VRD © fotolia.de

Steuerberatung, Beraterpraxis, Top News, Steuerfachangestellte -

Steuerfreie Bezüge: Öffentliche Leistungen über Privatfirmen

Können öffentliche Mittel auch dann gemäß § 3 EStG steuerfrei sein, wenn sie über zwischengeschaltete private Unternehmen ausgezahlt werden? Der BFH hat diese Frage im Fall einer Erzieherin, die mehrere Pflegekinder in ihren Haushalt aufgenommen hatte, bejaht. Die Finanzrichter stellten auch klar, nach welchen Kriterien steuerfreie von erwerbsmäßigen Betreuungsleistungen abgegrenzt werden können.

Eine freiberufliche Erzieherin hatte seit 2005 in ihrem Haushalt zwei fremde Pflegekinder aufgenommen. Für deren Betreuung erhielt sie ihr Honorar von einem privatrechtlichen Unternehmen, das im Bereich Kinder- und Jugendhilfe tätig war. Das Unternehmen selbst refinanzierte sich über die zuständige Stadtverwaltung aus öffentlichen Haushaltsmitteln.

Während die Erzieherin das erhaltene Entgelt nach § 3 Nr. 11 EStG als steuerfrei ansah, setzte das Finanzamt jedoch im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung bei der Erzieherin dieses Honorar als Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit an. Sowohl der dagegen eingelegte Einspruch als auch die Klage der Erzieherin blieben erfolglos.

Der BFH hat sich jetzt auf die Seite der Erzieherin gestellt. Begründung: Nach § 3 Nr. 11 S. 1 EStG sind u.a. Bezüge aus öffentlichen Mitteln steuerfrei, wenn die Mittel bewilligt werden, um die Erziehung unmittelbar zu fördern.

Öffentliche Mittel auch bei Zahlung über Dritte

Öffentliche Mittel liegen dann vor, wenn sie aus einem öffentlichen Haushalt stammen. Diese Voraussetzung ist auch dann gegeben, wenn die Haushaltsmittel nicht unmittelbar aus einer öffentlichen Kasse stammen, sondern mittelbar über Dritte gewährt werden. Hierzu ist aber eine weitere Anforderung, dass die Mittel nach Maßgabe der haushaltsrechtlichen Vorschriften verfügt werden und ihre Verwendung im Einzelnen einer gesetzlich geregelten Kontrolle unterliegt. Das privatrechtliche Unternehmen hatte diese Pflege- und Erziehungsgelder im Rahmen der öffentlichen Jugendhilfe von den Jugendämtern erhalten.

Erforderlich ist ein sogenanntes Pflegekindschaftsverhältnis, das durch Abschluss von zivilrechtlichen Pflegeverträgen zwischen Jugendamt und Pflegeeltern begründet wird. Obwohl das Pflegeverhältnis hier in zivilrechtlicher Form u.a. durch Übertragung des Erziehungsrechts begründet wurde, ist die Zahlung des Pflege- und Erziehungsgelds eine Verausgabung öffentlicher Mittel - auch wenn sie über Dritte geleistet wurde.

Unmittelbare Förderung der Erziehung

Die zur Steuerfreiheit erforderliche unmittelbare Förderung der Erziehung liegt dann vor, wenn die Zuwendungen öffentlicher Mittel die Erziehung ohne ein Dazwischentreten weiterer Ereignisse beeinflusst. Der Senat ist der Ansicht, derartige Zuwendungen lägen insbesondere dann vor, wenn sich der Zahlungsempfänger der Notwendigkeit des Gelderwerbs zum Lebensunterhalt enthoben sieht und dadurch Zeit hat, sich der Erziehung zu widmen.

Erziehung i.S.d. § 3 Nr. 11 EStG ist jede planmäßige Tätigkeit zur körperlichen, geistigen und sittlichen Formung junger Menschen, die alle Bestrebungen, Vorgänge und Tätigkeiten zur Beeinflussung des Entwicklungsvorgangs erfasst. Die Unmittelbarkeit der Förderung der Erziehung ist schon deshalb gegeben, weil die Zuwendungen öffentlicher Mittel die Erziehung ohne Dazwischentreten weiterer Ereignisse beeinflusst. Ein solches Ereignis könnte die Erwerbstätigkeit der Pflegeperson sein. Bei einer Vollzeitpflege gem. § 33 SGB VIII kann jedoch bei einer Betreuung von bis zu sechs Kindern aufgrund des Anscheinsbeweises ohne nähere Prüfung davon ausgegangen werden, dass keine erwerbsmäßige Pflege vorliegt.

Unmittelbare Förderung durch die öffentliche Beihilfe

Bei Zweifeln an der Unmittelbarkeit der Mittelverwendung kommt es auf Inhalt und Durchführung des Kindschaftsverhältnisses an. So sind bei sogenannten Kostkindern die Mittel vor allem für die Unterbringung und Verköstigung bestimmt, hingegen werden bei Pflegekindschaftsverhältnissen die Zuschüsse darüber hinaus auch für die Erziehung des Kindes verwendet.

Beihilfen i.S.d. § 3 Nr. 11 EStG nur bei Uneigennützigkeit

Zuschüsse im Rahmen eines entgeltlichen Austauschverhältnisses sind keine Beihilfen. Mit der Zahlung sogenannter Pflegegelder ist keine vollständige Ersetzung des sachlichen und zeitlichen Aufwands der Pflegeeltern beabsichtigt. Die Pflegegelder sie ähneln vielmehr den ebenfalls steuerfrei gewährten Zahlungen an die leiblichen Eltern für die Erziehung ihrer Kinder. Dagegen liegt ein entgeltliches Austauschverhältnis vor, wenn Personen Kinder nur des Erwerbs wegen in ihren Haushalt aufgenommen haben. Deshalb sind die Erziehungsgelder an Betreuer sogenannter Tagesgroßpflegestellen mangels Uneigennützigkeit nicht steuerfrei.

Nicht öffentlich-rechtliche Träger können zwischengeschaltet werden

Finanzgericht und Finanzamt hatten das hier vorliegende Pflegekindschaftsverhältnis nach Ansicht des BFH fälschlicherweise mit einem betreuten Wohnen nach § 34 SGB VIII verglichen. Diese Wohnformen sind laut BFH jedoch nur dann nicht steuerfrei, wenn sie die Betreuung in einem institutionalisierten Rahmen anbieten, was bei einem Pflegekindschaftsverhältnis nicht gegeben ist.

Praxishinweis

Um Streit mit dem Finanzamt zu vermeiden, ist im Rahmen eines Pflegekindschaftsverhältnisses ein direkter Mittelzufluss aus der öffentlichen Kasse empfehlenswert. Nur dadurch kann dem Finanzamt, das die Steuerfreiheit gerne über Begründungen wie „Die Kinder werden lediglich verköstigt“ bzw. „Die Kinder werden nicht erzogen, sondern wohnen nur dort“ ablehnt, wirksam entgegengetreten werden. Nichtsdestotrotz zeigt dieses Urteil, dass die Steuerfreiheit auch bei einer zwischengeschalteten dritten Stelle möglich ist.

BFH, Urt. v. 05.11.2014, VIII R 29/11
BMF, Schreiben v. 07.02.1990, IV B 1 - S - 2121 - 5/90, BStBl 1990 I 109
BMF, Schreiben v. 20.11.2007 - IV C 3 - S - 2342/07/0001, BStBl 2007 I 824

Quelle: Rechtsanwalt und Dipl.-Finanzwirt Horst Schirrmann