert, sind Leiharbeitnehmer im Entleiherunternehmen nur zu berücksichtigen, wenn die Einsatzdauer sechs Monate übersteigt.


[1]    Gesetz über Europäische Betriebsräte (Europäische Betriebsräte-Gesetz – EBRG) i.d.F. der Bekanntmachung v. 07.12.2011, BGBl I, 2650.

 

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