Steuerberatung -

Betriebsvermögen lässt sich mittels eines vereinfachten Ertragswertverfahrens ermitteln

Betriebsvermögen wurde durch die Erbschaftsteuerreform 2009 deutlich teurer. Statt der Bilanz mit den abgeschriebenen Buchwerten bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften und dem Stuttgarter Verfahren bei Anteilen an Kapitalgesellschaften sind jetzt als gemeiner Wert die Ertragsaussichten der Zukunft entscheidend.

Lässt sich der Ansatz bei Betriebsvermögen von Einzelunternehmen, Freiberuflern und Beteiligungen an Personen- und Kapitalgesellschaften nicht aus den im Jahr vor der Erbschaft oder Schenkung getätigten Verkäufen, den aktuellen Kursen bei börsennotierten Unternehmen oder den in Wirtschaftskreisen auch für außersteuerliche Zwecke üblicherweise angewandten Bewertungsmethoden berechnen, gibt es ein vorgegebenes vereinfachtes Ertragswertverfahren, das unabhängig von der Größe für alle Unternehmen gilt. Durch diese Pauschalrechnung soll es möglich sein, ohne hohen Ermittlungsaufwand oder Gutachterkosten einen Unternehmenswert auf der Grundlage der Ertragsaussichten zu ermitteln.

Hierzu hat die Finanzverwaltung jetzt die Grundlagen für die Bewertung von Anteilen an Kapitalgesellschaften und Betriebsvermögen in einem aktualisierten und redaktionell überarbeiteten Erlass neu zusammengefasst und im Bundessteuerblatt veröffentlicht. Das umfangreiche Schreiben ist zwar nur für die Finanzämter verbindlich, die Anweisungen bieten Erben und Beschenkten aber eine verlässliche Richtschnur im Umgang mit der Verwaltung. Der Erlass zur Anwendung des Bewertungsgesetzes gilt für Bewertungsstichtage nach dem 30.06.2011 und ersetzt für diese Erwerbe den vorherigen Erlass aus dem Juni 2009.

Der Steuerpflichtige hat ein Wahlrecht, das vereinfachte Ertragswertverfahren anzuwenden. Die Grundlage dieses Verfahrens bildet der zukünftig nachhaltig zu erzielende Jahresertrag, wobei die in der Vergangenheit tatsächlich erzielten Durchschnittserträge eine Beurteilungsgrundlage bilden. Daher wird der Durchschnittsertrag regelmäßig aus den Betriebsergebnissen der letzten drei vor dem Bewertungsstichtag abgelaufenen Wirtschaftsjahre hergeleitet:

  • Hat sich der Charakter des Unternehmens nachhaltig geändert oder ist es neu entstanden, ist ein verkürzter Ermittlungszeitraum zugrunde zu legen. Dabei wird die Summe der Betriebsergebnisse durch 2 dividiert, weil der verkürzte Ermittlungszeitraum stets zwei volle Wirtschaftsjahre umfasst.
  • Bei Neugründungen innerhalb eines Jahres vor dem Bewertungsstichtag gilt kein vereinfachtes Ertragswertverfahren.
  • Bei Umwandlung, Einbringung von Betrieben oder Teilbetrieben oder Umstrukturierungen ist bei der Ermittlung des Durchschnittsertrags von den früheren Betriebsergebnissen auszugehen. Soweit sich die Änderung der Rechtsform auf den Jahresertrag auswirkt, werden die früheren Betriebsergebnisse entsprechend korrigiert.
  • Wird anstelle des drittletzten abgelaufenen Wirtschaftsjahres wegen der Bedeutung für den künftig zu erzielenden Jahresertrag ein noch nicht abgelaufenes einbezogen, erfolgt dies mit dem vollen Betriebsergebnis und nicht nur zeitanteilig. Die Summe wird durch 3 dividiert.
  • Statt des Rumpfwirtschaftsjahres bei Neugründung wird das Betriebsergebnis des letzten, noch nicht abgelaufenen Wirtschaftsjahres einbezogen.
  • Sofern feststeht, dass sich der künftige Jahresertrag durch bekannte Umstände wie den Tod des Unternehmers nachhaltig verändert, muss dies bei der Ermittlung des Durchschnittsertrags entsprechend berücksichtigt werden.

Ausgangswert für die einzelnen Betriebsergebnisse ist der Steuergewinn und nicht das zu versteuernde Einkommen. Bei Kapitalgesellschaften ist dieser um Gewinnausschüttungen zu erhöhen und um Einlagen zu mindern. Ergebnisse aus den Sonderbilanzen und Ergänzungsbilanzen bleiben unberücksichtigt. Da der Gewinn zugrunde liegt, entfallen Korrekturen bei nicht abziehbaren Betriebsausgaben. Bildung oder Auflösung eines Investitionsabzugsbetrags beeinflussen den Gewinn nicht. Dafür ist der Ausgangswert des einzelnen Betriebsergebnisses hinsichtlich solcher Vermögensminderungen oder -mehrungen zu korrigieren, die einmalig sind oder jedenfalls den künftig nachhaltig erzielbaren Jahresertrag nicht beeinflussen. Das gilt etwa für die AfA auf den Geschäfts- oder Firmenwert, einmalige Veräußerungserträge, außerordentliche Aufwendungen oder Ertragsteueraufwand wie Körperschaft- und Zuschlagsteuer.

Praxishinweis

Das Finanzamt hat den im vereinfachten Ertragswertverfahren ermittelten Wert zugrunde zu legen, wenn das Ergebnis nicht offensichtlich unzutreffend ist. Dann liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des Wahlrechts nicht vor und die Bewertung ist nach allgemeinen Grundsätzen vorzunehmen. Das kommt in Betracht bei:

  • Erkenntnissen über eine offensichtlich unzutreffende Wertermittlung:

    1. Vorliegen zeitnaher Verkäufe, wenn diese nach einem oder mehr als einem Jahr vor dem Bewertungsstichtag liegen
    2. Erbauseinandersetzungen, bei denen die Verteilung der Erbmasse Rückschlüsse auf den gemeinen Wert zulässt

 

  • Vorliegen begründeter Zweifel:

    1. komplexe Strukturen von verbundenen Unternehmen
    2. neu gegründete Unternehmen, bei denen der künftige Jahresertrag noch nicht aus den Vergangenheitserträgen abgeleitet werden kann, da hier regelmäßig hohe Gründungs- und Ingangsetzungsaufwendungen zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führen
    3. Branchenwechsel eines Unternehmens, bei dem deshalb der künftige Jahresertrag noch nicht aus den Vergangenheitserträgen abgeleitet werden kann
    4. besondere Umstände, durch die der künftige Jahresertrag nicht aus den Vergangenheitserträgen abgeleitet werden kann – z.B. Wachstumsunternehmen, branchenbezogene oder allgemeine Krisensituationen oder absehbare Änderungen des künftigen wirtschaftlichen Umfelds
    5. grenzüberschreitende Sachverhalte, bei denen nicht davon ausgegangen werden kann, dass der andere Staat die Ergebnisse des vereinfachten Ertragswertverfahrens seiner Besteuerung zugrunde legt

Die Verwaltung hat grundsätzlich keine Bedenken, dass in diesen Fällen der Substanz- als Mindestwert angesetzt wird, sofern dies nicht zu unzutreffenden Ergebnissen führt. In die Ermittlung des Substanzwerts sind alle Wirtschaftsgüter einzubeziehen, die zum Betriebsvermögen gehören.

FinMin Baden-Württemberg, Erlass v. 17.05.2011 - 3 – S-371.5/9, BStBl I 2011, 606
FinMin Baden-Württemberg, Erlass v. 25.06.2009 - 3 – S-3715 / 9, BStBl I 2009, 698
FinMin Baden-Württemberg, Erlass v. 05.05.2009 - 3 – S-3715 / 9

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 10.08.11