Mit dem Gesetz über die „strafbefreiende Erklärung“ (Strafbefreiungserklärungsgesetz - StraBEG) wurde für einen begrenzten Zeitraum die Möglichkeit einer Steueramnestie geschaffen. Der BFH hat jetzt in einem Urteil klargestellt, welche Folgen eine solche Erklärung hat, wenn sich nachträglich herausstellt, dass tatsächlich keine Steuerhinterziehung oder Steuerordnungswidrigkeit vorlag.
Der Steuerpflichtige gab 2004 gegenüber dem Finanzamt eine strafbefreiende Erklärung nach dem StraBEG 2004 ab und begehrte Straffreiheit. Er meldete dem Finanzamt für die Jahre 1993 bis 2002 zu Unrecht nicht besteuerte Einnahmen von ca. 5,6 Mio. € und entrichtete die daraufhin vom Finanzamt festgesetzte Steuer in Höhe von 1,4 Mio. €. Die strafbefreiende Erklärung betraf u.a. die Schenkungsteuer für
- die Übertragung des Vermögens einer Stiftung in Liechtenstein,
- die Übertragung von Vermögen auf zwei weitere in Liechtenstein neu gegründete Stiftungen und
- die Rückübertragung an den Steuerpflichtigen.
Zwischenzeitliche rechtliche Entwicklung
Der Steuerpflichtige zahlte die aufgrund seiner strafbefreienden Erklärung angeblich entstandene Steuer in Höhe von ca. 900.000 €. Zwischenzeitlich hatte der BFH im Jahr 2007 in einem anderen Verfahren entschieden, dass die Vermögensübertragung auf eine liechtensteinische Stiftung nicht der Schenkungsteuer unterliegt.
Deshalb beantragte der Steuerpflichtige im Jahr 2008 die Abänderung der Steuerschuld nach § 173 AO wegen neuer Tatsachen und Beweismittel bzw. er beantragte, seine strafbefreiende Erklärung nach § 10 Abs. 3 StraBEG zu ändern und die gezahlten 900.000 € rückerstattet zu bekommen.
Das Finanzamt lehnte ab. Der Einspruch blieb auch erfolglos. Aufgrund einer Klage vor dem FG wurden 300.000 € zurückgezahlt. Der Steuerpflichtige legte Revision ein und rügte die Verletzung des § 10 Abs. 3 i.V.m. § 1 Abs. 1 StraBEG und der §§ 370 und 370a AO sowie die Verletzung des Grundsatzes „in dubio pro reo“; er beantragte die Erstattung von insgesamt 900.000 €.
Die Revision hatte Erfolg; der BFH wies das Finanzamt an, insgesamt 900.000 € zurückzuzahlen.
Argumentation des BFH
Das Gericht bestätigte, dass § 10 Abs. 3 Satz 1 StraBEG auch dann anwendbar ist, wenn die Voraussetzungen für die strafbefreiende Erklärung nicht vorlagen, und zwar, weil mangels Steuerpflicht überhaupt keine Steuerhinterziehung oder Steuerordnungswidrigkeit nach §§ 370, 370a AO vorlag.
Die strafbefreiende Erklärung nach § 1 StraBEG steht gem. § 10 Abs. 2 Satz 1 StraBEG einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Das Finanzamt muss insoweit in jedem Fall prüfen, ob der Steuerpflichtige eine der in § 1 Abs. 1 Satz 1 StraBEG bezeichneten Taten oder eine Ordnungswidrigkeit i.S. des § 6 StraBEG begangen hat.
Fehlt es an einer derartigen Tat, so ist die strafbefreiende Erklärung unwirksam und kann von den Finanzbehörden zurückgewiesen werden. Es kann aber offenbleiben, ob auch die strafbefreiende Erklärung eine wirksame Steuerfestsetzung gem. § 10 Abs. 3 Satz 1 StraBEG ist.
Wenn nämlich die strafbefreiende Erklärung als solche gegenüber dem Finanzamt eine wirksame Steuerfestsetzung war, so ist sie nach § 10 Abs. 3 Satz 1 StraBEG aufzuheben, weil der Steuerpflichtige keine diesbezüglichen Zuwiderhandlungen begangen hat. § 10 Abs. 3 Satz 1 StraBEG ist eine eigenständige Änderungsvorschrift, die nicht die Einlegung eines Einspruchs (§ 347 AO) gegen die ursprüngliche Steuerfestsetzung voraussetzt.
Wenn die Steuerfestsetzung durch eine unwirksame strafbefreiende Erklärung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 StraBEG ebenfalls unwirksam sein sollte, dann dient ihre Aufhebung gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 StraBEG der Beseitigung eines unrichtigen Rechtsscheins.
Die Meinung des FG, § 10 Abs. 3 Satz 1 StraBEG sei nur dann anwendbar, wenn das Fehlen einer Steuerstraftat bzw. Ordnungswidrigkeit positiv festgestellt werden könne, ist unzutreffend, so erklärte der BFH weiter. § 10 Abs. 3 Satz 1 StraBEG sei vielmehr schon dann anwendbar, wenn eine steuerrechtliche Zuwiderhandlung nicht ausgesprochen werden kann.
Der Grundsatz „in dubio pro reo“ gelte auch bei Anwendung des StraBEG mit der Folge, dass bei bestehenden Zweifeln an einer Tatbegehung die Unschuldsvermutung Platz greife und somit das StraBEG mangels strafbarer Zuwiderhandlung gar nicht angewandt werden könne.
Durch die strafbefreiende Erklärung ist jedenfalls der Rechtsschein ihrer vollen Wirksamkeit entstanden, deshalb ist diese Steuerfestsetzung durch Steuerbescheid um den Betrag zu mindern, der auf die nicht steuerpflichtige Schenkung an die Stiftungen entfällt. Die bloße Aussage des FG, es sei insoweit keine Schenkungsteuer entstanden, genügt nicht. Der Herabsetzung der Steuerschuld um 900.000 € steht auch nicht eine Festsetzungsverjährung entgegen, denn diese war zum Zeitpunkt des Änderungsantrags aus 2008 noch nicht abgelaufen.
Praxishinweis
Das StraBEG und die Regeln der Selbstanzeige nach der AO standen bis 2005 selbständig und gleichberechtigt nebeneinander. Jeder Betroffene konnte selbst entscheiden, ob und inwieweit er eine strafbefreiende Erklärung oder eine Selbstanzeige abgibt. Sollte es bei Altfällen um die Anzeige von zu Unrecht nicht versteuerten Einnahmen aus den Jahren 1993 bis 2002 gehen, bei der die „strafbefreiende Erklärung“ nach dem StraBEG in der Zeit vom 01.01.2004 bis zum 31.12.2004 abgegeben wurde, sollte dieser Verfahrensweg dann weiter beschritten werden, wenn eine erneute Abwägung für eine eventuelle Vereinfachung nach dem StraBEG spricht. Als Entscheidungshilfe wird auf das ausführliche Merkblatt des BMF vom 03.02 2004 (IV A 4 - S 1928 - 18/04, BStBl 2004 I. 225) verwiesen.
BFH, Urt. v. 01.10.2014 - II R 6/13
Quelle: Rechtsanwalt und Dipl.-Finanzwirt Horst Schirrman
Themenseite Selbstanzeige
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