Wann greift die Grunderwerbsteuer bei Gesellschaften? Der BFH hat die Regeln für steuerbare Anteilsvereinigungen näher bestimmt. Demnach ist bei einer zwischengeschalteten Personengesellschaft („RETT-Blocker“), die an einer Gesellschaft mit Grundbesitz beteiligt ist, nicht die sachenrechtliche Beteiligung am Gesamthandsvermögen, sondern die Beteiligung am Gesellschaftskapital ausschlaggebend.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 28.02.2024 (II R 7/22) entschieden, dass für die Ermittlung einer steuerbaren Anteilsvereinigung i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG auch mittelbare, über eine Personengesellschaft gehaltene Anteile an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft zu berücksichtigen sind.
Insoweit besteht kein Vertrauensschutz aufgrund früherer Rechtsprechung des BFH, nach der mittelbar über eine Personengesellschaft gehaltene Anteile nicht für die Ermittlung der Anteilsgrenze maßgeblich waren.
Sachlage im Streitfall
Die Klägerin ist eine luxemburgische Kapitalgesellschaft, die als Kommanditistin an einer in Deutschland ansässigen KG zu 100 % beteiligt war.
Die Komplementärin war am Vermögen der KG nicht beteiligt. Im Jahr 2012 erwarb die Klägerin 94 % der Anteile an einer grundbesitzenden Personengesellschaft. Die KG erwarb die restlichen 6 %.
Nach Anzeige dieses Erwerbsvorgangs im Jahr 2019 gelangte das Finanzamt (FA) zu der Auffassung, dass durch den Erwerbsvorgang, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG in der im Streitzeitraum anwendbaren Fassung erfüllt seien und setzte entsprechend Grunderwerbsteuer auf den mittelbar erworbenen Grundbesitz fest.
Die Klägerin wandte sich gegen diese Festsetzung. Nach der bisherigen BFH-Rechtsprechung und der Auffassung der Finanzverwaltung zum Erwerbszeitpunkt der Anteile an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft seien die Voraussetzungen für eine Anteilsvereinigung i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG nicht erfüllt gewesen.
Zu diesem Zeitpunkt wurde für die Ermittlung der Anteilsgrenze die sachenrechtliche Beteiligung am Gesamthandsvermögen berücksichtigt. Insoweit machte die Klägerin auch Vertrauensschutz geltend.
Nach erfolglosem Verfahren vor dem Finanzgericht sah der BFH die Revision der Klägerin als unbegründet an und wies diese daher zurück.
Mittelbare Anteilsvereinigung
Ist in dem Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück enthalten, so unterliegen diejenigen Rechtsgeschäfte der Grunderwerbsteuer, die den Anspruch auf Übertragung von Anteilen begründen, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile in einer Hand vereinigt werden. Zwischenzeitlich wurde die Anteilsgrenze auf 90 % abgesenkt.
Nach der Entscheidung des BFH vom 27.09.2017 (II R 41/15) sind für die Ermittlung der Anteilsgrenze i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG auch mittelbar über eine Personengesellschaft gehaltene Anteile an einer Kapitalgesellschaft zu berücksichtigen.
Für die Ermittlung der mittelbaren Beteiligung über eine Personengesellschaft ist die Beteiligung am Gesellschaftskapital und nicht die sachenrechtliche Beteiligung am Gesamthandsvermögen maßgeblich, da die rechtlich begründeten Einflussmöglichkeiten auf die grundbesitzende Kapitalgesellschaft entscheidend sind.
Anwendung der Grundsätze auf den Streitfall
Diese Leitsätze zu Grunde gelegt, hat die Klägerin durch den Anteilserwerb im Jahr 2012 mindestens 95 % der Anteile an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft in ihrer Hand vereinigt.
Die mittelbar über die Personengesellschaft gehaltenen Anteile i.H.v. 6 % sind in die Ermittlung der Anteilsgrenze gemeinsam mit den 94 % durch die Klägerin selbst erworbenen Anteile miteinzubeziehen.
Der BFH sieht in der rückwirkenden Anwendung seiner geänderten Rechtsprechung auch keinen Verstoß gegen den Vertrauensschutz, da es sich nicht um eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung zum damaligen Anteilsbegriff gehandelt habe.
Die Abweisung eines entsprechenden Billigkeitsantrags auf abweichende Festsetzung der Grunderwerbsteuer durch das FA sah der BFH ebenfalls als rechtmäßig an.
Praxishinweis
Die im Streitfall behandelten sog. RETT-Blocker-Strukturen waren in der Vergangenheit ein populäres Mittel, um bei dem mittelbaren Anteilserwerb an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft die Entstehung der Grunderwerbsteuer zu vermeiden.
Durch den anteiligen Erwerb der Anteile über eine Personengesellschaft konnte vermieden werden, den Ersatztatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG auszulösen. Dies entsprach bis zu dem Urteil des BFH vom 27.09.2017 auch der höchstrichterlichen Rechtsprechung.
Mit seinem neuen Urteil vom 28.02.2024 änderte der BFH jedoch seine Grundsätze und berücksichtigte für die Ermittlung der Anteilsgrenze die anteilige Beteiligung am Vermögen einer Kapitalgesellschaft über eine Personengesellschaft.
Die Anzeige der Klägerin aus dem Jahr 2019 führte dazu, dass auch die zum Anzeigezeitpunkt maßgebliche Rechtsprechung einzubeziehen war. Ein Vertrauensschutz auf die Anwendung der damaligen Rechtsprechung bestand aber nicht.
BFH, Urt. v. 28.02.2024 - II R 7/22