Wann liegen neue rechtserhebliche Tatsachen für die Auflösung einer Ansparabschreibung gemäß § 7g EStG a.F. vor, die das Finanzamt berechtigen, einen bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid nachträglich zu ändern? Der BFH hat entschieden, dass die Nichtanschaffung eines Wirtschaftsguts kein Tatbestandsmerkmal für die Auflösung der Ansparabschreibung und daher keine rechtserhebliche Tatsache ist.
Mit Urteil vom 22.03.2016 hat der BFH entschieden, dass die die Nichtanschaffung des Wirtschaftsguts kein Tatbestandsmerkmal für die Auflösung einer Ansparabschreibung ist und damit keine nachträglich bekanntgewordene Tatsache darstellt - somit kann ein bestandskräftiger Steuerbescheid nicht nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geändert werden. Nach § 7g Abs. 4 EStG in der im Jahr 2006 geltenden Fassung ist die Ansparsparabschreibung unabhängig von einer Anschaffung oder Nichtanschaffung aufzulösen. Dementsprechend stellt die Nichtanschaffung keinen tatsächlichen Vorgang und somit keine rechtserhebliche Tatsache nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO dar.
Im konkreten Fall hatte ein Arzt seinen Gewinn im Rahmen der Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, dabei eine Rücklage nach § 7g Abs.3 EStG a.F. gebildet und so seinen Gewinn reduziert. Die gebildete Ansparrücklage wurde weder bei der erstmaligen Steuerfestsetzung noch in den Folgejahren aufgelöst und blieb unberücksichtigt. Das Finanzamt stellte diesen Fehler bei einer Verprobung fest und änderte den bereits bestandskräftig gewordenen Einkommensteuerbescheid unter Verweis auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO. Dabei wurde die Ansparrücklage aufgelöst und der Gewinn erhöht.
Rechtserhebliche Tatsache i.S.v. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO
Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH sind Steuerbescheide nach § 173 Abs. 1 Nr.1 AO dann aufzuheben oder zu ändern, wenn nachträglich Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen.
Tatsachen i.S.d. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind dabei insbesondere Zustände, Vorgänge oder Beziehungen wie auch Eigenschaften oder Absichten, nicht jedoch Schlussfolgerungen oder juristische Subsumtionen.
Nichtanschaffung ist keine neue Tatsache
Nach § 7g Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. ist die Ansparabschreibung gewinnerhöhend aufzulösen sobald für das Wirtschaftsgut eine Abschreibung vorgenommen wurde, spätestens jedoch nach zwei Jahren. Da es hier zwangsweise zur Auflösung der Ansparabschreibung kommt, liegt in einem solchen Fall keine neue rechtserhebliche Tatsache vor. Ob der Steuerpflichtige diese also bei seiner Gewinnermittlung berücksichtigt, ist unerheblich, da sie ohnehin kraft Gesetzes gewinnwirksam wird. Das Finanzamt erfährt somit keine neue Tatsache, wenn eine Nichtanschaffung bekannt wird.
Auflösung einer Rücklage nach § 6c EStG ist anders zu beurteilen
Der BFH weicht mit dieser Entscheidung nicht von seiner ständigen Rechtsprechung ab. Das Finanzgericht hatte in seiner Begründung auf die Rechtsprechung des BFH zur Auflösung einer Rücklage nach § 6c EStG verwiesen. Im Rahmen von § 7g EStG a.F. erfolgt eine zwangsläufige Auflösung mit Ablauf der Investitionsfrist. Eine Rücklage nach § 6c EStG wird dagegen erst dann aufgelöst, wenn weder mit der Errichtung eines Gebäudes begonnen noch eine Reinvestition getätigt wurde. Somit hängt im Fall von § 6c EStG die Auflösung der Rücklage nicht nur vom Fristablauf ab und ist daher nicht mit der Auflösung einer Ansparabschreibung vergleichbar.
Praxishinweis
Der BFH führt in seinem Urteil zu § 7g EStG a.F. aus, dass bestandskräftige Steuerbescheide nicht nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO vom Finanzamt geändert werden können, wenn der sich ändernde Umstand, wie beispielsweise die Auflösung einer Rücklage, allein an einer gesetzlichen Frist hängt. Sind dagegen mehrere Faktoren zu berücksichtigen, kann eine steuererhebliche Tatsache vorliegen und der Bescheid noch geändert werden.
Zu beachten ist jedoch, dass die Entscheidung des BFH zu § 7g EStG a.F. nicht auf die derzeit geltende Fassung des § 7g EStG übertragbar ist. Denn nach § 7g EStG erfolgt die Rückgängigmachung der Ansparabschreibung erst bei nicht in Anspruch genommener Hinzurechnung der Investitionsabzugsbeträge.
BFH, Urt. v. 22.03.2016 – VIII R 58/13
Quelle: Dipl.-Volkswirt Volker Küpper