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Selbstanzeige: Kabinett beschließt Gesetzentwurf

Das Bundeskabinett hat den Gesetzentwurf zur Verschärfung der Selbstanzeige beschlossen. Mit der Bundestagsdrucksache vom 03.11.2014 (BT-Drs. 18/3018) liegt nunmehr der voraussichtliche Gesetzestext vor. Mandanten bzw. ihre steuerlichen Berater sollten sich schon jetzt mit den Einzelheiten der künftigen Gesetzeslage vertraut machen, greifen die Änderungen doch schon zum kommenden Jahreswechsel.

Bereits 2013 hat sich die Zahl der Selbstanzeigen bundesweit verdreifacht. Über 24.000 Steuersünder offenbarten sich ans Finanzamt. Es wurden mehr als 260 Mrd. € am Finanzamt vorbeigeleitet.

Die Steuerbehörden gewähren den Reuigen Gnade: Eine Steuerstraftat, die der Steuersünder wirksam selbst anzeigt, wird bis dato nicht bestraft. Es liegt in der Natur der Finanzbehörde, dass diese Straffreiheit nur ungern gewährt wird und die öffentliche Meinung  auch in diesen Fällen nach Sanktionen ruft. Deshalb verengt der Steuergesetzgeber schon seit Jahren  diese „goldene Brücke zur Straffreiheit“ immer mehr. Die letzte große Hürde, die die  Finanzverwaltung aufstellte, war die ab 2011 geltende Verpflichtung, sämtliche unverjährten Steuerverfehlungen gesammelt anzuzeigen.

Diese Verschärfungen sind geplant

Jetzt plant die Finanzverwaltung mit dem Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 24.09.2014 (nicht zu verwechseln mit dem JStG 2015, das den offiziellen Namen „Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ trägt ) ein weitaus größeres Hindernis auf den Weg zur Straffreiheit zu legen. Künftig müssen die Steuersünder mit einer weiteren Verschärfung der Anforderungen für eine wirksame Selbstanzeige rechnen:

  • Erweiterung des Personenkreises, gegenüber dem eine Sperrwirkung bei Prüfungsanordnung stattfindet (= § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO-Entwurf = AO-RegE).
  • Sperrwirkung bei einem besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung (= § 371 Abs. 2 Nr, 4 AO-RegE).
  • Hemmung der Festsetzungsfrist für nicht erklärte Kapitalerträge aus Drittstaaten außerhalb der EU (= Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 6 AO-RegE).
  • Besondere Regelungen bei Steuerhinterziehungen durch verspätete Abgabe von Umsatzvoranmeldungen und Lohnsteueranmeldungen (= § 371 Abs. 2a AO-RegE).
  • Rechtzeitige Zahlung der festgesetzten Hinterziehungszinsen als zusätzliche Tatbestandsvoraussetzung (= § 371 Abs. 3 AO-RegE).
  • Straf-Zuschlag bereits ab 25.000 € Steuervorteil je Tat (= § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO-RegE).
  • Staffelung des bisher 5 %igen Straf-Zuschlags nach der Höhe der hinterzogenen Steuern von 10 % bei 25.000 € bis 20 % bei über 100.000 € Hinterziehungsbetrag (= § 398a Abs. 1 Nr. 2 AO-RegE).
  • Neufassung der bisherigen Ausschlussgründe für die Selbstanzeige nach § 371 Abs. 2 Nr. 1 AO.

Eine noch im  Referentenentwurf vorgesehene weitere Verschärfung wurde bereits im Gesetzesentwurf der Bundesregierung wieder herausgenommen: Die in § 376 Abs. 1 AO-RegE vorgesehene Verlängerung der strafrechtlichen Verjährungsfrist auf insgesamt 10 Jahre wurde fallen gelassen.

Das sind die Einzelheiten

  • Die Sperrwirkung der Bekanntgabe der Prüfungsanordnung erstreckt sich künftig auch auf Anstifter, Gehilfen und Begünstigte. Darunter sind z.B.  Mitarbeiter zu verstehen, die zugunsten ihres Unternehmens eine Steuerhinterziehung begangen haben. Diesen Angestellten können also künftig auch nach ihrem Ausscheiden aus dem Unternehmen die Sperrwirkungen einer Prüfungsanordnung entgegenstehen. Die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung wird sogar auf das Erscheinen eines Amtsträgers zur Nachschau nach UStG bzw. EStG erweitert.
  • Die Finanzverwaltung hat sich nunmehr einen weiteren Riegel einfallen lassen, der eine Straffreiheit verwehrt, wenn  ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung vorliegt. Eine  schwere Steuerhinterziehung kommt häufiger vor und ist beispielsweise gegeben,  wenn ein Amtsträger mit in die Tat eingebunden ist oder eine Urkundenfälschung i.V.m. der Tat begangen oder die Tat bandenmäßig begangen wurde.
  • In Bezug auf außerhalb der EU erzielte Kapitalerträge ist hinsichtlich der Steuerfestsetzungsverjährung geplant, die Festsetzungsfrist erst dann beginnen zu lassen, wenn die hinterzogenen Kapitalerträge der Finanzbehörde entweder durch Erklärung des Steuerpflichtigen oder in sonstiger Weise bekannt sind. Diese in  § 170 Abs. 6 AO-RegE normierte Regel führt dazu, dass sich der Korrekturzeitraum noch über die 10-jährige Festsetzungsverjährung hinaus um weitere 1bis 3 Jahre ausweitet, was sich im Fall einer gänzlich unwirksamen Selbstanzeige beim Täter in einer erheblich höheren Steuernachzahlung auswirken kann.
  • Durch Einführung des § 371 Abs. 2a AO-RegE  wird – was durchaus positiv zu bewerten ist – die Möglichkeit einer Teilselbstanzeige wieder eingeführt. Wenn also eine korrigierte Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteueranmeldung sich als wirksame Selbstanzeige herausstellt, ann es sich hierbei um eine wirksame Teilselbstanzeige handeln, die nicht als Tatentdeckung zu werten ist und auch keinen „Selbstanzeigenstrafzuschlag“ nach sich zieht. Diese Privilegierung gilt jedoch nicht für andere Steueranmeldungen, wie z.B. die Kapitalertragsteuer-Anmeldung.
  • Die Wiederaufnahme des Verfahrens durch das Finanzamt ist nunmehr auch dann noch möglich, wenn der Strafzuschlag nach § 398a AO zwar gezahlt wurde, aber im Rahmen der Selbstanzeige unvollständige oder unrichtige Angaben gemacht wurden (§ 398a Abs. 3 AO-RegE).

Der zeitliche Rahmen

Wirtschaft und Verbänden war bis zum 10.09.2014 Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Danach begann ab dem 24.09.2014 das  offizielle Gesetzgebungsverfahren. Zurzeit läuft dieses Verfahren, das mit der 2. und 3. Lesung im Bundestag und der abschließenden Beratung im Bundesrat wahrscheinlich am 19.12.2014 seinen Abschluss finden wird. Der Bundesrat hatte in seiner Stellungnahme vom 07.11.2014 keine Einwendungen gegen die Pläne zur Neuregelung der Selbstanzeige, somit ist noch bis zum Jahresende mit dem Inkrafttreten des Gesetzes ab 2015 zu rechnen.

Die in § 170 Abs. 6 AO-RegE geplante 10-jährige Anlaufhemmung gilt für alle nach dem 31.12.2014 beginnenden Festsetzungsfristen (Art. 97 § 10 Abs. 13 Einführungsgesetz zur Abgabenordnung).

Praxishinweis

Die vorgenannte Verschärfung der Selbstanzeige wird nicht vor dem 01.01.2015 Geltung erlangen, was umgekehrt aber heißt, dass nur wenig Zeit bleibt, mit betroffenen Mandanten das Für und Wider einer Selbstanzeige nach noch geltendem Recht zu besprechen. Diesem Entscheidungsfindungsprozess muss sich dann unmittelbar die genaue Sachverhaltsermittlung anschließen, um - ggfs. nach Einholung weiterer Auskünfte – die vollständige und durchdachte Selbstanzeige einzureichen. Vielleicht kann auch der Hinweis auf Einsparungen beim „Strafzuschlag“ letzte Zweifel beseitigen.

Bereits jetzt sind einzelne Einschränkungen der Selbstanzeige verfassungsrechtlich bedenklich. So  z. B. die Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 6 AO-RegE. Diese Verlängerung kommt einer strafrechtlichen Verfolgungsverlängerung gleich und muss künftig verfassungsrechtlich an dem allgemeinen deutschen Strafrechtssystem gemessen werden. Das könnte eine Argumentationshilfe für künftige Gerichtsverfahren sein. Deshalb wurde sicherlich – um dieses Verfassungsproblem nicht offensichtlich werden zu lassen – auch die strafrechtliche Verlängerung der Verjährungsfrist auf 10 Jahre fallen gelassen. Denn es ist sehr fraglich, ob eine derart lange Verjährungsfrist für Steuerhinterziehung noch in das für Deutschland festgeschriebene liberale Strafrechtssystem passt.

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung  (Gesetzesentwurf der Bundesregierung v. 24.09.2014, BT-Drs. 18/3018 v. 03.11.2014)

Quelle: Rechtsanwalt und Dipl.-Finanzwirt Horst Schirrmann


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