Der BFH hat die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 40b Abs. 4 EStG dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt. Nach Ansicht des BFH bestehen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift, weil der Arbeitgeber durch die Übernahme der Lohnsteuer Belastungen trägt, die eigentlich wirtschaftlich dem Arbeitnehmer zuzuordnen sind.
Der BFH hat am 14.11.2013 zwei Entscheidungen ausgesetzt, weil er § 40b Abs. 4 EStG für verfassungswidrig hält. Gemäß den allgemeinen Rechtsgrundsätzen kann aber nur das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen entscheiden.
Bei der Regelung geht es um die Pflicht des Arbeitgebers, für bestimmte Teile des Arbeitslohns eine 15 %ige pauschale Lohnsteuer an das Finanzamt abzuführen, ohne dass er diese beim Arbeitnehmer künftig - ähnlich wie bei normalen Lohnsteuerzahlungen - einbehalten kann.
Ansatzpunkt für den Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit ist die angebliche endgültige wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers durch die Übernahme von Lohnsteuer, die eigentlich wirtschaftlich der Arbeitnehmer zu tragen habe, denn nur dieser habe letztlich - gerade in Zeiten des demographischen Wandels - den Vorteil von der Absicherung bereits erworbener Zukunftssicherungsleistungen.
So scheint es auf den ersten Blick dem Gleichheitsgrundsatz zu widersprechen, wenn Arbeitgeber nach ihrem Austritt aus einer Pensionskasse an das Finanzamt eine pauschale Lohnsteuer zu zahlen haben, ohne dass sie diese Belastung aufgrund einer gesetzlichen Legitimation an ihre Arbeitnehmer weitergeben können.
Allerdings ist diese 15 %ige „Zwangsabgabe" lediglich Teil einer Gesetzestechnik, die Vorteile des Arbeitgebers bei Verlassen einer Pensionskasse abschöpft. Denn die Absicherung der Altersversorgungszusagen fällt letztlich in den Bereich des Schuldners dieser Rentenleistungen. Keinesfalls hat der Arbeitnehmer in Form von Lohnsteuer - auch nicht in Zeiten des demographischen Wandels - für die Absicherung seiner Rente zu sorgen.
Die 15 %ige Versteuerung belastet - so der BFH - den Arbeitgeber aufgrund von Vorteilen, die für den Arbeitnehmer Arbeitslohn gemäß § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 2 EStG darstellen. Dies stellt nach dem BFH ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG dar, denn grundsätzlich soll nur derjenige die Steuerlast tragen, dem zuvor auch ein Vorteil erwachsen ist. Dem Arbeitnehmer erwächst nach Ansicht des BFH dadurch ein Vorteil, dass der Arbeitgeber im Falle des Ausstiegs aus einer Pensionskasse die sog. „Gegenwertzahlungen" zu leisten hat.
Die Verfassungsgemäßheit ergibt sich bereits aus der notwendigen Pflicht zur Regelung eines allgemein verständlichen und möglichst unausweichlichen Belastungsgrundes. Deshalb darf das Gesetz um der materiellen Gleichheit willen bereits bei der Tatbestandsverwirklichung (nämlich in der Buchhaltung des Arbeitgebers) die zusätzliche Zahlungspflicht aufgreifen und pragmatisch regeln, ohne auf individuelle Gestaltungsmöglichkeiten der Arbeitsvertragsparteien einzugehen.
Kritik an der Argumentation des BFH
Nach allgemeiner Literaturmeinung sind diese Zahlungen des Arbeitgebers als Vorteile des Arbeitnehmers in zutreffender Weise und in Ausübung der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit zur Erschließung neuer Steuerquellen in die Summe des steuerpflichtigen Arbeitslohns aufgenommen worden.
Meiner Meinung nach ist die Absicherung der bereits erworbenen Ansprüche nur ein scheinbarer Ansatzpunkt, der nicht zu Lasten des Arbeitnehmers über eine Verfassungswidrigkeit von Abgabeverpflichtungen des Arbeitgebers aufgelöst werden darf.
Der Gesetzgeber hat bereits in den Gesetzesmaterialen zum Jahressteuergesetz 2007 in weiser Voraussicht dem Bundesverfassungsgericht eine Steilvorlage für die Bestätigung des § 40b Abs. 4 EStG gegeben und die Verfassungsmäßigkeit dieser Pauschalierung zu Lasten des Arbeitgebers begründet.
Gerade das Argument der freien Gestaltbarkeit ist ein Fingerzeig auf die Möglichkeiten des Arbeitgebers. Dem (erfahrenen) Arbeitgeber steht es nämlich frei, für derartige Fälle die Weiterleitung dieser Pauschale bereits bei Abschluss des Arbeitsvertrags zu regeln. Denn nur für den steuerrechtlich nicht beratenen Arbeitgeber werden diese 15 % zu einer bleibenden Eigenbelastung.
Auch gleicht der Gesetzgeber gesetzestechnisch die zum Arbeitnehmer-Nachteil gereichende „Erhebung derartiger Ausgleichszahlungen nach § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 2 EStG zum Arbeitslohn" durch die Auflösung nach § 40b Abs. 4 EStG wieder aus.
Als Argument für die Regelwidrigkeit dieser 15 %igen Zwangsabgabe wollen manche Steuersystematiker „Verkehrsteuer-Gesichtspunkte" in der Einkommensteuererhebung erkennen. Sie übersehen mit ihrer Systemkritik aber, dass in Bezug auf die 15-%-Abgabe überhaupt keine Steuer, sondern eine Gebühr vorliegt. Damit geht das Argument der systemwidrigen Steuerverschiebung als unzulässige Singularität im Kontext des EStG („diese als Ertragsteuer getarnte Einkommensteuer sei in Wirklichkeit eine Verkehrsteuer") ins Leere.
Als Steuer dürfen nämlich nur solche Abgaben erhoben werden, die auch begriffsmäßig „Steuern" darstellen. Die 15 %-ige Abgabe wird aber nur deshalb erhoben, weil infolge des Ausscheidens des Arbeitgebers aus der Pensionskasse künftig keine Leistungen dieses Arbeitgebers in den steuerlich begünstigten „Pensionssicherungsverbund" fließen (= Vorteilsabschöpfung beim Arbeitgeber).
Diese Pauschalabgabe ähnelt daher - abgabensystematisch betrachtet - eher einer Gebühr als Gegenleistung und Entgelt für künftige hoheitliche Unterstützungen dieser Pensionskasse. Eine Steuer darf aber gerade nicht Gegenleistung für eine besondere Leistung sein (so die gängige Definition von Gebühren und Steuern (vgl. § 3 Abs. 1 AO). Die 15 %ige Abgabe nach § 40b Abs. 3 EStG ist deshalb eher eine Gebühr als eine Steuer.
Praxishinweis
Es ist nicht damit zu rechnen, dass das Bundesverfassungsgericht § 40b Abs. 4 EStG für verfassungswidrig erklärt. Arbeitgeber sollten sich beim Verlassen der Pensionskassen darauf einstellen, dass auch künftig diese 15 %ige Lohnsteuer-Pauschale fällig wird.
Um diese Belastung abzufangen und weiterzuleiten, sollte der Arbeitgeber in zulässiger Weise bei künftigen Arbeitsverträgen die „Umlagefähigkeit" auf „begünstigte Arbeitnehmer" umstellen. Um derartige Abwälzungsklauseln wasserdicht zu gestalten, sollte sich der Arbeitgeber unbedingt eines Fachmanns für Arbeitsvertragsrecht bedienen.
BFH, Beschl. v. 14.11.2013 - VI R 49/12
BFH, Beschl. v. 14.11.2013 - VI R 50/12
BT-Drs. 16/2712, Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2007 (JStG 2007) v. 25.09.2006
Quelle: Rechtsanwalt und Dipl.-Finanzwirt Horst Schirrmann - vom 04.02.14