Steuerberatung -

Steuerberaterhaftung: Hinweispflicht auf irrtümlich ermäßigte Umsatzsteuer

Ein Steuerberater ist verpflichtet, seinen Mandanten auf steuerrechtliche Irrtümer hinzuweisen. Die dem Mandanten durch eine rechtmäßige Steuernachforderung entstandenen Aufwendungen können dann einen ersatzfähigen Schaden darstellen, wenn er nachweist, dass er bei pflichtgemäßer Aufklärung durch seinen Steuerberater die sich bei Berechnung des korrekten Mehrwertsteuersatzes ergebenden höheren Preise für die Produkte, die von ihm vertrieben werden, hätte durchsetzen können.

In dem vom OLG entschiedenen Fall nahm der Kläger, der im Getränkeeinzelhandel tätig ist und den Großteil seiner Umsätze durch Veräußerung von Getränken in Automaten erzielt, den beklagten Steuerberater auf Schadenersatz in Anspruch. Er begründete dies damit, dass der Steuerberater ihn nicht darauf hingewiesen habe, dass beim Verkauf von Getränken aus Automaten nicht ein ermäßigter Umsatzsteuersatz gilt, sondern Umsatzsteuer in voller Höhe zu entrichten sei. Auf dieser Grundlage begehrt der Kläger im Wesentlichen den Ersatz von ihm nachgezahlter Umsatzsteuerbeträge und Verzugszinsen, wie sie das Finanzamt in den jeweiligen Steuerbescheiden gegen ihn festgesetzt hatte. Der Steuerberater hielt dem entgegen, dem Kläger sei kein Schaden entstanden. Denn dieser hätte höhere Preise auf dem Markt nicht durchsetzen können.

Dieser Argumentation ist das OLG nicht gefolgt. Der Schadenersatz sei nämlich auf Grundlage des § 280 Abs. 1 BGB gegeben. Zur Begründung hält das Gericht fest, dass der Steuerberater seine Pflichten gegenüber dem Kläger verletzt habe. Insbesondere müsse er seinen Mandanten vor Schaden bewahren. Konkret habe er ihn in die Lage zu versetzen, eigenverantwortlich seine Rechte und Interessen zu wahren, um so eine Fehlentscheidung vermeiden zu können. Unter Zugrundelegung dieses Pflichtenumfangs hätte der Steuerberater seinen Mandanten darauf hinweisen müssen, dass auf aus Automaten verkaufte Getränke grundsätzlich der volle Umsatzsteuersatz anzumelden und abzuführen sei. Durch die Pflichtverletzung sei dem Mandanten auch der geltend gemachte Schaden entstanden. Der haftende Steuerberater müsse den Mandanten nämlich so stellen, wie dieser bei pflichtgemäßem Verhalten des Beraters stünde. Dazu müsse die tatsächliche Gesamtvermögenslage des Mandanten derjenigen gegenübergestellt werden, die sich ohne den Fehler des Steuerberaters ergeben hätte. Maßgeblich sei hier die Frage, ob es dem Kläger gelungen wäre, die (höhere) Umsatzsteuer an die Kunden weiterzugeben. Diese Frage wird vom OLG bejaht. Denn zum einen handele es sich bei den Getränken um Produkte im Niedrigstpreisniveau. Zum anderen wäre die Erhöhung des Produktpreises bei zutreffendem Umsatzsteuerausweis moderat gewesen. Schließlich sei auch die Möglichkeit für den jeweiligen Verbraucher, der Preiserhöhung auszuweichen, als gering einzuschätzen. Ein Anbieterwechsel komme nämlich nur dann in Betracht, wenn dieser im gleichen Gebäude die gleichen Produkte anbiete. Andere Anbieter (z.B. Cafés) seien keine Mitbewerber auf dem entsprechenden Marktsegment, da deren Angebot schon vom Preisniveau nicht vergleichbar und für den jeweiligen Kunden nicht erreichbar sei.

Die Entscheidung unterstreicht die Notwendigkeit einer sog. Differenzbetrachtung im Steuerberaterhaftungsrecht. Während die Frage der Pflichtverletzung im zu entscheidenden Fall relativ einfach zu beantworten war, musste deren Ursächlichkeit für den Schaden des Mandanten näher durchleuchtet werden. Bei dieser Prüfung ist danach zu fragen, ob die Vermögenseinbuße des Mandanten nicht auch bei pflichtgemäßer Beratung durch den Steuerberater eingetreten wäre. Bei falsch ausgewiesener Umsatzsteuer musste folglich geprüft werden, ob ein teureres Produktangebot am Markt überhaupt angenommen worden wäre.

OLG Celle, Urt. v. 24.02.2010 - 3 U 170/09

Quelle: Redaktion Steuern - vom 04.05.10