Wann greift bei Lohnzuschlägen die Steuerbefreiung für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit? Der BFH hat klargestellt, dass auch „passive“ Reisezeiten von § 3b EStG umfasst sind. Eine besonders belastende Tätigkeit verlangt das Gesetz für die Steuerfreiheit demnach nicht. Ausreichend ist, dass der Arbeitnehmer im Interesse des Arbeitgebers einer letztlich grundlohnbewehrten Tätigkeit nachgeht.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 16.12.2021 (VI R 28/19) entschieden, dass als tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit jede zu den begünstigten Zeiten tatsächlich im Arbeitgeberinteresse ausgeübte Tätigkeit des Arbeitnehmers gilt. Spezielle Voraussetzungen an die Art der Tätigkeit sind nicht zu stellen.
Sachlage im Streitfall
Die Klägerin ist eine GmbH, die mit einer Profimannschaft an einer deutschen Profiliga teilnimmt. Die Berufssportler und Mannschaftsbetreuer sind dazu verpflichtet, auch an Wochenenden zu Auswärtsspielen anzutreten.
Der Arbeitgeber darf für die Reisen auch das entsprechende Verkehrsmittel bestimmen. Neben einem monatlichen Grundlohn erhielten die Spieler und Betreuer Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit in gesetzlich zulässiger Höhe.
Im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung beanstandete das Finanzamt (FA) die Behandlung der Vergütung der Beförderungszeiten als steuerfreie Zuschläge i.S.d. § 3b EStG. Die Nachversteuerung dieser Beträge wurde pauschal gem. § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG mit einem Steuersatz von 15 % vorgenommen.
Die Klägerin erhob auf den vom FA erstellten Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid Klage. Die Klage hatte vor dem Finanzgericht Erfolg. Der BFH wies die Revision des FA jedoch als unbegründet zurück.
Steuerfreie Zuschläge nach § 3b EStG
Zuschläge, die für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit über den regulären Arbeitslohn hinaus gezahlt werden, sind steuerfrei, soweit sie einen gewissen Anteil des regulären Arbeitslohns nicht übersteigen.
Der reguläre Arbeitslohn ist nach § 3b Abs. 2 Satz 1 erster Halbsatz EStG das dem Arbeitnehmer für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum regelmäßig zufließende Arbeitsentgelt. Dieses ist abzugrenzen von sonstigen Bezügen, wie z.B. Abfindungen, Arbeitnehmererfindervergütungen, Urlaubsgeldern, Gratifikationen oder Tantiemen.
Die Zahlung der Zuschläge hat zudem separat von dem laufenden Arbeitslohn und zweckbestimmt für die tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit zu erfolgen. Zur Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit i.S.d. § 3b Abs. 1 EStG zählt dabei nicht nur die direkt arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitszeit, sondern auch jede vom Arbeitgeber zu den begünstigten Zeiten verlangte Tätigkeit, die mit der eigentlichen Arbeit im Zusammenhang steht.
Als Nachweis sind zudem Einzelaufstellungen für die tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden außerhalb der regulären Arbeitszeit zu führen und bei Bedarf dem FA vorzulegen.
Anwendung der Grundsätze auf den Streitfall
Mit der Unterzeichnung der Arbeitsverträge haben sich die Spieler nicht nur zur Teilnahme an der eigentlichen Tätigkeit wie dem Training, den Spielen oder der Betreuung der Spieler verpflichtet, sondern auch für die damit im Zusammenhang stehenden vom Arbeitgeber verlangten Tätigkeiten.
Hierzu gehört nach den Arbeitsverträgen auch die Beteiligung an Reisen des Arbeitgebers, für die dieser auch das zu benutzende Verkehrsmittel bestimmen darf.
Eine derartige Reise steht im Interesse des Arbeitgebers und ist untrennbar mit der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung verbunden. Die Zuschläge wurden im Streitfall auch zweckgebunden für die an Sonn- und Feiertagen sowie nachts geleistete Arbeit ausgezahlt.
Entgegen der Auffassung des FA sind somit auch „passive“ Reisezeiten von § 3b EStG umfasst. Eine individuell belastende Tätigkeit verlangt das Gesetz für die Steuerfreiheit nach § 3b EStG nicht. Im Streitfall sind somit auch die Zuschläge für Fahrtzeiten im Mannschaftsbus und ähnliche passive Tätigkeit als steuerfrei nach § 3b EStG zu behandeln.
Praxishinweis: Die Würdigung des FA, dass passive Tätigkeiten nicht als steuerfreie Zuschläge nach § 3b EStG zu qualifizieren sind, hat der BFH eindeutig abgelehnt. Eine Entscheidung zwischen aktiven und passiven Tätigkeiten ist dem Gesetz nicht zu entnehmen und ist daher nicht vorzunehmen. Entscheidend ist lediglich das Tätigwerden im Interesse des Arbeitgebers.
Es bestehen dagegen noch andere Unklarheiten im Zusammenhang mit der Qualifizierung von Arbeitslohn nach § 3b EStG. So ist z.B. ein Verfahren beim BFH bzgl. der Berechnung der Höhe des regulären Arbeitslohns zur Bestimmung der Höhe des steuerfreien Zuschlags nach § 3b EStG anhängig (VI R 11/21). In dem Streitfall ist fraglich, ob in die Berechnung auch Beiträge des Arbeitgebers an eine Unterstützungskasse miteinzubeziehen sind.
BFH, Urt. v. 16.12.2021 - VI R 28/19
Quelle: Christian Kappelmann, Steuerberater, M.A. und Diplom-Finanzwirt (FH)