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Neues Besteuerungsverfahren

Das BMF hat einen Gesetzentwurf zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens veröffentlicht. Nach den Plänen des Ministeriums wird ein neues Steuerfestsetzungsverfahren eingeführt, welches verstärkt automatisierte Verfahren der Informationstechnologie nutzt. Das neue Besteuerungsverfahren soll Erleichterungen für Steuerzahler und Nutzer schaffen, aber auch den Datenschutz gewährleisten.

Nach 18-monatiger intensiver Zusammenarbeit von Bund, Ländern, Verbänden und Kammern hat nun das BMF den Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens veröffentlicht. Eine derartige Reform war notwendig geworden, weil auch im Bereich der Finanzverwaltung die fortschreitende Technisierung und Digitalisierung ihren legalisierten Einzug halten will. Bereits Mitte Oktober will das Bundeskabinett diese Besteuerungsmodernisierung als Gesetzesentwurf in den Bundestag einbringen. Zum 01.01.2017 sollen die hierfür notwendigen Rechtsänderungen in Kraft treten.

Geplante Änderungen

Die geplanten Änderungen stehen unter dem gemeinsamen Obersatz „Höhere Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit des Besteuerungsverfahrens“. Bausteine dieses neuen Verfahrens zum Nutzen der Finanzverwaltung sind:

  • Flexibilisierung der Zuständigkeit der Finanzämter
  • Ökonomie bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bezüglich der weiteren Aufklärungsschritte
  • Schaffung der gesetzlichen Grundlagen für die automationsgestützte Bearbeitung von Steuerfällen (§ 88 Abs. 3 und 5, § 118a AO-E). Damit soll künftig das Arbeitsaufkommen der herkömmlichen personellen Bearbeitung der Steuererklärung verringert werden
  • Zugangsfiktion für elektronisch mittels ELSTER bereitgestellte Steuerbescheide drei Tage nach elektronischer Benachrichtigung (E-Mail) über die Bereitstellung – der Steuerpflichtige muss diesem Verfahren zustimmen, und die Beweislast des Zugangs der Benachrichtigung liegt bei der Finanzverwaltung (§ 122 Abs. 2b AO-E)
  • Anhebung der Kleinbetragsgrenzen: Festsetzungsänderungen/-berichtigungen werden erst ab einem Betrag von 25 € durchgeführt
  • Abschaffung des Härteausgleichs nach § 46 Abs. 3 und 5 EStG
  • Einführung eines amtlich bestimmten Vollmachtformulars für steuer- und rechtsberatende Berufe (§ 80a AO-E), welches mit den Daten der zuständigen Kammern abgeglichen wird
  • Frühzeitiges Erkennen und Zurückweisen von Personen, die mittels Vollmacht rechtswidrig geschäftsmäßig Hilfen in Steuersachen leisten (§ 80 AO-E)


Vereinfachungen und Erleichterungen für den Steuerzahler

Dem Steuerzahler soll u.a. durch folgende Verbesserungen zu seinen Gunsten der Übergang zu diesem digitalisierten risikogesteuerten Veranlagungsverfahren schmackhaft gemacht werden:

  • Belege sollen nur noch risikoorientiert gefordert werden. Damit gehen aber Belegvorhaltepflichten der Steuerpflichtigen einher.
  • Schreib- und Rechenfehler des Steuerpflichtigen sollen verschuldensunabhängig korrigiert werden können (§ 173a AO-E).
  • Die Datenübermittlungspflichten Dritter sollen zur Vermeidung von Reibungsverlusten harmonisiert werden.
  • Die Abgabefristen für Steuererklärungen in den sogenannten „Beratungsfällen“ werden erstmals gesetzlich geregelt und über das Ende des Folgejahres hinaus erweitert.

Welche Gefahren lauern für Steuerzahler in dieser neuen Wirtschaftlichkeit und Verfahrensökonomie?

Der Ermessensspielraum bei der Festsetzung von Verspätungszuschlägen wird beseitigt und einer Automatisationsunterstützung zugeführt, wodurch es zu einem „absoluten Fristende“ ohne „Nachsicht“ des Finanzamts kommt.

Die beim Bundeszentralamt für Steuern einlaufenden Informationen über ausländische Zinseinkünfte werden künftig automatisch über das sogenannte Risikomanagement laufen, d.h., es wird geprüft werden, ob das Risiko, Steuereinnahmen zu verlieren, groß genug ist, um einen weiteren Abgleich mit den inländischen Daten zu starten.

Welche Nachteile bringt es dem Steuerzahler?

Laut Ansicht der Finanzbehörden sollen durch die Steuererklärungen in elektronischer und maschinell vollständig zu verarbeitender Form ein vereinfachtes Authentifizierungsverfahren und gezieltere Hilfen bei der Plausibilisierungsprüfung zur Vermeidung von Fehlern des Steuerzahlers ermöglicht werden. Tatsächlich wird jedoch die Datenmenge in der Behörde erheblich vergrößert, wodurch die elektronische Suche des Finanzamts nach bisher verborgenen Steuerressourcen umso erfolgreicher sein wird.

Der bisher vernachlässigte Teil der digitalen Verarbeitung des Steuerzahler-Schriftverkehrs – etwa Rechtsbehelfe, Erlass- und Stundungsanträge – soll beispielsweise über Einbindung des ELSTER-Verfahrens strukturiert und somit der Steuerressourcen-Suche zugänglich werden. Künftig wandern also nicht nur die Angaben aus Steuererklärungen in den Behördendatenpool, sondern auch die Einspruchsbegründungen.

Weil das Geldwäschegesetz noch erhebliche Lücken enthält, werden künftig auch Rechtsanwälte, die für Mandanten Steuererklärungen abgeben, die Identität ihres Auftraggebers feststellen müssen, weil im ELSTER-Verfahren von der Behörde nur die Authentizität des Datenübermittlers, nicht aber die des Auftragsgebers geprüft werden kann (§ 1 Abs. 2, § 6 Abs. 2 StDÜV-E).

Voraussetzungen des „Risikomanagements“

Der neu eingeführte Verfahrensbegriff RMS (Risikomanagementsysteme) verlangt im Einzelnen:

  • eine ausreichende Zufallsauswahl,
  • eine Aussteuerung zur personellen Prüfung der entsprechenden Sachverhalte, wenn bestimmte Risikofilter anschlagen,
  • die Möglichkeit einer personellen Prüfung des Falls, die jederzeit vom Bearbeiter angestoßen werden kann, sowie
  • die regelmäßige Überarbeitung der Inhalte des Risikomanagements.

Hierbei ist zu beachten, dass ein solcher Anlass für die personelle Bearbeitung vom Steuerpflichtigen dann gesetzt wird, wenn er darauf hinweist, dass er seiner Steuererklärung bewusst eine Rechtsauffassung zugrunde gelegt hat, die von der ihm bekannten Rechtsauffassung des Finanzamts abweicht. Nur durch diesen Hinweis kann der Steuerzahler es künftig vermeiden, dass er sich mit seinen von der herrschenden Meinung abweichenden Angaben dem Verdacht einer Steuerverkürzung aussetzt.

Zu begrüßen ist die geplante Einführung des § 93c AO als Generalnorm, der die meisten elektronischen Datenübermittlungspflichten Dritter zusammenfasst und zum Ausdruck bringt, dass der Steuerpflichtige Herr über seine Steuererklärungsdaten bleibt.

Praxishinweis

Die Kernpunkte dieser Modernisierung des Besteuerungsverfahrens werden in § 88 und § 118a AO-E geregelt. In Verbindung mit dem RMS wird die Finanzverwaltung ein völlig neues Sachverhaltsüberprüfungs- und Steuerfestsetzungsverfahren betreiben. Die Einzelheiten dieses neuen Verfahrens sollen jedoch nur zum Teil veröffentlicht werden, soweit dadurch die Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung gefährdet werden könnte. Diese einschlägigen Verwaltungsanweisungen sollen künftig wie Daten nach § 30 AO (Steuergeheimnis) vor unbefugter Weitergabe geschützt werden (§ 88 Abs. 5 AO-E). Ab dem Zeitpunkt, in dem das „Geheimhaltungsgebot“ unverändert in geltendes Recht aufgenommen wird, ist mit einer verfassungsgerichtlichen Überprüfung zu rechnen, deren Ausgang nicht abzusehen ist. Wer den Hauptvorteil aus dieser Besteuerungsmodernisierung ziehen wird, wird sich erst in der Praxis ab 2017 zeigen.

Referentenentwurf des BMF – Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens vom 27.08.2015

Quelle: RA und Dipl.-Finanzwirt (FH) Horst Schirrmann


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