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Umsatzsteuer: Steuerfreie Lieferung von Pocket-Bikes ins EU-Ausland

Nach einem aktuellen Urteil des BFH zählt auch die Lieferung von sog. Pocket-Bikes (Miniatur-Motorfahrzeuge) ins EU-Ausland zu den umsatzsteuerfreien Umsätzen. Die Entscheidung hat insbesondere für den innergemeinschaftlichen Handel Bedeutung, weil der BFH erneut auf den inländischen Einzelumsatz abstellt und gleichzeitig den Zusammenhang mit der Besteuerung im Empfängerland herstellt.

Innergemeinschaftliche Lieferungen an Unternehmen sind gem. § 1a UStG grundsätzlich von der Umsatzsteuer befreit. Für Lieferungen an Privatpersonen im EU-Ausland gilt aber nur ausnahmsweise die Befreiung von der deutschen Umsatzsteuer: es muss sich dann um „neue Fahrzeuge“ i.S.d. § 1b UStG handeln.

Im vom BFH entschiedenen Fall handelte die Klägerin mit sog. Pocket-Bikes. Das sind in Deutschland im öffentlichen Straßenverkehr nicht zugelassene Motorräder, Motorroller, Cross-Bikes und Quads in Miniaturformat, die nur bis zu 24 kg schwer sind, aber je nach Ausführung eine Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h erreichen.

In ihrer Umsatzsteuer-Voranmeldung wies die Klägerin den Export dieser Pocket-Bikes in das übrige Gemeinschaftsgebiet als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung „neuer Fahrzeuge“ gem. § 1b Abs. 2 Nr. 1 UStG aus. Finanzamt und Finanzgericht lehnten die Steuerbefreiung jedoch ab, weil ihrer Meinung nach die Fahrzeuge nicht „zur Personen- und Güterbeförderung bestimmt“ seien. Das Finanzgericht begründete seine ablehnende Haltung auch damit, dass diese Fahrgeräte nur für sportliche Wettkämpfe bestimmt seien oder lediglich dazu dienten,  privates Gelände zu befahren. Das beklagte Finanzamt führte schließlich gegen einen möglichen umsatzsteuerfreien Export sogar drohende Steuerausfälle aufgrund fehlender Kontrolle der Erwerbsbesteuerung in den Bestimmungsländern an.



Der BFH hob das Urteil des FG auf und gab der Revision statt. Der innergemeinschaftliche Export dieser Pocket-Bikes fällt demnach unter die Regelung des § 1b UStG und ist somit umsatzsteuerfrei.

Ein möglicher Steuerausfall in den Empfängerländern ist nach Ansicht des BFH hingegen ohne Bedeutung im Rahmen des § 1b UStG, denn der Gesetzgeber habe anders als bei § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG nicht die Besteuerung in einem anderen Mitgliedstaat sichern wollen. Im Übrigen widerspreche die Auslegung des FG der  Richtlinie 77/388/EWG. Bei den Pocket-Bikes handelt es sich nach BFH-Ansicht auch um „neue Fahrzeuge“ i.S.v. § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c UStG i.V.m. § 1b UStG, denn die technischen Voraussetzungen, wie bei motorbetriebenen Landfahrzeugen mit einem Hubraum von mehr als 48 cm³ oder einer Leistung von mehr als 7,2 Kilowatt, liegen vor.

Pocket-Bikes sind im Gesetzessinne auch zur Personenbeförderung bestimmt, denn sie dienen dazu, Personen oder Güter von einem Ort zum anderen zu verbringen. Dabei ist es unschädlich, dass der sportliche Zweck im Vordergrund steht: Für eine Beförderung sind die Art des Beförderungsmittels und auch der Zweck der Beförderung ohne Bedeutung; in ähnlichem Sinne hat dies die Rechtsprechung in der Vergangenheit bereits für den Segel- und Rennsport entschieden.

Fazit der BFH-Entscheidung

Bei der Umsatzbesteuerung von Fahrzeugen ist nicht auf das Motiv und die wirtschaftliche Bedeutung des Fahrzeugeinsatzes abzustellen, sondern es kommt allein auf die tatsächliche Nutzungsmöglichkeit des Beförderungsmittels an. Deshalb ist es für die rechtliche Zuordnung irrelevant, ob das Gerät zu sportlichen Wettkämpfen oder lediglich zum Umherfahren auf Privatgelände genutzt wird. Maßgeblich ist also allein die Ortsveränderung mittels eines Fahrzeugs.

Praxishinweis

Beim Themenbereich „innergemeinschaftlicher Erwerb neuer Fahrzeuge“ ist die richtige Abgrenzung entscheidend: § 1b UStG gilt in erster Linie für den Erwerb durch Privatpersonen, wohingegen die ähnliche Vorschrift des § 1a Abs. 1 Nr. 2 UStG nur für Unternehmer anzuwenden ist.

Das Urteil des BFH zeigt wieder einmal, dass auch dann, wenn es wie hier lediglich um die deutsche Umsatzbesteuerung geht, bei globaler Betrachtung eines solchen Exports durchaus Wettbewerbsverzerrungen denkbar sind, denn auch im jeweiligen Heimatland des Käufers ist der Umsatz ggfs. zusätzlich mit dem dort geltenden Steuersatz zu belegen. Dadurch kann ein Steuergefälle zu wirtschaftlichen Vorteilen/Nachteilen zwischen einzelnen Ländern führen - wie z.B. im Handelsverkehr mit Luxemburg, wo die Umsatzsteuer weniger als 19 % beträgt: Für den Luxemburger Importeur wird der Bezug dieser Pocket-Bikes billiger, in anderen Ländern mit höherer Mehrwertsteuer kann der Handel aber erheblich teurer werden.

BFH, Urt. v. 27.02.2014 - V R 21/11
FG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 10.05.2011 - 5 K 5070/08


Quelle: Rechtsanwalt und Dipl.-Finanzwirt Horst Schirrmann