Das FG Köln hat in einem aktuellen Urteil den teilweisen Werbungskostenabzug von Beraterkosten im Zusammenhang mit einer strafbefreienden Selbstanzeige zugelassen. Entscheidend war insoweit, dass die Selbstanzeige Kapitalerträge für Veranlagungsräume vor 2009 betraf, während die damit in Zusammenhang stehenden Beraterkosten erst nach diesem Zeitpunkt anfielen. Nach Ansicht der Kölner Finanzrichter greift insoweit nicht das mit der Abgeltungsteuer eingeführte Werbungskostenabzugsverbot des § 20 Abs. 9 EStG.
Seit dem 01.01.2009 gilt für Kapitaleinkünfte das System der Abgeltungsteuer: Grundsätzlich können hiernach nicht mehr die tatsächlichen Werbungskosten abgezogen werden, sondern nur noch der Sparerpauschbetrag von 801 € bei Einzelveranlagung bzw. 1.602 € bei Zusammenveranlagung.
Die Finanzverwaltung ist der Ansicht, dass der Abzug der tatsächlichen Werbungskosten auch dann ausgeschlossen ist, wenn die Werbungskosten in einem Veranlagungszeitraum, für den das System der Abgeltungsteuer gilt, anfallen, aber im Zusammenhang mit Kapitaleinkünften stehen, die einem Veranlagungszeitraum zuzuordnen sind, der vor 2009 liegt. Allerdings haben einige Finanzgerichte - so das FG Düsseldorf und das FG Rheinland-Pfalz - eine gegenteilige Ansicht vertreten.
Das FG Köln hat sich nun in einer aktuellen Entscheidung der Ansicht der Finanzgerichte Düsseldorf und Rheinland-Pfalz angeschlossen.
Im entschiedenen Fall ging es um die Frage, ob Steuerberatungskosten für eine strafbefreiende Selbstanzeige für Veranlagungszeiträume vor 2009 bei der Einkommensteuererklärung 2010 als Werbungskosten angesetzt werden können.
Für die Praxis stellen sich in diesem Zusammenhang zwei Fragen: Sind Werbungskosten, die sich auf Veranlagungszeiträume vor Geltung der Abgeltungsteuer beziehen, aber tatsächlich erst nach diesem Zeitpunkt abfließen, abzugsfähig? Und wenn dies der Fall ist: In welchem Umfang können Beratungskosten im Zusammenhang mit einer strafbefreienden Selbstanzeige abgezogen werden?
Das FG Köln bejaht die Abzugsfähigkeit von Werbungskosten im Zusammenhang mit Kapitaleinkünften aus Veranlagungszeiträumen vor Einführung der Abgeltungsteuer, auch wenn sie erst nach deren Einführung abgeflossen sind. Das Gericht begründet dies mit dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes: Nach § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG gelten die Regelungen der Abgeltungsteuer erstmals für Kapitalerträge, die nach dem 31.12.2008 zufließen. Über die Abziehbarkeit von tatsächlichen Werbungskosten entscheidet aus diesem Grund nicht der Zeitpunkt des Abflusses der Werbungskosten, sondern der Zeitpunkt, an dem die Kapitalerträge zufließen, mit denen die fraglichen Aufwendungen im Zusammenhang stehen. Wenn der Zufluss der Kapitalerträge vor dem 31.12.2008 liegt, stellen Aufwendungen, die in einem objektiven Zusammenhang mit diesen Kapitalerträgen stehen, nach dieser Ansicht auch dann Werbungskosten dar, wenn sie nach dem 01.01.2009 geleistet werden. Das FG Köln sieht - wie die Finanzgerichte Düsseldorf und Rheinland-Pfalz und große Teile der Literatur - keinen Grund, das Gesetz gegen den eindeutigen Wortlaut auszulegen. Eine solche Auslegung würde auch im Widerspruch zur Gesetzesbegründung stehen.
Die vollständige Abziehbarkeit der Werbungskosten, die mit Kapitaleinkünften im Zusammenhang stehen, die vor dem 01.01.2009 zugeflossen, aber in einem späteren Veranlagungszeitraum entstanden sind, führt nach Ansicht des FG Köln zudem dazu, dass neben dem vollständigen Abzug dieser Werbungskosten auch der Sparerpauschbetrag für Kapitalerträge zur Anwendung kommt, die im Jahr des Abflusses der Werbungskosten erzielt worden sind. Insoweit sind die beiden „Besteuerungssysteme“ für Kapitaleinkünfte ggf. parallel nebeneinander anzuwenden.
Führt der Abzug der Werbungskosten, die im Zusammenhang mit Kapitaleinkünften aus Veranlagungszeiträumen vor 2009 stehen, zu einem Verlust, ist dieser unbegrenzt abziehbar; denn auch die Verlustabzugsbeschränkung des § 20 Abs. 6 EStG gilt erst ab Einführung der Abgeltungsteuer und damit nur für Kapitaleinkünfte, die nach dem 01.01.2009 zufließen. Auch dies ergibt sich nach Ansicht des FG Köln aus dem Wortlaut der zeitlichen Anwendungsregelung des § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG.
Wenn nach diesen Grundsätzen Beratungskosten dem Grunde nach als Werbungskosten absetzbar sind, stellt sich noch die Frage, in welcher Höhe sie abzugsfähig sind. Hier schließt sich das FG Köln der herrschenden Auffassung an: Aufwendungen für die Erstattung einer Selbstanzeige nach § 371 AO sind generell Werbungskosten, soweit sie auf die Ermittlung der nachzuerklärenden Einkünfte entfallen. Beratungskosten, die für die Geltendmachung und die Durchsetzung der strafbefreienden Selbstanzeige anfallen, stehen wie Strafverteidigungskosten nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Besteuerungsverfahren und können daher nicht als Werbungskosten angesetzt werden. Die Beratungskosten sind daher entsprechend aufzuteilen.
Gegen das Urteil des FG Köln ist eine Revision beim BFH anhängig (Aktenzeichen: VIII R 34/13), ebenso wie gegen das Urteil des FG Düsseldorf (Aktenzeichen: VIII R 53/12).
Praxishinweis
Obwohl die Finanzverwaltung bisher ihre ablehnende Auffassung bezüglich der Abziehbarkeit von Werbungskosten, die im Zusammenhang mit Kapitaleinkünften aus Veranlagungszeiträumen stehen, die vor 2009 liegen, aber erst danach abgeflossen sind, nicht geändert hat, sollten entsprechende Werbungskosten dennoch in der Steuererklärung geltend gemacht werden.
Da aber die Finanzverwaltung diesem Ansatz aller Voraussicht nach nicht folgen wird, sollte der steuerliche Berater bzw. Steuerpflichtige gegen die Steuerbescheide Einspruch eingelegen und im Hinblick auf die genannten Revisionsverfahren das Ruhen des Verfahrens beantragen. Nach einer ggf. positiven Entscheidung des BFH können die Bescheide dann noch in der für den Mandanten günstigen Weise geändert werden.
Wenn die Werbungskosten auch auf Beratungskosten im Zusammenhang mit strafbefreienden Selbstanzeigen beruhen, sind diese lediglich anteilig als Werbungskosten anzusetzen. Deshalb sollte darauf geachtet werden, dass die Berater ihre Rechnungen entsprechend aufschlüsseln. Nur dann ist auch ein anteiliger Abzug möglich. Im Ergebnis müssen also die Kosten für die Ermittlung der Kapitalerträge nicht nur auf die Veranlagungszeiträume aufgeteilt werden, sondern auch nach Kosten aufgeschlüsselt werden, die der Ermittlung der Einkünfte dienten, und solchen, die die Durchsetzung der Selbstanzeige betrafen.
FG Köln, Urt. v. 17.04.2013 - 7 K 244/12
FG Düsseldorf, Urt. v. 14.11.2012 - 2 K 3893/11 E
FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 14.12.2011 - 2 K 1176/11
Quelle: StB und Fachanwalt für Steuerrecht Scholz