Wenn das Finanzamt vorzeitig zur Abgabe einer Steuererklärung auffordert, muss dies ausreichend begründet werden. Andernfalls kann ein darauf gestützter Verspätungszuschlag unrechtmäßig sein. Das hat der BFH entschieden. Demnach kann ein solcher Ermessensverwaltungsakt auch nicht durch das Nachschieben einer Begründung „geheilt“ werden, wenn er sich vor der Einlegung des Einspruchs erledigt hat.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einer aktuellen Entscheidung dazu Stellung genommen, wie die vorzeitige Anforderung einer termingebunden abzugebenden Steuererklärung sowie die Festsetzung eines Verspätungszuschlags begründet werden muss und wie ein eventueller Begründungsmangel geheilt werden kann.
Das Finanzamt (FA) hatte einen Steuerpflichtigen, der steuerlich beraten wurde, aufgefordert, die Einkommensteuererklärung für 2010 bis zum 31.08.2011 (und damit vorzeitig) einzureichen. Die vorzeitige Anforderung wurde damit begründet, dass sie „im Interesse“ einer ordnungsgemäßen Durchführung des Besteuerungsverfahrens erfolge. Nicht aber ging das FA darauf ein, warum die Abgabefrist im konkreten Fall des Steuerpflichtigen verkürzt wurde. Der Steuerpflichtige ließ seine Steuererklärung von einem Steuerberater anfertigen, worauf sie gut drei Monate nach dem Termin der Anforderung beim FA einging. Daraufhin setzte das FA einen Verspätungszuschlag fest. Einspruch und Klage des Steuerpflichtigen dagegen blieben ohne Erfolg, während der BFH der Ansicht des Steuerpflichtigen war.
Vorzeitige Anforderung der Steuererklärung ist eine Ermessensentscheidung
Die Aufforderung des FA zur termingebundenen Abgabe der Steuererklärung ist eine Ermessensentscheidung. Nach den gleichlautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder über Steuererklärungsfristen in der damals geltenden Fassung verlängerte sich die Frist zur Abgabe der Einkommensteuererklärung allgemein bis zum 31.12. des Folgejahres, wenn sie durch einen Steuerberater angefertigt wird. Allerdings bleibt es nach dem Erlass den Finanzämtern vorbehalten, Erklärungen auch für diesen Personenkreis mit einer angemessenen Frist für einen Zeitpunkt vor Ablauf der allgemein verlängerten Frist anzufordern.
Begründung der vorzeitigen Anforderung ermessensfehlerhaft
Also kann auch bei Steuerpflichtigen, die steuerlich beraten werden, die Steuererklärung vorzeitig angefordert werden. Allerdings muss diese Entscheidung ausreichend begründet werden. Dabei müssen die Erwägungen, die bei der Ausübung des Verwaltungsermessens angestellt worden sind, aus der Entscheidung erkennbar sein. Ist dies nicht der Fall, ist die Anordnung rechtswidrig. So auch das streitgegenständliche Schreiben des FA, das diesen Begründungsanforderungen nicht genügt. Aus der formelhaften Begründung, das FA handle „im Interesse einer ordnungsgemäßen Durchführung des Besteuerungsverfahrens“, war nicht erkennbar, aus welchem Grund die Abgabefrist für den betroffenen Steuerpflichtigen verkürzt wurde. Folglich leidet die vorzeitige Anforderung an einem Begründungsmangel.
Heilungsmöglichkeit des Begründungsmangels
Grundsätzlich kann ein solcher Begründungsmangel auch noch im Einspruchs- und Klageverfahren geheilt werden. Dies entspricht der Verfahrensökonomie. Es soll verhindert werden, dass ein Verwaltungsakt allein wegen eines Verfahrensmangels aufgehoben wird und die Behörde danach einen Verwaltungsakt gleichen Inhalts erlassen muss. Hat sich aber der Verwaltungsakt vor der Einlegung des Einspruchs durch Zeitablauf oder in sonstiger Weise erledigt, ist eine Heilung nicht mehr möglich, weil die Heilung einen wirksamen Verwaltungsakt voraussetzt.
Die nachträgliche Begründung, die das FA für die vorzeitige Anforderung gab, nahm es in einem Schreiben vor, das nach der Abgabe der angeforderten Einkommensteuererklärung erging. Der Streit um die vorzeitige Abgabe hatte sich spätestens mit der Abgabe der Einkommensteuererklärung und damit bereits vor der Einlegung des Einspruchs erledigt. Eine nachträgliche Heilung des Begründungsmangels war daher ausgeschlossen.
Verspätungszuschlag als Ermessensentscheidung
Das FA kann gegen denjenigen, der seiner Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung nicht fristgerecht nachkommt, einen Verspätungszuschlag festsetzen. Von der Festsetzung eines Verspätungszuschlags ist abzusehen, wenn das Versäumnis entschuldbar ist.
Nach den zuvor genannten Maßstäben ist im konkreten Fall auch der Bescheid über die Festsetzung des Verspätungszuschlags wegen verspäteter Abgabe der Einkommensteuererklärung rechtswidrig und aufzuheben. Vor allem hat der Steuerpflichtige seine Erklärung vor dem 31.12. des Folgejahres abgegeben. Dies war rechtzeitig, weil die vorzeitige Anforderung nicht rechtmäßig war. Der BFH betrachtet das Versäumnis des Steuerpflichtigen aufgrund der fehlenden Begründung der Vorabanforderung zumindest auch als entschuldbar; mithin war die Festsetzung des Verspätungszuschlags nicht rechtmäßig.
Praxishinweis
Zwar betrifft das vorliegende Urteil die Rechtslage bis 31.12.2017, denn durch das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens verlängern sich die Fristen zur Abgabe der Einkommensteuererklärung ab dem Veranlagungszeitraum 2018 für Steuerpflichtige, die nicht steuerlich beraten werden, bis zum 31.07. des Folgejahres und für Steuerpflichtige, die steuerlich beraten werden, bis Ende Februar des zweiten auf den Besteuerungszeitraum folgenden Kalenderjahres. Allerdings hat das Finanzamt auch nach der Neuregelung weiterhin die Möglichkeit, Steuererklärungen vorzeitig anzufordern. Dabei hat die Finanzverwaltung künftig die vom BFH aufgestellten Maßstäbe zu beachten und wird die Begründung für die vorzeitige Anforderung individueller gestalten müssen, also nicht mehr auf mehrfach verwandte Satzbausteine zurückgreifen können.
BFH, Urt. v. 17.01.2017 - VIII R 52/14
Quelle: RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht