Steuerberatung -

Entschuldbarer Rechtsirrtum über Offenlegungspflicht

Wenn eine Gesellschaft meint, infolge der offengelegten Liquidationsschlussbilanz nicht mehr offenlegungspflichtig zu sein i.S.d. §§ 325 ff. HGB, liegt ein entschuldbarer Rechtsirrtum vor, der das für die Festsetzung von Ordnungsgeld erforderliche Verschulden beseitigt.

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes wegen der verspäteten Einreichung ihrer Jahresabschlussunterlagen bei dem elektronischen Bundesanzeiger.

Das Landgericht Bonn (LG) hebt die Ordnungsgeldentscheidung auf. Zunächst führt das Gericht aus, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Festsetzung des Ordnungsgeldes nach § 335 Abs. 3 Satz 4 HGB vorgelegen hätten, da die zu veröffentlichenden Angaben nicht innerhalb der gesetzlichen Frist gem. § 325 Abs. 1 Satz 2 HGB und auch nicht innerhalb der vom Bundesamt für Justiz gesetzten Nachfrist gem. § 335 Abs. 3 Satz 1 HGB eingereicht wurden. Obwohl die Auflösung der Gesellschaft bereits beschlossen und eine Schlussbilanz mit dem Abschlussstichtag (30.06.2007) offengelegt worden sei, bestehe eine Offenlegungspflicht zu dem nächsten Abschlussstichtag (30.06.2008).

Die Beschwerdeführerin unterliege als in das Handelsregister eingetragene und als Liquidationsgesellschaft fortbestehende Kapitalgesellschaft den Publizitätspflichten aus den §§ 325 ff. HGB. Die Offenlegungspflicht gelte auch gem. § 71 Abs. 1 und Abs. 3 GmbHG für den Fall der Liquidation. Denn auch bei einem Liquidationsverfahren sollen Gläubiger und Gesellschafterinteressen gewahrt werden, indem periodisch über den Vermögensstand und das Fortschreiten der Abwicklung der Gesellschaft informiert werde.

Das LG Bonn führt jedoch aus, dass es unter der besonderen Berücksichtigung aller Umstände des Falls an dem für die Festsetzung eines Ordnungsgeldes erforderlichen Verschulden der Beschwerdeführerin fehle. Sie sei als Kapitalgesellschaft verpflichtet, geeignete organisatorische Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass sie ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachkomme. Jedoch sei sie nach Offenlegung der Liquidationsschlussbilanz davon ausgegangen, nicht mehr zu einer weiteren Offenlegung verpflichtet gewesen zu sein. Dieser Rechtsirrtum sei nicht schuldhaft, so das LG Bonn, da die abweichende Rechtsansicht der Beschwerdeführerin auf einer gut vertretbaren Argumentation beruhe. Insbesondere habe sie mehrere Literaturstimmen für ihre Argumentation angeführt. Zudem hätten die Ausführungen des Bundesamts für Justiz im Rahmen des vorgeschalteten Beschwerdeverfahrens keine konkreten fallbezogenen Argumente beinhaltet, durch welche sie zu einer anderen rechtlichen Würdigung hätte kommen müssen. Im Gegenteil zeige diese Diskussion, dass die Beschwerdeführerin ihren kaufmännischen Sorgfaltspflichten genügt habe, sich zuverlässig über die Rechtslage zu informieren.

Hinweis: Zu berücksichtigen ist, dass eine in Liquidation befindliche Gesellschaft weiterhin zur Offenlegung ihrer Jahresabschlussunterlagen gem. den §§ 325 ff. HGB verpflichtet ist. Selbst wenn sie keine konkreten unternehmerischen Tätigkeiten durchführt, hat sie dennoch ihren Publizitätspflichten nachzukommen. Dies wird häufig übersehen. Im vorliegenden Fall wurde das wegen Verstoßes gegen die Offenlegungspflicht verhängte Bußgeld nur aufgehoben, weil das Gericht kein Verschulden in Bezug auf die falsche Einschätzung, die Liquidationsgesellschaft sei von der Publizitätspflicht befreit, feststellen konnte.

LG Bonn, Beschl. v. 23.07.2010 - 11 T 246/10

Quelle: Redaktion Steuern - vom 07.12.10