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Umsatzsteuer: Neues vom BMF zur organisatorischen Eingliederung einer Organschaft

Das BMF reagiert in einem aktuellen Schreiben auf die Rechtsprechung von EuGH und BFH zur organisatorischen Eingliederung einer umsatzsteuerlichen Organschaft. Damit bleibt die Einbeziehung von Nichtunternehmern in den Organkreis weiterhin ausgeschlossen. Eine organisatorische Eingliederung kann künftig auch durch Angestellte, die nicht zu den leitenden Mitarbeitern zählen, vermittelt werden. In diesem Zusammenhang wird auch Abschn. 2.8 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE) geändert.

Nach deutschem Umsatzsteuerrecht setzt eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit voraus, dass sie selbständig ausgeübt wird. Daran fehlt es gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Damit kann nach deutschem Recht ein Nichtunternehmer nicht in einen Organkreis einbezogen werden (vgl. Abschn. 2.8 Abs. 1 Satz 5 UStAE). Nach Art. 11 Abs. 1 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie 2006/112/EG (MwStSystRL) können die EU-Mitgliedstaaten juristische Personen, die durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, umsatzsteuerrechtlich als einen Steuerpflichtigen behandeln.

Der EuGH hatte im Jahr 2013 vor diesem Hintergrund über eine schwedische Regelung zu entscheiden, nach der eine Organschaft lediglich für Unternehmen bestimmter Branchen bzw. mit bestimmten Tätigkeiten möglich war. In einem zweiten Verfahren urteilte der EuGH im selben Jahr über eine irische Regelung, die auch die Einbeziehung von Nichtunternehmern in einen Organkreis unter bestimmten Voraussetzungen ermöglichte.

In beiden Fällen hielt er die nationalen Regelungen für konform mit den europarechtlichen Vorgaben.Das BMF hält in seinem aktuellen Schreiben weiterhin an seiner Auffassung fest, dass Nichtunternehmer nicht Mitglied in einem Organkreis sein können. Die deutsche Regelung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG steht nach Auffassung des BMF - auch vor dem Hintergrund der beiden EuGH-Entscheidungen - im Einklang mit Art. 11 MwStSystRL:

Das BMF interpretiert die EuGH-Rechtsprechung dahingehend, dass Art. 11 MwStSystRL den Mitgliedstaaten die Möglichkeit gibt, auch Nichtunternehmer in einen Organkreis einzubeziehen. Eine generelle Pflicht, Nichtunternehmer in den Organkreis einzubeziehen, gebe es aber nicht. Andernfalls könne eine nationale Regelung wie in der Entscheidung des EuGH vom 25.04.2013, nach der die Mitgliedstaaten die Regelung des Art. 11 Abs. 1 MwStSystRL auf bestimmte Personen beschränken können, nicht unbeanstandet bleiben. Zudem setzt der Ausschluss von Nichtunternehmern in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nach Ansicht des BMF den Art. 11 Abs. 2 MwStSystRL um. Nach dieser Vorschrift kann ein Mitgliedstaat, der Regelungen für die Organschaft - in der MwStSystRL als „Gruppenregelung“ bezeichnet - eingeführt hat, die erforderlichen Maßnahmen treffen, um Steuerhinterziehungen oder -umgehungen zu verhindern. Die Beschränkung der Organschaft auf Unternehmer (nach deutschem Umsatzsteuerrecht) verfolgt nach Ansicht des BMF aber diesen Zweck und sei demnach mit EU-Recht vereinbar.Darüber hinaus hat das BMF entschieden, die Veröffentlichung der BFH-Entscheidung vom 08.08.2013 im BStBl zunächst zurückzustellen.

Mit diesem Urteil hatte der BFH seine Rechtsprechung zum Ende der Organschaft bei Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters geändert. Vorher verlangte der BFH für eine organisatorische Eingliederung, dass der Organträger die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrscht oder aber zumindest durch die Gestaltung der Beziehungen zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft derart sichergestellt ist, dass eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung bei der Organtochter nicht stattfindet.

Mit dem Urteil vom 08.08.2013 verlangte dann der BFH für eine organisatorische Eingliederung, dass die Muttergesellschaft in der Lage ist, ihren Willen in der Organgesellschaft durchzusetzen. In Insolvenzfällen endet die organisatorische Eingliederung daher, wenn das Insolvenzgericht für die Organgesellschaft einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und zugleich gem. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO anordnet, dass Verfügungen nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Die zurückgestellte Veröffentlichung im BStBl begründet das BMF mit den Vorabentscheidungsersuchen des BFH an den EuGH zum Vorsteuerabzug einer Führungsholding.

Schließlich hat das BMF noch eine Änderung des Abschn. 2.8 UStAE vorgenommen: Satz 9 dieses Abschnitts regelte die organisatorische Eingliederung in den Fällen, in denen „leitende Mitarbeiter“ des Organträgers zum Geschäftsführer der Organgesellschaft bestellt sind. Künftig wird auf das Merkmal der Leitungsfunktion des Mitarbeiters verzichtet, um Abgrenzungsschwierigkeiten zu vermeiden. Denn ein insoweit vorausgesetztes persönliches Abhängigkeitsverhältnis besteht - nach diesem Ansatz -  im Verhältnis zum Organträger nicht nur für dessen leitende Angestellte, sondern für alle angestellten Mitarbeiter.Die Grundsätze dieses Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Allerdings wird es für vor dem 01.01.2015 ausgeführte Umsätze nicht beanstandet, wenn sich die am vermeintlichen Organkreis Beteiligten bei der umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung des Sachverhalts übereinstimmend auf die bisherigen Regelungen in Abschn. 2.8 Abs. 9 UStAE berufen.

Praxishinweis

Die Änderungen des BMF in diesem Schreiben sind für die Praxis zu begrüßen. Hinsichtlich der ausgeschlossenen Einbeziehung von Nichtunternehmern in einen Organkreis hat sich nichts geändert. Allerdings muss der steuerliche Berater wegen der Änderung des UStAE künftig bei Unternehmensverbünden prüfen, ob möglicherweise auch nichtleitende Mitarbeiter des Organträgers bei den Organgesellschaften tätig sind, und damit eine organisatorische Eingliederung vermitteln. Die dafür bestehende Übergangsfrist bis zum 01.01.2015 ist dabei insbesondere bei größeren Unternehmensverbünden durchaus knapp bemessen. Zu beachten ist der Ausgang der Vorabentscheidungsersuche des BFH an den EuGH betreffend den Vorsteuerabzug von Führungsgesellschaften. Denn damit könnten sich auch die deutschen Regelungen zur Organschaft ändern. Gleiches gilt für das zunächst nicht im BStBl veröffentlichte Urteil des BFH vom 08.08.2013, auf das sich Unternehmer und deren Berater schon jetzt berufen können; entsprechende Steuerbescheide sollten demgemäß offengehalten werden.

BMF, Schreiben v. 05.05.2014 - IV D 2 - S-7105/11/10001
BFH, Urt. v. 08.08.2013 - V R 18/13
EuGH, Urt. v.  25.04.2013 - C-480/10
EuGH, Urt. v. 09.04.2013 - C-85/11
BFH, Beschl. v. 11.12.2013 - XI R 17/11
BFH, Beschl. v. 11.12.2013 - XI R 38/121

Quelle: StB und Fachanwalt für Steuerrecht Scholz