Steuerberatung -

Datenschutz: Dürfen private E-Mails bei Kündigungen verwertet werden?

Das LAG Niedersachsen hat am 31.05.2010 in einer Entscheidung zur Kündigung eines unkündbaren Mitarbeiters im öffentlichen Dienst auch Stellung zur Verwertung privater E-Mails von Arbeitnehmern durch den Arbeitgeber genommen.

Geklagt hatte ein nach § 34 Abs. 2 TVöD-VKA unkündbarer stellvertretender Leiter eines Bauamts. Er war gekündigt worden, nachdem die Arbeitgeberin entdeckt hatte, dass er exzessiv seinen Dienst-PC für private E-Mails nutzte, teilweise arbeitstäglich mehrere Stunden.

Nachdem die erste Instanz der Kündigungsschutzklage stattgab, hat das LAG Niedersachsen die Rechtmäßigkeit der Kündigung festgestellt. Es verwies darauf, dass ein Arbeitnehmer bei einer privaten Internetnutzung während der Arbeitszeit grundsätzlich seine (Hauptleistungs-)Pflicht zur Arbeit verletzt. Die private Nutzung des Internets darf die Erbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung nicht erheblich beeinträchtigen. Die Pflichtverletzung wiegt dabei umso schwerer, je mehr der Arbeitnehmer bei der privaten Nutzung des Internets seine Arbeitspflicht in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht vernachlässigt. Deshalb muss es jedem Arbeitnehmer klar sein, dass er mit einer exzessiven Nutzung des Internets während der Arbeitszeit seine arbeitsvertraglichen Haupt- und Nebenpflichten erheblich verletzt. Es bedarf daher in solchen Fällen auch keiner Abmahnung. Bei exzessiver Privatnutzung eines Dienst-PC kommt deshalb eine außerordentliche Kündigung auch ohne Ausspruch einer vorherigen Abmahnung in Betracht.

Im Arbeitsgerichtsprozess hat der Arbeitgeber die zur Kündigung führenden Gründe darzulegen und zu beweisen. Dabei hat er die datenschutzrechtlichen Vorschriften zu beachten. Gestattet jedoch ein Arbeitgeber seinen Mitarbeitern, den Arbeitsplatzrechner auch zum privaten E-Mail-Verkehr zu nutzen und E-Mails, die von den Mitarbeitern nicht unmittelbar nach Eingang oder Versendung gelöscht werden, im Posteingang oder -ausgang zu belassen oder in anderen auf lokalen Rechnern oder zentral gesicherten Verzeichnissen des Systems abzuspeichern, unterliegt der Zugriff des Arbeitgebers oder Dritter auf diese Datenbestände nicht den rechtlichen Beschränkungen des Fernmeldegeheimnisses. Schutz gegen die rechtswidrige Auswertung dieser erst nach Beendigung des Übertragungsvorgangs angelegten Daten wird nur durch die Grundrechte auf informationelle Selbstbestimmung bzw. auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme gewährt. Die Beklagte hat vorliegend nicht § 15 Telemediengesetz bzw. § 88 Telekommunikationsgesetz verletzt, da sie im Sinne dieser Spezialgesetze nicht als "Dienstanbieter" von Telekommunikationsdienstleistungen anzusehen ist. Bei einer Kollision des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers mit den Interessen des Arbeitgebers ist durch eine Güterabwägung im Einzelfall zu ermitteln, ob das allgemeine Persönlichkeitsrecht den Vorrang verdient.

Im vorliegenden Fall ergab eine Interessenabwägung, dass die Beklagte den privaten E-Mail-Verkehr des Klägers zur Wahrnehmung eigener Rechte in den Kündigungsschutzprozess einführen durfte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte die private Nutzung des dienstlichen E-Mail-Systems nicht ausdrücklich schriftlich gestattet, sondern lediglich geduldet hat. Ferner war zu berücksichtigen, dass die Beklagte, da dem Kläger ein Büro zur alleinigen Nutzung zugewiesen war, keine Möglichkeit hatte, das Arbeitsverhalten des Klägers durch ein milderes Mittel wie z.B. die soziale Kontrolle durch andere Mitarbeiter zu beeinflussen. Dem Kläger ist als stellvertretendem Leiter des Bauamts arbeitgeberseitig ein Vertrauensvorschuss dahin gehend gegeben worden, dass er seine Arbeiten selbständig und ordnungsgemäß erledigt. Dieses Vertrauen hat der Kläger, wie der vorgelegte exzessive private E-Mail-Verkehr zeigt, massiv enttäuscht. Die mit der im Prozess vorgenommenen Auswertung der E-Mails verbundene Persönlichkeitsverletzung musste der Kläger daher mit Rücksicht auf die berechtigten Belange der Beklagten hinnehmen.

Die Revision hat das LAG Niedersachsen nicht zugelassen.

LAG Niedersachsen, Urt. v. 31.05.2010 - 12 Sa 875/09

Quelle: Redaktion Steuern - vom 28.07.10