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BFH unterstreicht Möglichkeit der Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen

Mit Urteil vom 25.04.2012 hatte der BFH entschieden, dass für Zwecke der Gewerbesteuer das Schreiben des BMF vom 27.03.2003 über die Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen aus Billigkeitsgründen nicht anzuwenden ist. Diese Entscheidung hatte zur Verunsicherung geführt, ob Sanierungsgewinne künftig noch steuerfrei gestellt werden können. Nun hat der BFH in seiner Entscheidung vom 12.12.2013 die grundsätzliche Möglichkeit der Steuerfreiheit aus Billigkeitsgründen für Sanierungsgewinne nochmals bestätigt.

Im Entscheidungsfall hatte ein Handelsvertreter wegen rückläufiger Umsätze, gestiegener Kosten und hoher Privatentnahmen Schwierigkeiten, seinen Bankverbindlichkeiten nachzukommen. Die betrieblichen Kredite waren zum Erwerb einer wertvollen Privatimmobilie aufgenommen worden. Durch Verhandlungen mit Banken konnten eine Zwangsvollstreckung in die Immobilie vermieden und eine Umschuldung - verbunden mit einem Teilerlass der Bankschulden - erreicht werden. Für den mit dem Teilerlass von rund einer halben Mio. € erzielten außerordentlichen Gewinn beantragte der Handelsvertreter die Steuerfreistellung aus Billigkeitsgründen, da es sich um einen Sanierungsgewinn handele. Dies aber sahen das Finanzamt, das Finanzgericht und der BFH anders.

Einleitend hält der BFH zunächst an seiner Ansicht fest, dass die Möglichkeit eines Steuererlasses für Sanierungsgewinne mittels Verwaltungsvorschrift, die die Anwendung der Billigkeitsregelungen vereinheitlichen soll, auch im Hinblick auf den Willen des Gesetzgebers im Grundsatz nicht zu beanstanden ist.

Im Entscheidungsfall waren allerdings die Voraussetzungen des betreffenden BMF-Schreibens vom 27.03.2003 nicht erfüllt. Nach dieser Verwaltungsanweisung ist eine abweichende Festsetzung der Einkommensteuer in Fällen einer unternehmensbezogenen Sanierung möglich. Voraussetzung hierfür ist, dass damit ein Unternehmen oder ein Unternehmensträger (juristische oder natürliche Person) vor dem finanziellen Zusammenbruch bewahrt und wieder ertragsfähig gemacht wird. Erhöht sich das Betriebsvermögen dadurch, dass Schulden zum Zweck der Sanierung ganz oder teilweise erlassen werden, ist ein begünstigter Sanierungsgewinn anzunehmen, wenn kumulativ das Unternehmen sanierungsbedürftig und sanierungsfähig sowie der Schulderlass zur Sanierung geeignet sind. Ferner müssen die Gläubiger in Sanierungsabsicht handeln.



Ob ein Unternehmen sanierungsbedürftig ist, richtet sich bei einem Einzelunternehmer danach, ob infolge der Überschuldung die Existenz des Unternehmens derart bedroht ist, dass es ohne den Schulderlass nicht wirtschaftlich weitergeführt werden kann. Maßgebend für diese Beurteilung sind die Gesamtumstände: Für den Zeitpunkt des Schulderlasses sind die Ertragslage, das Verhältnis der flüssigen Mittel zur Höhe der Schuldenlast und die Gesamtleistungsfähigkeit des Unternehmens zu überprüfen. Relevant sind insoweit auch mögliche weitere Unternehmen des betreffenden Unternehmers sowie die Höhe seines Privatvermögens.

Der Grund, in die Prüfung der Sanierungsbedürftigkeit des Unternehmens neben dem positiven auch das überschuldete und ertraglose Privatvermögen einzubeziehen, ist folgender: Gläubiger des Einzelunternehmers können unabhängig von der Zuordnung ihrer Forderungen auf das gesamte Vermögen des Einzelunternehmers - also sowohl auf dessen Betriebs- als auch auf dessen Privatvermögen - zugreifen. Damit kann die Leistungsfähigkeit des Unternehmens und möglicherweise dessen nachhaltige Zahlungsunfähigkeit auch aus diesen Umständen resultieren.

Im Grundsatz ist der BFH im entschiedenen Fall von einer Sanierungsbedürftigkeit des klagenden Handelsvertreters ausgegangen: Ohne den Schulderlass hätte er sich in einer existenzbedrohenden Situation befunden. Denn bei der Sanierungsbedürftigkeit eines Einzelunternehmens geht es nicht nur darum, ob es bislang in der Lage war, seine betrieblichen Aufwendungen einschließlich der betrieblich bedingten Zinsen zu bedienen; sondern infolge der umfassenden persönlichen Haftung des Betriebsinhabers ist vielmehr maßgebend, dass die (verbleibende) Liquidität auch ausreicht, um die Lebenshaltung des Unternehmers zu gewährleisten. Das betrifft auch die Fähigkeit, ggf. vorhandene private Verbindlichkeiten zu bedienen. Ein Unternehmen kann deshalb auch dann sanierungsbedürftig sein, wenn die unternehmerische Krise durch private Probleme verstärkt wird. Hohe Privatentnahmen, die ihre Ursache beispielsweise in einem zu hohen Lebensstandard haben, verursachen häufig trotz einer noch zufriedenstellenden Ertragssituation im Unternehmen eine Liquiditätsbelastung, die zu Engpässen führen kann. So können  auch private finanzielle Engagements - wie z.B. die Finanzierung des Eigenheims - zu regelmäßigen Privatentnahmen führen, die dann bei rückläufigen Erträgen nicht mehr vom Betrieb erwirtschaftet werden können. Erforderlich ist dann allerdings, dass der Einzelunternehmer in seiner Existenz als Unternehmer bedroht ist. Es muss also durch die Überschuldung des Betriebs- und des Privatvermögens der Zusammenbruch des Unternehmens drohen.Wird eine Unternehmenskrise durch das Zusammenspiel von betrieblichen (z.B. Wegfall von Einnahmen, steigende Kosten) und persönlichen Faktoren (hoher Lebensstandard, private Verschuldung) hervorgerufen, ist neben der Berücksichtigung des Privatvermögens insbesondere zu prüfen, ob die von dem Einzelunternehmer ergriffenen Maßnahmen zur Sanierung geeignet sind.

Haften allerdings natürliche Personen für die Unternehmensverbindlichkeiten, ist eine Sanierungsbedürftigkeit ausgeschlossen, wenn durch die Verwertung von Privatvermögen die Verpflichtungen erfüllt werden können. Der bloße Austausch eines Gläubigers unter Weitergabe von Sicherheiten an Gegenständen des Privatvermögens reicht für einen Beitrag des Unternehmers zur eigenen Sanierung nicht aus. Dies gilt auch dann, wenn er der Weitergabe der Sicherheit von dem alten an den neuen Gläubiger zustimmen muss. Diese Voraussetzungen hatte der Handelsvertreter nicht erfüllt, da er weder sein Eigenheim noch andere private Immobilien zur Schuldentilgung eingesetzt hatte, er also sein Privatvermögen eben nicht verwerten wollte.

Praxishinweis

Nachdem die gesetzlich ausdrücklich normierte Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen (§ 3 Nr. 66 EStG a.F.) seit 1998 nicht mehr besteht und eine abweichende Steuerfestsetzung nur noch durch eine Ermessensentscheidung aus Billigkeitsgründen erfolgt, stellt die aktuelle BFH-Entscheidung ein wichtiges Signal für wirtschaftlich angeschlagene Unternehmen dar. So stellt der BFH nochmals ausdrücklich klar, dass auch weiterhin - jedenfalls für Zwecke der Einkommen- und Körperschaftsteuer - Sanierungsgewinne nach Ermessen der Finanzverwaltung steuerfrei gestellt werden können. Diese klarstellende Wirkung des Urteils ist unbedingt zu begrüßen. Die steuerliche Beratungspraxis muss aber weiterhin die Voraussetzungen für die Ermessensentscheidung konkret darlegen; dies gilt nicht zuletzt für den Nachweis der Erforderlichkeit der Steuerbefreiung für den Erhalt des Unternehmens.

BFH, Urt. v. 12.12.2013 - X R 39/10
BMF, Schreiben v. 27.03.2003 - IV A 6 - S-2140- 8/03, BStBl 2003 I 240
BFH, Urt. v. 25.04.2012 - I R 24/11, DStR 2012, 1544      
    

Quelle: StB und Fachanwalt für Steuerrecht Scholz