Der Sanierungserlass des BMF sollte Sanierungsgewinne von insolvenzgefährdeten Unternehmen steuerlich begünstigen. Der BFH sah schon vor einiger Zeit hierfür keine ausreichende gesetzliche Grundlage. Nun stellen die BFH-Richter klar: Auch soweit die Finanzverwaltung die Regelung aus Vertrauensschutzgründen weiter anwendet, können die Finanzgerichte den Sanierungserlass nicht berücksichtigen.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einer aktuellen Entscheidung dazu Stellung genommen, ob sich Steuerpflichtige im finanzgerichtlichen Verfahren auf den Sanierungserlass des Bundesministeriums der Finanzen (BMF, BStBl I 2003, 240) berufen können.
Ein Steuerpflichtiger hatte vor 2017 für einen Sanierungsgewinn auf der Grundlage des Sanierungserlasses des BMF von 2003 eine Steuerbefreiung beantragt, das zuständige Finanzamt (FA) jedoch lediglich einen Teilerlass bewilligt. Der Steuerpflichtige hielt dies für eine unzutreffende Anwendung des damals noch gültigen Sanierungserlasses und rief dazu das Finanzgericht (FG) an. Das FG wies die Klage ab, wogegen der Steuerpflichtige Nichtzulassungsbeschwerde einlegte. Der BFH folgte jedoch dem FG.
Keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage
Die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde muss eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung sein. Das ist der Fall, weil die aufgeworfene Rechtsfrage nach Auffassung des BFH auf Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung abschließend beantwortet werden kann: Wenn ein Sanierungsgewinn dadurch entstanden ist, dass die Schulden vor dem 09.02.2017 erlassen worden sind, kommt weder eine Einkommensteuerbefreiung dieses Gewinns nach § 3a EStG n.F. noch eine Billigkeitsmaßnahme nach den BMF-Schreiben in BStBl I 2003, 240 und BStBl I 2017, 741 in Betracht.
Der BFH hat mehrfach entschieden, dass diese Schreiben gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstoßen und von Finanzgerichten nicht angewendet werden dürfen. Eine Übergangsregelung für Altfälle vor Inkrafttreten des § 3a EStG n.F. hätte nur durch den Gesetzgeber getroffen werden können; dies ist aber nicht geschehen.
Die Finanzverwaltung wendet diese Entscheidungen indes nicht an. Nach ihrer Sicht ist bei Schulderlassen bis (einschließlich) zum 08.02.2017 aus Vertrauensschutzgründen weiterhin nach dem Sanierungserlass zu verfahren. Dementsprechend ist geklärt, dass kein FG und auch nicht der BFH die Finanzverwaltung in einem Verfahren gegen einen (Teil-)Erlassbescheid oder einen Ablehnungsbescheid verpflichten kann, Steuerbeträge auf Sanierungsgewinne unter Anwendung des Sanierungserlasses überhaupt oder in größerem Umfang als geschehen zu erlassen.
Billigkeitsmaßnahmen in Sanierungsfällen können nur auf besondere, außerhalb dieses Erlasses liegende Gründe des Einzelfalls, insbesondere auf persönliche Billigkeitsgründe gestützt werden.
Soweit das FA wie im Streitfall einen teilweisen Erlass auf Grundlage des Sanierungserlasses wegen sachlicher Unbilligkeit gewährt hat, ist dieser wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung rechtswidrig. Zwar hat seine Aufhebung durch das FG zu Lasten des Klägers – wie vom FG erkannt – wegen des Verböserungsverbots zu unterbleiben.
Die Aufhebung eines Ablehnungsbescheids oder die Erhöhung eines Erlassbetrags durch ein FG oder den BFH auf Grundlage des Sanierungserlasses kommt aber nicht in Betracht. Ebenso kann es laut BFH in einem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich sein, ob das zuständige Finanzamt bei der Überprüfung einer Erlassentscheidung die Vorgaben des Sanierungserlasses zutreffend umgesetzt hat.
Keine Divergenz zu anderen Entscheidungen
Die Revision ist nicht wegen der Divergenz zu den Vorgaben des Sanierungserlasses zur Berechnung der Höhe des steuerfreien Sanierungsgewinns zuzulassen. Die vom FG vermeintlich divergierend beantworteten Rechtsfragen hierzu können nicht wie erforderlich in einem Revisionsverfahren geklärt werden, denn der Sanierungserlass darf für Schuldenerlasse vor dem 09.02.2017 auch in derartigen Verfahren nicht mehr beachtet werden. Entsprechend kann in einem Revisionsverfahren auch nicht geklärt werden, wie ein steuerfreier Sanierungsgewinn auf der Grundlage des Sanierungserlasses zu berechnen wäre.
Keine Billigkeitsmaßnahme im Einzelfall
Der BFH hat eine Steuerfreistellung von Sanierungsgewinnen durch einzelfallbezogene Billigkeitsmaßnahmen gem. § 163 und § 227 AO zugelassen. Da diese Möglichkeit vom FG geprüft, aber abgelehnt worden ist, hat die Beschwerde insoweit ebenfalls keinen Erfolg.
Praxishinweis
Der BFH hat mit seiner Entscheidung seine Rechtsprechung zur Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen auf der Grundlage des Sanierungserlasses weiter konkretisiert. Der Sanierungserlass darf weder im Verwaltungsverfahren angewendet noch kann seine frühere Anwendung finanzgerichtlich überprüft werden.
Sanierungsgewinne können folglich, solange die Entscheidung der EU-Kommission zum § 3a EStG n.F. noch aussteht, nur aufgrund einzelfallbezogener Billigkeitsmaßnahmen gem. § 163 und § 227 AO steuerfrei gestellt werden. Die Begründung eines Antrags auf Steuerfreiheit eines Sanierungsgewinns unter Verweis auf den Sanierungserlass ist damit künftig nicht mehr zielführend.
BFH, Beschl. v. 08.05.2018 - VIII B 124/17
Quelle: RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht