Wie wirken sich Verluste auf die nicht abziehbaren Schuldzinsen aus? Nach einem BFH-Urteil gilt: Beim Abzugsverbot für betrieblich veranlasste Schuldzinsen ist die Bemessungsgrundlage auf den periodenübergreifenden Entnahmeüberschuss begrenzt. Dies bezieht sich auf den Zeitraum von 1999 bis zum aktuellen Wirtschaftsjahr. Die BFH-Richter widersprechen damit der Ansicht der Finanzverwaltung.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einer aktuellen Entscheidung dazu Stellung genommen, ob und wenn ja, wie sich Verluste auf die Ermittlung von nicht abziehbaren Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG auswirken.
Ein Gewerbetreibender handelte mit neuen und gebrauchten Fahrzeugen. In den Streitjahren ergab sich für ihn jeweils ein Gewinn, wobei er keine Hinzurechnungen wegen nicht abziehbarer Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG vornahm. Das Finanzamt (FA) hingegen setzte nicht abziehbare Schuldzinsen in den Streitjahren an. Streitig war bei deren Berechnung, ob die Verluste aus den Vorjahren in die Ermittlung der Überentnahmen einzubeziehen sind. Das Finanzgericht folgte dem FA, während der BFH eine eigene Auffassung entwickelte.
Umfang der Überentnahmen
Als Überentnahme gilt der Betrag, um den die Entnahmen die Summe aus Gewinn und Einlagen eines Wirtschaftsjahres übersteigen. Dabei entspricht die Bemessungsgrundlage für die nicht abziehbaren Schuldzinsen der Summe der jeweiligen Über- und Unterentnahmen aller in die Berechnung einzubeziehenden Wirtschaftsjahre.
Diese sogenannte Totalperiode umfasst sämtliche Wirtschaftsjahre seit dem ersten Wirtschaftsjahr, das nach dem 31.12.1998 geendet hat, bis hin zum aktuellen Wirtschaftsjahr. Soweit im aktuellen Wirtschaftsjahr keine Über-, sondern eine Unterentnahme vorliegt, ist diese in die Berechnung einzubeziehen; der Wortlaut des § 4 Abs. 4a Satz 3 erster Halbsatz EStG ist für den BFH angesichts der Gesamtkonzeption der Regelung insoweit erkennbar lückenhaft.
Der sich so ergebende Betrag, höchstens jedoch der um 2.050 € verminderte Betrag der im Wirtschaftsjahr angefallenen Schuldzinsen, ist dem Gewinn hinzuzurechnen, sofern es sich nicht um Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- und Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens handelt.
Berücksichtigung von Verlusten
Auch Verluste sind in einem ersten Schritt bei der Addition der Über- und Unterentnahmebeträge uneingeschränkt als Bestandteil mit einzubeziehen. Rechnerisch gehen sie damit sowohl in die Überentnahme des einzelnen Wirtschaftsjahres als auch in die Bemessungsgrundlage der Totalperiode ein.
Da aber ein Verlust für sich genommen keine Überentnahme begründen darf, ist in einem zweiten Schritt die Bemessungsgrundlage der nicht abziehbaren Schuldzinsen des aktuellen Jahres durch teleologische Reduktion auf den kumulierten Entnahmeüberschuss der Totalperiode zu begrenzen. Der kumulierte Entnahmeüberschuss errechnet sich aus den Entnahmen der Totalperiode abzüglich der Einlagen der Totalperiode.
Die Beschränkung des Schuldzinsenabzugs ist periodenübergreifend angelegt. Schuldzinsen für Überentnahmen sind so lange nicht abziehbar, bis die Überentnahmen durch positive Gewinne und Einlagen wieder ausgeglichen sind. Dies folgt bereits aus dem Grundtatbestand in § 4 Abs. 4a Satz 1 EStG („Überentnahmen“), insbesondere aber aus der Berechnungsvorschrift in § 4 Abs. 4a Satz 3 EStG.
So können Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG in einem Wirtschaftsjahr u.U. selbst dann nicht abziehbar sein, wenn in diesem Jahr keine Überentnahme zu verzeichnen ist. Da die Bemessungsgrundlage der nicht abziehbaren Schuldzinsen (vorbehaltlich des Satzes 4 der Vorschrift) die Summe der alljährlich zu ermittelnden Überentnahmen und Unterentnahmen von 1999 bis zum Beurteilungsjahr ist, können die nicht abziehbaren Schuldzinsen auch ausschließlich auf Überentnahmen früherer Jahre beruhen. Die periodenübergreifende Verrechnung ist damit wesensprägendes Merkmal des § 4 Abs. 4a EStG.
Grundsätzlich fließen damit auch Verluste sowohl in die jahresweise als auch in die jahresübergreifende Berechnung des Schuldzinsenabzugs ein. Wenn sie nicht durch Gewinne oder Einlagen ausgeglichen werden, führen Entnahmen, soweit sie die Einlagen übersteigen, stets zu Überentnahmen.
Konkrete Berechnung der Überentnahmen bei Verlusten
Bei Verlusten ist die Bemessungsgrundlage für die nicht abziehbaren Schuldzinsen in einem ersten Schritt aus der Addition der Über- und Unterentnahmen aller in die Berechnung eingehenden Jahre (von 1999 bis zum aktuellen Jahr) unter Einbeziehung aller Verluste zu berechnen.
Anschließend sind in diesem ersten Schritt bei der Berechnung der Über- und Unterentnahmen auch Verluste zu berücksichtigen. Einer Verrechnung mit einem gesondert fortgeführten Verlust bedarf es nicht, da die Verluste in vollem Umfang in die Über- und Unterentnahmen der jeweiligen Jahre eingegangen sind.
Das auf diese Weise gewonnene Ergebnis ist gegebenenfalls in einem zweiten Berechnungsschritt zu korrigieren, weil ein Verlust eine Überentnahme nicht begründen oder erhöhen darf. Folglich darf die als Bemessungsgrundlage anzusetzende kumulierte Überentnahme nicht höher sein als die Entnahme der Totalperiode und auch nicht höher als die Differenz zwischen allen Entnahmen und Einlagen der Totalperiode.
Deshalb sind sowohl die Entnahmen als auch die Einlagen der Totalperiode zu addieren. Die Bemessungsgrundlage ist auf den Entnahmeüberschuss dieses gesamten Zeitraums zu begrenzen.
Ist der so ermittelte Wert niedriger als die kumulierte Überentnahme der Jahre ab 1999, sind die nicht abziehbaren Schuldzinsen aufgrund dieses Werts zu ermitteln. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass ein in der Totalperiode erwirtschafteter Verlust die Bemessungsgrundlage für die nicht abziehbaren Schuldzinsen nicht erhöht.
Gleichzeitig ist es dadurch ohne Bedeutung, zu welchem (zufälligen) Zeitpunkt zwischen 1999 und dem jeweiligen zu beurteilenden Veranlagungszeitraum Gewinne oder Verluste, Entnahmen oder Einlagen zu verzeichnen waren, was der periodenübergreifend berechneten Bemessungsgrundlage in § 4 Abs. 4a Satz 3 erster Halbsatz EStG entspricht.
Der BFH widerspricht damit der Ansicht der Finanzverwaltung, die den Verlust eines aktuellen Jahres anders behandelt als den Verlust aus Vorjahren und damit der Totalperiode. Der BFH weist dabei selbst darauf hin, dass sich bei der von ihm bestimmten Vorgehensweise die im nämlichen Zeitpunkt noch durch einen Gewinn gedeckte und insofern guten Glaubens getätigte Entnahme durch spätere Verluste in eine Überentnahme verwandeln kann.
Das ist seiner Ansicht nach aber hinzunehmen, weil die generelle Kürzung des Hinzurechnungsbetrags um 2.050 € zunächst sicherstellt, dass ein Mindestbetrag zur Deckung des grundlegenden Lebensbedarfs stets entnommen werden kann.
Darüber hinaus ist es die freie Entscheidung des Unternehmers, ob er im Vertrauen darauf, dass der einmal erzielte Gewinn nicht zum Ausgleich mit künftigen Verlusten benötigt wird, diesen entnimmt oder aus Gründen der Vorsicht stehen lässt.
Praxishinweis
Der BFH hat mit dieser Entscheidung die Streitfrage geklärt, wie Verluste aus Vorjahren in die Berechnung von nicht abziehbaren Schuldzinsen einzubeziehen sind. Das gibt Rechtssicherheit, falls die Finanzverwaltung dem folgen sollte und keinen Nichtanwendungserlass herausgibt.
In der Sache selbst ist die Entscheidung des BFH nachvollziehbar, die Berechnung allerdings insoweit aufwendig, als dass die erforderlichen Angaben nicht in einer Gewinnermittlung enthalten sind, sondern aus allen Gewinnermittlungen seit 1999 einzeln herausgesucht werden müssen.
Dies ist aber wohl hinzunehmen, um eine ansonsten mögliche Gestaltung der Überentnahmen durch den Steuerpflichtigen zu vermeiden. Unternehmer und deren Berater sollten also darauf achten, dass die Gewinnermittlungen seit 1999 vorgehalten werden, auch wenn die Festsetzungsverjährung für diese Jahre teilweise schon lange abgelaufen ist.
BFH, Urt. v. 14.03.2018 - X R 17/16
Quelle: RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht