Ist die einmonatige Rechtsbehelfsfrist abgelaufen, wird ein Steuerbescheid bestandskräftig. Dann wird der Einspruch als unzulässig zurückgewiesen, sofern nicht besondere Hinderungsgründe vorliegen. Änderungen sind danach nur noch sehr eingeschränkt aufgrund gesetzlicher Sonderregelungen möglich. Hierüber kann dann der Steuerbescheid auch nach Bestandskraft und bis zur Verjährung noch berichtigt werden, auch zu Ungunsten des Finanzamts.
Als letzte Hoffnung bleibt noch eine Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit. Das BMF hat jetzt - unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder - den Anwendungserlass zur AO (AEAO) zum Verfahrensrecht, der die Regelung zur Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit (§ 129 AO) umfasst, neu gefasst und gibt konkrete Anweisungen.
Ein Fehler ist dann offenbar,
- wenn er auf der Hand liegt, durchschaubar, eindeutig oder augenfällig ist. Das ergibt sich für einen unvoreingenommenen Dritten ohne weiteres aus der Steuererklärung, deren Anlagen sowie den in den Akten befindlichen Unterlagen für das betreffende Veranlagungsjahr - unter Einbezug der im konkreten Fall einschlägigen internen Arbeits- und Dienstanweisungen (Hinweis: Es kommt nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige die Unrichtigkeit anhand des Bescheids und der ihm vorliegenden Unterlagen erkennen konnte.);
- wenn es sich um eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit handelt. Das sind mechanische Versehen, wie beispielsweise Eingabe- oder Übertragungsfehler oder wenn der Sachbearbeiter den Eingabewertbogen falsch ausfüllt oder Daten versehentlich nicht oder falsch in ein Computerprogramm eingibt;
- wenn ein Finanzbeamter es versehentlich unterlassen hat, die für die Veranlagung eines Jahres vorliegenden Unterlagen auszuwerten, die ihm vom Steuerpflichtigen unterjährig übersandt wurden;
- Sachbearbeiter für den Veranlagungszeitraum relevante Unterlagen übersehen, etwa
- eine einschlägige Kontrollmitteilung,
- relevante Grundlagenbescheide oder
- Punkte eines Betriebsprüfungsberichts;
- wenn die offenbare Unrichtigkeit beim Erlass des Verwaltungsakts unterlaufen war (Hinweis: Daher können nur Fehler berichtigt werden, die der Finanzbehörde unterlaufen sind.)
- wenn das Finanzamt eine in der Steuererklärung (oder der beigefügten Anlage) enthaltene offenbare, d.h. für das Finanzamt erkennbare Unrichtigkeit als eigene übernimmt.
Keine offenbaren Unrichtigkeiten sind folgende vier Fehler:
- Auslegung einer Rechtsnorm;
- Unrichtige Tatsachenwürdigung;
- Unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts oder Fehlers;
- Dem Steuerpflichtigen sind bei Erstellung seiner Steuererklärung Fehler (insbesondere Schreib- oder Rechenfehler) unterlaufen und er hat demzufolge dem Finanzamt bestimmte Tatsachen nicht oder mit einem unzutreffenden Wert mitgeteilt. Hier kann der Steuerbescheid nicht wegen offenbarer Unrichtigkeiten berichtigt werden, da das Finanzamt den Fehler nicht erkennen und diesen sich somit auch nicht zu eigen machen konnte.
Eine Änderung wegen neuer Tatsachen kommt in Betracht, wenn
- den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden der zutreffenden Tatsachen trifft und
- diese Tatsachen auch bei Erlass des ursprünglichen Steuerbescheids rechtserheblich waren.
Dafür, dass die ursprüngliche Nichterklärung auf einem mechanischen Versehen beruht, trägt der Steuerpflichtige die Beweislast; die Form der Steuererklärung ist hierbei unerheblich.
Praxishinweis
Die Berichtigung nach § 129 AO zum Vorteil und zu Ungunsten des Steuerpflichtigen ist zulässig bei
- Steuerfestsetzungen und Zinsbescheiden nur innerhalb der Festsetzungsfrist,
- Aufteilungsbescheiden bis zur Beendigung der Vollstreckung,
- Verwaltungsakten, die sich auf Zahlungsansprüche richten, bis zum Ablauf der Zahlungsverjährung und bei anderen Verwaltungsakten zeitlich unbeschränkt.
Diese eher unbekannte Gesetzesnorm ist ins Feld zu führen, wenn der Finanzbeamte völlig offensichtliche Fehler in den Steuerbescheid übernimmt. Das kann beispielsweise sein,
- wenn in der Erklärung ein Rechenfehler gemacht wird, der bereits mit einem Blick erkennbar ist. Weist etwa die Summe der Betriebseinnahmen laut Aufstellung 1.000 €, der Vordruck aber irrtümlich 10.000 € auf und übernimmt der Beamte den hohen Wert, kann dies im Nachhinein auch ohne Einspruch im bestandskräftigen Bescheid korrigiert werden;
- wenn die Fahrt zur Arbeit von Bonn nach Düsseldorf mit 70 km täglich angegeben wird, ins maßgebliche Feld aber nur 7 km eingetragen sind. Sofern der geringere Wert in den Bescheid übernommen wird, kann anschließend die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit beantragt werden.
Wichtig: Ist beim Erlass eines Steuerbescheids eine offenbare Unrichtigkeit unterlaufen, so endet die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe dieses Steuerbescheids.
BMF-Schreiben v. 31.01.2013 - IV A 3 - S-0062/08/10007-15
BMF-Schreiben v. 15.08.2012 - IV A 3 - S-0062/08/10007-14, BStBl 2012 I 850
BFH, Urt. v. 27.05.2009 - X R 47/08, BStBl 2009 II 946
BFH, Urt. v. 13.06.2012 - VI R 85/10, BStBl 2013 II 5
BFH, Urt. v. 27.11.2003 - V R 52/02
Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 26.02.13