Der BFH hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass die Aufwendungen für eine Unterbringung in einem Seniorenwohnstift als außergewöhnliche Belastungen absetzbar sind. Dies gilt für den Wohnkostenanteil und die Kosten für eine krankheitsbedingte Grundversorgung, soweit diese nicht außerhalb des üblichen Rahmens liegen. Die abzugsfähigen Aufwendungen müssen allerdings um eine Haushaltsersparnis gekürzt werden.
Der BFH stuft Aufwendungen für die Unterbringung in einem Seniorenwohnstift in seiner Entscheidung vom 14.11.2013 grundsätzlich als außergewöhnliche Belastungen ein. Denn Aufwendungen, die krankheitsbedingt für die Unterbringung in einer Senioreneinrichtung entstehen, sind „zwangsläufig“ i.S.d. § 33 EStG und damit nach den Grundsätzen, die für Krankheitskosten gelten, als außergewöhnliche Belastungen zu behandeln. Voraussetzung ist aber, dass sich die Aufwendungen im Rahmen des Üblichen bewegen.
Im Streitfall bewohnte eine behinderte und pflegebedürftige Seniorin nach dem Tod ihres Ehegatten ein Apartment mit knapp 75 m² Wohnfläche in einem Seniorenwohnstift.
Neben der monatlichen Miete zahlte die Seniorin einen Pauschalbetrag für eine Reihe von Leistungen, nämlich für:
- Verpflegung,
- Nutzung von Gemeinschaftseinrichtungen,
- eine allgemeine altengerechte ganztätige Grundbetreuung,
- Therapieangebote,
- ständige Notrufbereitschaft,
- Vermittlung ärztlicher Versorgung und Grundpflege (bei leichten vorübergehenden Erkrankungen).
Die Seniorin hatte zudem einen Pflegevertrag abgeschlossen, der Pflegeleistungen durch einen ambulanten Pflegedienst der Senioreneinrichtung umfasste. Auf die Vergütung, die sich aus den beiden Verträgen ergab, wurden die Zahlungen angerechnet, die von der Pflege- und Krankenversicherung der Seniorin geleistet wurden. Der verbleibende Restbetrag wurde ihr gesondert berechnet.
Diesen Restbetrag setzte sie als außergewöhnliche Belastungen in ihren Einkommensteuererklärungen an. Allerdings erkannten das Finanzamt und im Nachgang auch das Finanzgericht lediglich einen Teilbetrag als außergewöhnliche Kosten an. Dies sah der BFH aber als nicht rechtmäßig an.
Nach Ansicht des BFH stellen diejenigen Beträge, die bei einer Unterbringung einer Person in einem Apartment angefallen wären, dem Grunde nach auch außergewöhnliche Belastungen dar. Abzugsfähig sind damit die Aufwendungen, die durch die Krankheit der Seniorin entstanden sind - also neben den Aufwendungen für die Wohnung auch die Kosten für die krankheitsbedingte Grundversorgung.
Diese Aufwendungen sind allerdings noch - wie bei außergewöhnlichen Belastungen üblich - um eine sog. Haushaltsersparnis zu kürzen. Diese Haushaltsersparnis entsteht dadurch, dass Kosten, die ansonsten für den eigenen Haushalt erbracht werden müssten, durch die Unterbringung gespart werden.
Wenn - was im Entscheidungsfall nicht klar war - Teile dieser Kosten von der Kranken- oder Pflegeversicherung übernommen werden, führt dies zu einer weiteren Kürzung in entsprechender Höhe. Der Steuerpflichtige kann also lediglich den ihn belastenden Teil der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen geltend machen.
Nach Ansicht des BFH, die er auch schon in seinem Urteil vom 24.02.2000 vertreten hatte, kann neben der Absetzbarkeit der genannten Aufwendungen nicht auch noch der Pauschbetrag gem. § 33a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 EStG gewährt werden. Denn in diesem Fall würden die Heimunterbringungskosten, die auf die vereinbarten Dienstleistungen entfallen, doppelt berücksichtigt.
Der BFH hat die Sache an das zuständige Finanzgericht zurückverwiesen, weil noch zu klären war, ob sich die geltend gemachten Unterbringungskosten im Rahmen des Üblichen bewegten. Dies könnte insbesondere wegen der Größe des gemieteten Apartments fraglich sein: Mit rund 75 m² ist die Wohnfläche möglicherweise für eine Person zu groß bemessen.
Sollte sich vor dem Finanzgericht noch herausstellen, dass die krankheitsbedingten Unterbringungskosten in einem offensichtlichen Missverhältnis zu dem medizinisch indizierten Aufwand stehen, würde dies zu einer entsprechenden Kürzung der als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigenden Aufwendungen führen.
Praxishinweis
Zurzeit ist noch nicht abschließend geklärt, ob bei Krankheitskosten eine zumutbare Belastung mindernd zu berücksichtigen ist. Momentan sind hierzu beim BFH noch zwei Revisionsverfahren anhängig (Aktenzeichen VI R 32/13 und VI R 33/13). Unter Hinweis auf diese Verfahren können daher für Einkommensteuerbescheide, in denen Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen nur unter Kürzung um eine zumutbare Belastung angesetzt worden sind, eine vorläufige Steuerfestsetzung gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO beantragt oder Einspruch - verbunden mit einem Antrag auf Ruhen des Verfahrens - eingelegt werden.BFH, Urt. v. 14.11.2013 - VI R 20/12
BFH, Urt. v. 24.02.2000 - III R 80/97, BStBl 2000 II 294
Quelle: StB und Fachanwalt für Steuerrecht Scholz